Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Goldener Herbst im Gesäuse; Der Reichenstein von der Treffneralm gesehen. schon bekannten Herrn Martinez, In einen gewiß respekteinflößenderen Hexenturm um getauft wurde. Verlangt seine Ersteigung schon eine gute Portion Schwindelfreiheit, so ist das Gebiet um das Admonter Haus und seinen Hüttenberg, den 2065 Meter hohen Natterriegel, für jedermann zu empfehlen. Im Norden füllt sich alljährlich der Seeboden zur Schneeschmelze mit Wasser, wenig weiter östlich blühen auf dem 1847 Meter messen den Grabnerstein die vermutlich höchstgele genen Narzissen der Alpen. Den Bosruck auf der anderen, der westlichen Seite der Haller Mauern kennen wir bereits. Aber nicht nur die Bundes- und die Autobahn haben hier ihre dunklen Gänge, sondern auch die sagenhaften Wildfrauen, die hoch oben am Grat eine Höhle bewohnen sollen. Ihr Reich dehnt sich auch auf den südlich ge legenen, latschengrünen, 1720 Meter hohen Mugel des Pleschberges aus, aus dessen blühenden Weiden wiederum Bergmännlein im gerechten Zorn über die sittenlosen Sen ner eine öde Heide gemacht haben sollen. Südlich der Enns wuchtet das etwa gleichho he Dürrenschöberl empor, das allerdings im Gegensatz zu seinem Namen recht „saftig", weil reich an Quellen und Bächlein ist. Das althochdeutsche „ger", aus dem sich seine Bezeichnung herleitet, heißt soviel wie „ein zeln dastehend", was seinem Charakter gut entspricht. Vom Zauber der Gesäuseberge An das Dürrenschöberl als „Vertreter" der Eisenerzer Alpen schließen östlich die Ge säuseberge — oder, geographisch exakter ausgedrückt —die Ennstaler Alpen an. Groß artig prägen sie den östlichen Abschluß des Admonter Beckens, in ihrer alles beherr schenden Wucht schon auf den ältesten Dar stellungen des Klosters übermächtig darge stellt. Zwischen der Reichensteingruppe südlich und der Buchsteingruppe nördlich der Enns scheint es kein Durchkommen zu geben, — dennoch hat sich der Fluß eine gi gantische, vom Talboden bis zu den Gipfeln mitunter 1800 Meter (!) messende Schlucht geschaffen, die fast 20 Kilometer bis nach Hieflau führt. Vor dem Bahnbau im Jahre 1872 führte nur ein schmaler Karrenweg durch den Einschnitt, den übrigens schon Erzherzog Johann — noch dazu bei Nacht und Nebel — begangen hat; heute gehört eine Autofahrt durch das Gesäuse auf gut ausgebauter Straße zu den schönsten Erleb nissen, die der fahrbare Untersatz bieten kann Man muß nicht unbedingt durch senkrechte Felswände klettern, um auf Gesäusegipfel zu gelangen; Über die stiftische Almwirtschaft in der Kaiserau kann man mühelos zur OberstKlirike-Hütte wandern und weiter auf den 2196 Meter hohen Kalbling, der wie ein über dimensioniertes Horn über den Almen auf ragt. Noch schöner, wenn auch etwas be schwerlicher und ausgesetzter ist der Weg über die entzückende Scheiblegger Hochalm und den schon recht alpinen Riffelgrat, wobei man gleich noch das wenig höhere Sparafeld „mitnehmen" kann. Der Reichenstein, 2251 Meter hoch, in des sen Flanken vermutlich einmal nach Gold gegraben wurde, bleibt den Kletterern vor behalten, ist aber auf herrlichen Wegen über die Mödlinger Hütte zu umwandern oder ohne große Mühen aus dem einsamen Gofergraben zu bewundern. Ähnliches gilt auch für den gegenüberliegenden Buchstein, der zur Überraschung des Bergsteigers nicht nur einen Gipfel, sondern gleich ein ganzes Pla teau mit zwei weiteren Hochpunkten auf weist. Der Gang über einen nicht enden wol lenden Serpentinenweg zu „seiner" Hütte ist die vergossenen Schweißtropfen aber alle mal auch ohne Gipfelersteigung wert. Die Gesäuseberge als Kletterparadies rüh men zu wollen, hieße Eulen nach Athen bzw. Steine ins Gebirge tragen. Schon in den wil den Zeiten der „Bergvagabunden", in den Dreißigerjahren, galt das Gesäuse als „Hoch schule der Wiener Kietterer", die das Gebiet im wesentlichen auch erschlossen. Heute ist jeder Gipfel, jeder Pfeiler mit einem Netz von Routen „überzogen", die dem Kletterer zwi schen erstem und siebtem Schwierigkeits grad nach oben bringen — und manchmal auf tragische Weise auch allzu schnell nach 70

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