Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

'ä 'ä '4 J Bei den 1749 geschnitzten acht Reliefs für das Stift Seitenstetten, aber auch den beiden für 1750 bezeugten in Kaiwang stand jedoch wiederum Italien Pate; insbesondere die cha rakteristischen, schon in der Renaissance ausgeprägten Eigenheiten der Fiorentiner Reliefkunst mit ihrer fein abgestuften Tiefen schichtung müssen Stammel besonders be eindruckt haben. In der Kalwanger Kreuzschleppung sind die Vordergrundsfiguren — die weinenden Putti, die beiden Frauen sowie Johannes — fast vollplastisch herausgear beitet, während der Hintergrund in Flachrelief gebildet ist. Zwei Spätwerke, die großen Bi bliotheksreliefs in Admont (Königin von Saba vor Salomo, Jesus im Tempel lehrend), beide wohl erst um oder nach 1760 entstanden, wer den diese bildhafte Tiefenschichtung noch weiter und zur höchsten Vollendung bringen. Der Florentiner Ferdinande Tacca (1619—1686) ist für diese Art der Reliefbe handlung sicherlich als mögliches Vorbild heranzuziehen. Am Ende der mittleren Schaffensperiode ste hen zwei Werke, die Stammeis Ruhm beson ders gefördert und seine Volkstümlichkeit si cherlich am meisten gefestigt haben: die 1751 geschnitzte Kalwanger sowie die für 1755 bezeugte Admonter Weihnachtskrippe. Links; Admont, Krippenrelief in der Stiftssakristei (Anbetung der Hirten). Rechts: Admont, Stiftsbibliothek, Das letzte Gericht, datiert1760. Krippen gehören im Barock zum selbstverständiichen Inventar der Kirchen, aber auch — vor aliem in Tiroi — des Bürger- und Bau ernhauses. Sie waren meist als Wechselkrip pen geschaffen, d. h. sie wurden im Laufe des Weihnachtsfestkreises mehrfach umge staltet. Im Gegensatz dazu hat Stammel seine als Kunstkrippen konzipiert; bei ihnen ist jede Figur an ihren festgelegten, der Ge samtkomposition untergeordneten Platz ge stellt. Hier kann nichts verändert, nichts um gestellt werden. Daher sind bei ihnen auch mehrere Szenen geschickt vereint und zwar die Verkündigung an die Hirten im Hinter grund, die Anbetung der Hirten und der Hl. Drei Könige als Hauptszene im Vordergrund sowie endlich die Beschneidung, wieder im Hintergrund. Wie Stammel seine Figuren gruppen kunstvoll in Beziehung gestellt, alle Szenen einer höheren Ordnung untergeord net und endlich so manches ailegorischepische Beiwerk eingebracht hat, kann, wie wir glauben, wohl nur vor den Krippen selbst wirklich erschaut werden. In Admont ist an der Unterseite des Kripp leins, in welchem das Jesuskind liegt, Stam meis Monogramm TS angebracht; auch der Faßmaler Anton Pöttschnigg hat sich an der Unterseite der Marienstatue ausgiebig zu Wort gemeldet: „Zu fassen angefangen den 17. Nofemb: 1755 / Vollendet abends den 16. Martijus 1756 / Johann Antoniy Pöttschnickh bürg: / Maller alda der / Zeit 46." Die starkfar bige, erst 1980 wieder freigelegte Fassung der Kalwanger Krippe wird wohl ebenfalls von Pöttschnigg stammen. Eine weitere, kleine Wachskrippe aus den dreißiger Jahren sowie zwei Reliefs vervollständigen den Kreis der Weihnachtsdarstellungen, die auf uns ge kommen sind. Das bedeutendste Vorhaben der dritten und letzten Periode seines Schaffens ist die pla stische Ausstattung der Admonter Stiftsbi bliothek, die glücklicherweise als einziger Baukomplex den verheerenden Stiftsbrand von 1865 unversehrt überstand. Als Abt Anton II. im Jahre 1742 den aus Steyr gebürtigen Baumeister Johann Gotthard Hayberger mit der Neuplanung des gesam ten Stiftskomplexes betraute, beginnt in Ad mont eine letzte, nie zu Ende geführte Baupe riode. Auch der Bibliotheksbau wird von Hayberger begonnen und nach seinem Tode im Jahre 1764 durch den in Graz wirkenden Baumeister Josef Hueber vollendet. Die innenausstattung der Bibliothek verläuft in mehreren Schüben, mit entscheidenden Än derungen, die hier aber nicht weiter ausge38

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