Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Kunst der Gegenwart Privatwohnhaus In St. Florian, Bronzefigur „Mondsüchtige", Höhe 180 cm, 1969. Linz gehe, ist das für mich die völlig vertraute Umgebung. Frage: Sie arbeiten in Ihrem Atelier in der Kreuzstraße in Alt-Urfahr, im Sommer mit of fener Türe zur Straße hin. Kommt es häufig vor, daß Vorbeigehende stehen bleiben und Ihnen bei Ihrer Arbeit zuschauen? Ruprecht: Es kommen auch immer wieder Menschen herein zu mir und fragen mich über meine Arbeit aus. Der Zugang für die meisten Leute ist natürlich leichter, weil ich gegenständlich arbeite. Bestaunt wird da aber eher die handwerkliche Kunstfertigkeit und weniger die künstlerische Aussage, die dahintersteckt. Man beachtet mehr, daß ich da eine Figur machen kann, die sehr reali stisch aussieht. Die Besucher blicken mehr auf die Oberfläche und weniger auf das We sen der Figuren. Meine Tätigkeit als Bildhau er wird als etwas Besonderes, vom Alltag Herausgehobenes gesehen. Menschen, die sehr stark im wirtschaftlichen Leben einge bunden sind, fragen dann auch sehr frühzei tig, ob man von so einer freien, auftragslo sen, künstlerischen Tätigkeit auch finanziell existieren kann. Da antworte ich immer sehr lapidar: „Von der Kunst kann man nicht leben, aber für die Kunst lebt es sich recht gut!" Frage: Wenn die handwerkliche Kunstfertig keit der von Ihnen geschaffenen Tier- und Menschengestalten bewundert wird, wo durch unterscheiden sich für den informierteren Betrachter Ihre Figuren von akademisch perfekt gemachten Bildhauerarbeiten? Ruprecht: Einen akademischen Lehrgang mit Kopieren klassischer Werke und Anatomie studien habe ich nie gemacht, ich hätte auch gar keine Hand dafür. Was dadurch besten falls entsteht, ist ein kunstgewerbliches Ob jekt. Mein Streben geht dahin, eine Form mög lichst kräftig und ausdrucksvoll zu machen. Meine Arbeit ist keine zweckausgerichtete, sie ist vielmehr eine sinnliche Tätigkeit. Ein Sich-in-Einklang-bringen mit dem Werk, das wachsend entsteht. Ein gespanntes Fühlen, das erst damit endet, wenn die Figur ganz fer tig und abgetrennt von mir bestehen kann. Frage: Diese plastischen Gestalten, die Sie aus Ihrer Vorstellungskraft schöpfen und auf immer in Bronze festhalten, sind das paradie sische Wunschformen? Ruprecht: Paradiesisch nur so weit, daß Har monie entstanden ist, wenn mir ein Werk ge lingt. Die Weit, in die ich sozusagen hinein schaue, ist weder eine jenseitige, noch eine diesseitige Daseinswelt. Eigentlich ist es nur eine strengere, eine gestaltetere, eindeutige re Welt. Dem Beschauer meiner Werke soll eine Möglichkeit gegeben werden, direkter in diese Welt hineinzuschauen. 77

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