Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Kunst der Gegenwart ums konnte. Viel welter bin ich in meinen Er wartungen nicht gegangen. Frage: Es gibt von Ihnen eine Brunnenfigur im Arkadenhof des Linzer Brückenkopfge bäudes West, war das eine Auftragsarbeit? Ruprecht: Diese Figur ist das Ergebnis eines internen Wettbewerbes noch zur Zeit der Kunstschule. Dieser Arakadenhof sollte ur sprünglich für musikalische Veranstaltungen genützt werden, so habe ich eine mythologi sche Sirene gemacht. Bei diesem Wettbe werb wurden viele gute Arbeiten geschaffen, meine hat man dann genommen. Im Gebäu dekomplex des Rathauses am Hauptplatz gibt es noch eine weitere Arbeit von mir. Dort wo jetzt das Theater des Kinders unterge bracht ist, sollte ein Lokal, ein Rathauskeller, eingerichtet werden. Bei der Stiege zum goti schen Gewölbe habe ich Sandsteinfiguren gemacht. Ein Mann mit einer Narrenmütze schüttet einem anderen aus einer Flasche Wein in den Mund. Diese beiden Arbeiten sind die einzigen von mir, die eine Art Auf tragsarbeit in öffentlichen Gebäuden dar stellen. Frage: Für einen Bildhauer ist es doch eine Existenzfrage, öffentliche Aufträge zu bekom men. Haben Sie sich nicht darum bemüht, Aufträge von öffentlichen Einrichtungen zu bekommen, haben Sie sich nie an Wettbe werben beteiligt? Ruprecht: Anfangs schon. Da habe ich ein mal für ein Bauamt einen Brunnenentwurf gemacht. Im großen und ganzen hat der auch Gefallen gefunden. Einiges daran wollte man aber geändert haben. Nun gut, eine be stimmte Sockelhöhe ist vielleicht nicht immer so wichtig für eine Gesamtgestaltung, also habe ich die geändert. Dann noch einmal et was und ein drittes Mal, aber es blieb immer noch so, daß der Gesamtentwurf nicht zu stark beeinträchtigt wurde. Dann hat man mir in einer Zeitschrift einen muschelförmigen Brunnen gezeigt, genau diesen wollte man haben. Da bin ich vom Auftrag zurückgetre ten. Das wäre nicht mehr mein Brunnen ge wesen. Wenn mir die bestehenden Vorstel lungen gleich mitgeteilt worden wären, dann hätte ich das vielleicht auch so ausgeführt. Aber wenn ein Entwurf, den man mit all sei ner Kraft und all seinem Können gemacht hat, so nach und nach pulverisiert wird, dann kann man nichts Gutes mehr zustandebrin gen. Einigemale habe ich mich noch an Aus schreibungen beteiligt, dann habe ich das aufgegeben. Ich habe nach einem anderen Weg gesucht. So mache ich seither fast nur freie Arbeiten. Frage: Das sind überwiegend Bronzefiguren — Menschen und Tiere. Doch Bronze ist ein sehr kostspieliges Material. Können Sie sich das finanziell leisten, den teuren Bronzeguß vorzufinanzieren und darauf zu warten, bis Ihnen irgendeinmal jemand ein Werk abkauft? Ruprecht: Dies habe ich mir langsam, nach und nach aufgebaut. Zuerst wurden nur klei ne Figuren gegossen und nach deren Ver kauf wieder einmal eine größere. Immer, wenn ich etwas erspart habe, lasse ich auch wieder etwas gießen. Frage: Warum schaffen Sie überwiegend in Bronze, ist Holz, Keramik, Stein, Stahl für Sie kein geeignetes Gestaltungsmaterial? Ruprecht: In meiner Studienzeit habe ich in allen Materialien gearbeitet. Man muß ja zu erst alle Techniken und Materialien auspro bieren, bis man das findet, was für die eige nen Vorstellungen und Formen am geeignetsten ist. Ich habe viel restauriert und auch Grabsteine gemacht. Geschnitzt habe ich natürlich auch und viel mit Ton gearbeitet. Das ist alles recht flott gegangen und hat mir gar nicht sehr viel Mühe gemacht. Aber bei meinen jetzigen Formen und den darin ent haltenen Aussagen wären Ton, Holz oder Stein nicht das richtige Material. Ich arbeite sehr zeitaufwendig und muß sehr viel ändern können, während eine Figur entsteht. Dazu ist der Gips das richtige Material, man kann zwar damit keine spontanen Formen hervor bringen, aber gerade das kommt meinen Ar beiten sehr entgegen. Mit Gips kann ich sehr präzise arbeiten, zum Beispiel in den Über gängen von einem Formteil in den anderen. Aber die Gipsfigur ist streng und steif, sie wirkt auch distanziert und kühl; lebendig wird dann erst der Bronzeguß davon. Frage: Wenn Sie eine Figur schaffen, haben Sie bereits von Beginn an genaue Pläne, ein Modell und Skizzen? Ruprecht: In dieser Art arbeite ich überhaupt nicht. Meine Figuren entstehen erst während des Arbeitsvorganges. In meiner Vorstel lungskraft hat sich zwar schon etwas vorge bildet, aber das ist keineswegs etwas Ferti ges. Das Herausholen einer Figur aus meiner Vorstellungswelt, die dann einmal als Bronze plastik unveränderbar dastehen soii, ist ein Vorgang, der sich über eine lange Zeit hin zieht. Die Formen, die da beim Arbeiten her auskommen, sind vorerst noch nicht eindeu tig. Da stellt sich manchmal heraus, daß in der Figur noch mehrere Charaktere sind, die nicht zusammenpassen. Vereinfacht gesagt, muß ich an einer Gestalt so lange arbeiten, bis die Zehe zur Nase paßt. Oft bleibt da eine Figur ein halbes Jahr stehen, während ich dann an einer anderen arbeite. Ich schaue immer wieder, ob ich noch etwas entdecke, das dann noch besser gemacht werden kann. Frage: Von Schriftstellern hört man öfters, daß deren Roman- oder Bühnenfiguren sich während des Schreibens verändern und so zusagen ein Eigenleben entwickeln. Ist es mit Ihren Schöpfungen ähnlich, arbeitet auch da die Figur sozusagen an ihrer eigenen Fertig stellung mit? Ruprecht: Irgendwie ist es eine Art Zwiespra che, wenn ich an einer Figur arbeite. Dabei bildet sich manchmal etwas heraus, das bei den ersten Überlegungen noch nicht konkret da war, das erst während des Arbeitens ent steht. Da wollte ich zum Beispiel einmal eine Figur machen, die etwas auf dem Kopf trägt, eine „Tragende" sozusagen. Während der Ar beit daran habe ich bemerkt, daß der Bauch der Figur immer dicker und dicker wird — der hat sich direkt herausgewölbt. Bis ich plötz lich daraufgekommen bin, daß die Figur eine Schwangere sein soll. Eine Tragende im dop pelten Sinn des Wortes. Mit der Last am Kopf wäre die Figur vielleicht nur dekorativ gewor den, doch zusätzlich als schwangere Frau ist die Figur der „Tragenden" eine eindeutige Aussage. Frage: In den letzten 30 Jahren haben Kunst stile oft gewechselt, sind Kunstformen wie Performance oder Land Art entstanden, hat es Sie nie gereizt, zum Beispiel eine riesige abstrakte Plastik zu gestalten? Ruprecht: Ich habe immer nur gegenständ lich gearbeitet. Meine Arbeiten haben höch stens Lebensgröße. Eine Figur um zwei Mil lionen Schilling zum Beispiel könnte ich in meiner Art gar nicht herstellen. Als in den Fünfzigerjahren die abstrakte Kunst so domi nierend war, habe ich schon auch versucht zu ergründen, was daran für mich faszinierend wäre. Aber ich habe für mich nichts Interes santes darin gefunden. Obwohl damals fast jeder abstrakt gearbeitet hat, sogar Künstler wie Rudoif Kolbitsch und Anton Watzl. Es hat nur wenige gegeben, die in diesen Jahren nicht versucht haben, abstrakte Kunst zu ma chen. Vielleicht war das auch mitentschei dend, daß Josef Fischnaller, Engelbert Kllemstein und ich die sogenannte SchablederGruppe gebildet haben. Was uns vor allem verbunden hat, war wahrscheinlich das, daß keiner von uns dreien abstrakt gearbeitet hat. Frage: Diese Schableder-Gruppe im gleich namigen Bauernhof am Linzer Pöstlingberg, seltsamerweise nicht weit vom Atelierwohn haus des einstigen Lehrers der Gruppenmit glieder, von Professor Walter Ritter entfernt, welche Zielsetzung hatte diese Künstler gruppe? Ruprecht: Wir hatten die Kunstschule absol viert und standen nun davon losgelöst ohne Atelier da. Um wirtschaftliche Dinge zu ver75

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