Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Graz, Steiermärkisches Landesmuseum Joanneum, Alte Galerie, farbig gefaßtes Relief „Büßende Maria Magdalena", um 1745—47. Seine mittlere Perlode beginnt mit einem Paukenschlag — dem 1738—1740 entstande nen Hochaltar der Kirche von St. Martin bei Graz, dessen Tischlerarbeiten von Joh. Ge org Richter stammen. Der ganze Chorschluß Ist bühnenartig gestaltet. Die aus Holz ge schnitzte, marmorierte Rückwand In Form eines Architekturprospektes weist In der Mit te ein Triumphbogenmotiv auf, während die Seitenteile ballusterartige Abschlüsse zieren — in gewisser Anlehnung an die um 1723 er richtete Schaufassade der Grazer Kalvarlenbergklrche. Davor, freistehend, ein mächtiger Tabernakelaufbau, der gleichzeitig Sockel für die Gruppe der Reiterstatue des hl. Martin und des am Boden liegenden Bettlers bildet. Zu selten der Rückwand zwei große Voluten postamente, auf Ihnen weitere Pferdegrup pen: links die dramatische Darstellung des Saulussturzes, rechts die würdevolle Gestalt des hl. Eligius mit dem störrischen Pferd, dessen abgeschnittenes, mit dem neuen Hufelsen beschlagenes Bein er In wundersa mer Welse wieder anhellte. Im Aufsatz des Mitteltelles endlich der hl. Urban, Patron des Weinbaues; um St. Martin hatte das Stift Admont jahrhundertelang ausgedehnte Wein gärten. Mit großer Kühnheit hat Stammel an diesem Altar drei Pferdedarstellungen zu einer höheren Einheit zusammengefaßt und zwar dergestalt, daß die beiden äußeren Gruppen durch Ihre Komposition und Gestik auf die mittlere, aus einem Dreieck entwickel te Reiterfigur mit Bettler und begleitenden Puttl hinweisen. Diese Reiterstatue des hl. Martin hat Stammel In einer monumenta len, ruhigen Welse geformt. Wir werden hier an die Standbilder der Renaissance, des Gattamelata und des ColleonI erinnert, beson ders aber an die antike Bronzestatue des Marcus Aurellus auf dem Gapitol In Rom aus dem späten zweiten Jahrhundert. Der am Bo den liegende Bettler wiederum läßt sich, wie P. Krenn nachwies, in seiner Komposition auf ein Frühwerk Bernlnls, den hl. Laurentius, zu rückführen; In beiden Fällen Ist die Italieni sche Wurzel der Vorbilder evident. Trotz alledem hat Stammel der mittleren, aber auch den beiden seitlichen Gruppen seinen unver kennbaren, persönlichen Stempel aufge drückt. Schon vor Stammel hat es Altäre mit zwei Relterhelllgen gegeben; so jenen des Jakob Bendl In der Wallfahrtskirche Sammerei bei Ortenberg In Bayern aus dem zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts, bei dem die Heiligen Georg und Martin In Nischen eingestellt sind, oder den Sebastiansaltar der Pfarrkirche von Mautern In der Steiermark aus dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts, wo die gleichen Heiligen Im Aufsatz stehen. Stammel hat alle diese Vorbilder an Kühnheit weit übertroffen. blieb andererseits aber dem Pathos des bernlnesken Hochbarock verhaftet. Das erweist sich Im Vergleich mit der Martinsgruppe des Georg Raphael Donner von 1733—35, ur sprünglich für den Hochaltar des Preßburger Domes geschaffen; dort wird zwischen dem Heiligen und dem Bettler nicht nur ein viel en gerer kompositloneller, sondern auch ein starker seelischer Bezug hergestellt, etwas, was bei Stammel kaum angedeutet er scheint. In diesem zweiten Schaffensabschnitt kommt es bei Stammel zu einer gesteigerten Pro duktion von z. T. großformatigen Reliefs, die sich nun — Im Gegensatz zu den 1726 als Frühwerk geschnitzten 15 Rosenkranzge helmnissen — durch eine reich abgestufte Tiefenstaffelung und anekdotisch-erzähleri sche Ausschmückung auszeichnen. Auch hier schöpft Stammel aus zwei Quellen; zum einen von italienischen, zum anderen aus jenen, die Ihm durch den 1745—47 für Admont tätigen Augsburger Maler Gottfried Bernhard Göz vermittelt worden sind und Ihn dem Augsburger Kunstkreis nahebrachte. Zu den reizvollsten Arbeiten dieser Kunstgat tung zählen die beiden um 1736 für den Frauenberger Gnadenaitar gearbeiteten Ovalre liefs der Verkündigung und Heimsuchung, bei denen schon Ubell einen „rein italieni schen Formallsmus" feststellte. Um 1745—47 sind vier farbig gefaßte Reliefs — zwei davon Im Grazer Joanneum (reuiger Petrus und bü ßende Maria Magdalena) sowie zwei In Admont mit Szenen aus dem Leben des hl. Bernhard — entstanden. Alle beweisen den Einfluß der Augsburger Druckgraphik, In der damals das Rocallle-Ornament als neueste Errungenschaft auftritt und sogar In die gro ßen Gemälde des Göz, die er für Admont mal te, Eingang fand. Die unruhige UmrlßSllhouette dieser vier Reliefs sowie die male rische Auffassung der Komposition Ist sicher lich von dorther abzuleiten. 37

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