Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Der Admonter Stiftsbildhauer Josef Stammel (1695—1765) Kurt Woisetschläger Stammel gehört zu den bedeutendsten Ba rockbildhauern der österreichischen Alpen länder. In dieser großräumigen, mehrere Re gionen einschließenden Kunstlandschaft stand die Skulptur vor allem während der Go tik, und dann wieder im Barock in hoher Blü te. Eine reiche Heimstätte fand diese Kunst übung in dem von Salzburg aus gegründeten Stift Admont im Ennstal, dessen erste Kirche 1074 der Muttergottes und dem hl. Blasius ge weiht worden war. Die zahlreichen, von Stam mel für dieses Stift und dessen Pfarren gear beiteten Werke dürfen als besonderer Höhepunkt des barocken Kunstschaffens dieses Gebietes angesehen werden. Wer war nun dieser Stammel? Spärlich sind die urkundlichen Nachrichten über ihn, kaum etwas wissen wir über seine persönlichen Verhältnisse, da bei dem großen Stiftsbrand im Jahre 1865 auch das Admonter Archiv großteils ein Raub der Flammen wurde. Doch sind Geburts- und Sterbedatum überliefert. In den Matrikeln der Grazer Stadtpfarre ist am 9. November 1695 die Taufe des „Josephus Antonius" verzeichnet; die Eltern werden als „Johannes Georgias StämbI, Burger undt Pilthauer, Catharina uxor eius" angegeben. Es fällt auf, daß hier der von dem Admon ter Stiftshistoriker P. Jakob Wichner (1825—1903) des öfteren zitierte zweite Vor name „Thaddäus" nicht angeführt ist, worauf schon Popelka 1926 hingewiesen hat. Er meint jedoch, daß eine spätere Umbenennung nach dem Namen des Firmpaten oder anderer Namen möglich sei und des öfteren erfolgte. Wir wissen nicht, woher Wichner seine Kenntnis geschöpft hat; in den heute bekannten zeitgenössischen Quellen Ist „Thaddäus" jedenfalls nicht nachweisbar, worauf mich freundlicherweise der derzeitige Stiftsarchivar Dr. Joh. Tomaschek aufmerk sam machte. Wie wir der Taufmatrikeleintragung ebenfalls entnehmen können, war schon der Vater Bild hauer. Er stammt, wie Rochus Kohlbach nachwies, aus Eschenlohe In Bayern, heira tet 1689 in Graz die Tochter des Eggenberger Hofbildhauers Andre Marx und stirbt, eben falls in Graz, Im Jahre 1707. Unser Joseph wächst so im Kreise der Eg genberger Hofkünstler auf, war aber erst sechs Jahre, als Marx, und zwölf Jahre, als sein Vater stirbt — zu jung, um von ihnen aus gebildet zu werden. P. Tassilo Weinmaler berichtet in seiner „Topo graphie des Admontthales" von 1859, daß Josef Stammel bei den Grazer Bildhauern Zeilinger und Schoy in die Lehre ging. Zeilin ger ist uns nicht faßbar, während Johann Ja kob Schoy (1686—1732) — einer der großen Grazer Hochbarockbildhauer — durchaus als Lehrer Stammeis in Frage kommt. In seiiV Frauenberg, Wallfahrtskirche westlich von Admont, Kalvarienberg, Johannes von der Kreu zigungsgruppe, um 1730. — Sämtliche Fotos zu dieser Abhandlung vom Autor. nen Werken zeigt sich schon, wie später auch bei Stammel, ein gefühlsbetonter Lyrismus, bei dem sich italienisches Körpergefühl und nordische Formenphantasie die Waage hal ten. Auch wenn bisher urkundlich nicht nach weisbar, müssen wir bei Schoy einen frühen Italienaufenthalt annehmen; einen später für 1731, eine Reise nach Venedig ist bezeugt. Auch sein Schüler wird nach Italien reisen. Wir wissen nicht, wie Stammel mit dem Stift Admont in Beziehung kam; möglicherweise durch den 1718 gewählten Abt Anton II. von Mainersberg. Eine wohl auf authentische Nachrichten basierende Überlieferung weiß zu berichten, daß Stammel in jenem Jahre auf Kosten des Stiftes zum Studium nach Ita lien geschickt wurde, wo er wahrscheinlich sieben Jahre weilte. Denn erst ab 1726 sind Werke für das Stift Admont und dessen Pfar ren nachweisbar. Bis zu seinem Tod im Jahre 1765 hat er für dieses Stift gearbeitet. Als Be weis seiner Wertschätzung schon bei Lebzel ten mag die Eintragung in der Admonter Ster bematrikel dienen, die für den 21. Dezember 1765 lautet: „Sepultus domlnus Josephus Stämel, famosus statuarius" (Begraben Herr Joseph Stämel, berühmter Bildhauer). Doch sein Ruhm veriosch; während des 19. Jahrhunderts wird von seinen Werken auch abschätzig gesprochen. Wichner schreibt noch 1894 bei Betrachtung des Alta res in St. Martin von einem „bizarren Gedan ken, den Heiligen drei Rosse in Naturgröße beizugeben". Diese negative Einstellung teilt Stammel mit der ganzen Barockkunst, die etwa von J. Burckhardt in seinem berühmten Italienführer „Cicerone" 1855 als „verwilderter Dialekt der Renaissance" bezeichnet wurde. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts be ginnt eine objektivere, gerechtere Beurtei lung, eine Wiederentdeckung dieses Stiles; vor allem Cornelius Gurlitt hatte in seinem Werk „Geschichte des Barockstiles und des Rococo in Deutschland" 1889 den Weg dazu geebnet. Für Stammel geschah diese Würdigung durch das Werk von Anton Mayr „Die Werke des Plastikers Josef Thaddäus Stammel in Admont und anderen Orten", Wien 1912, mit guten Lichtdrucktafeln sowie den Aufsatz von Eberhard Hempel „Die Kunst Josef Thad däus Stammeis" 1935. Beide betonen jedoch ausschließlich die alpenländische Kompo nente seines Stiles. Dabei hatte der langjähri ge Direktor des Linzer Landesmuseums, Her mann Ubell (1876—1947; Direktor von 1908—1937), in einer Besprechung des Wer kes von Mayr die starken Einflüsse Bernlnis auf seine Kunst schon klar herausgearbeitet, aber auch auf die Vorbildlichkeit Augsburger Kupferstecher hingewiesen. Endlich machte Georg Kodolitsch 1959 auf die Neapolitaner Komponente bei Stammeis Weihnachtskrip pe aufmerksam. Erst bei der 1965/66 In Graz veranstalteten Stammel-Ausstellung zur Erin nerung an den zweihundertsten Todestag des Meisters wurde versucht, alle Komponen ten seiner Kunst gleichmäßig zu würdigen. Im Ausstellungskatalog ist auch die bis 1965 er schienene Literatur zur Stammelforschung zusammengetragen. 35

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