Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Die Uriaubsregion Garstnertai und Admonter Becken Wolfgang Heitzmann Es ist gegen sieben Uhr, als ich den Gipfel des Großen Pyhrgas erreiche. Nebelfetzen umgaukeln das Kreuz; für kurze Zeit kann ich mich selbst als „Brockengespenst" betrach ten: Die Morgensonne steht genau im richti gen Winkel, um meinen Schatten auf eine Wolkenbank zu werfen und Ihm — bedingt durch die Lichtbrechung — eine Art Heiligen schein darüber zu zaubern . . . Es ist ein schöner Platz hier heroben, wo ich mein verspätetes Frühstück aus dem Ruck sack packe, 2244 Meter hoch auf dem Kulmi nationspunkt der Haller Mauern, die sich im Gegensatz zu den sonst „üblichen" Plateau stöcken der östlichen Kalkalpen als bogenför miger Grat zwischen dem Garstnertai und dem Admonter Becken aufbauen. Und es ist ein friedlicher Platz. Fast allen Ab schnitten unserer Landesgrenze ist ein histo risch bedingter, bitterer Beigeschmack zu eigen, — man denke nur an die Gegenden zum Salzburgischen oder zum Ausseer Land hin, wo manch blutige Händel ums Salz aus getragen wurden, oder an die „Hammerher rengrenze" gegen Niederösterreich, wo man sich mit Türken und rivalisierenden Gewerken schlug, ganz zu schweigen von der heute „toten" Grenze des Eisernen Vorhanges zu unseren nördlichen Nachbarn . . . Einzig diese Landschaft, die unser „Hoamatland" zwischen Totem Gebirge und Unterem Ennstal vom Steirischen trennt, kam durch die Jahrhunderte weitgehend ohne Blutvergie ßen aus. Die Grenzscheide, die, wie jeder Autofahrer über den Pyhrnpaß staunend fest stellt, natürliche Gegebenheiten manchmal mit eigenwilligen Rößlsprüngen ausschlägt, blieb eine reine Verwaltungslinie, welche die Menschen beiderseits trotz verschiedener geschichtlicher Entwicklung eher verband als auseinanderbrachte. Gipfelblick vom Angerkogel in der Warscheneckgruppe gegen die Berge um das Admonter Becken (Haller Mauern, Gesäuseberge). — Sämtliche Fotos zu dieser Abhandlung vom Autor. Der Grund dafür mag erst im zweiten Augen blick plausibel erscheinen: Weil es hier kaum jemals etwas gab, worum zu streiten wert ge wesen wäre . . . Blick ins Garstnertai „Fürwahr eine Stätte, die des Besuches Werth", fand aber schon der erste touristische Entdecker dieses oberösterreichisch-steirischen Gebirgsraumes, der Grazer Dr. August Martinez, anno 1877 im Garstnertai. In der Tat wurde das weite, sonnige Telchltal, das sich unter meiner Warte gegen Norden erstreckt, nicht erst von verkaufstüchtigen Werbemana gern, sondern schon in Reiseführern des vo rigen Jahrhunderts als „österreichisches En gadln" gerühmt. Vielleicht liegt es an den vier Gebirgsgruppen, die das von einem Arm des eiszeitlichen Ennsgletschers ausgeschllffene Telchltal umgeben und damit die ärgsten Wetterunbilden abwenden: Man kann Ins Garstnertai kommen, wann man will, — das Wetter Ist fast Immer freundlicher als draußen im Nordstau der Kalkvoralpen. Die Geschichte der Taischaft ist eng ver knüpft mit jener der „Via Norica", auf der .Sm I 65

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