Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Kunst der Gegenwart Frage: Als Sie in das Alter kamen, In dem man aus der Schule Ins Erwerbsleben kommt, war es da Ihren Eltern recht, daß Sie Bildhauer werden wollten? Ruprecht: Eigentlich sollte Ich als ältester Sohn einmal unseren kleinen Bauernhof übernehmen. Aber meine Eltern waren auch damit einverstanden, daß Ich an die Kunstge werbeschule nach Graz wollte. In dieser Zelt kurz nach dem Krieg gab es verhältnismäßig viel Bargeld und wenig Waren. So war es für meine Eltern vorstellbar, daß Ich durch den Beruf eines ausgebildeten Bildschnitzers ein bürgerliches Leben führen könnte. Da habe Ich mich also an der Grazer Kunstgewerbe schule um Aufnahme beworben. Vor der Pro fessorenkommission habe Ich aus meinem Rucksack die mitgebrachten Tonfiguren aus gepackt und vorgezeigt, von denen fast die Hälfte beim Transport zerbrochen waren. Mich hat allerdings gleich der Mut verlassen, als Ich die Arbelten meiner Mitbewerber ge sehen habe. Da waren schon so perfekte Ar belten dabei, über die Ich nur gestaunt habe. Trotzdem war Ich einer der sieben Aufgenom menen von etwa 40 Bewerbern. Wahrschein lich haben sich die Professoren gedacht, daß sie aus so einem naiven Bauernbuben noch etwas machen könnten. Frage: Einer Ihrer Lehrer war der Bildhauer Walter Ritter, der Im Jahre 1948 an die Kunst schule der Stadt Linz berufen wurde. War das Verhältnis vom Schüler zum Lehrer so stark, daß Sie nicht In Graz bleiben wollten, son dern ebenfalls nach Linz gekommen sind? Ruprecht: Einerseits habe ich wohl bei Pro fessor Ritter die Hoffnungen geweckt, einmal ein Bildhauer In seinem Sinn zu werden. An dererseits war es ein großes Glück für mich, gerade diesen Lehrer getroffen zu haben. Im mer wenn er mich auf etwas hingewiesen hat, waren seine Erklärungen für mich sehr klar begreifbar und der Hinwels erschien mir da durch richtig. Er hat auch alles selbst vorzei gen können, es Ist nie nur bei theoretischen Erklärungen geblieben. Nach zwei Jahren In Graz und vier Jahren In Linz habe Ich dann das Gefühl gehabt, alles genommen zu ha ben, was man von einem Lehrer nehmen kann, und damit war mein Studium an der Schule abgeschlossen. Frage: Haben Sie als junger Mann, während und nach der künstlerischen Ausbildung In der Erwartung gelebt, ein sehr anerkannter, vielleicht sogar berühmter Bildhauer zu werden? Ruprecht: In dieser Form waren die Erwartun gen nicht. Es war eher ein Gefühl, daß Linz und vielleicht noch die engere Umgebung das In Anspruch nimmt, was Ich gelernt habe und was Ich jetzt nach Abschluß des StudlIm Atelier, Bronzefigur „Hahn", Höhe 100 cm, 1982. 74

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