Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 4, 1985

Links: Die St.-Johannes-Kapelle in der „Kirch- und Burgsiediung" Pürgg (Dehio), romantisch oberhaib der Einmündung des Grimmingbaches in das breite Ennstai gelegen, zählt zu den bedeu tendsten österreichischen Kunstdenkmalen. „Ihre freskale Ausstattung gehört zu den wichtigsten Zeugnissen europäischer Malerei überhaupt" (siehe: Gottfried Bidermann: Zur Kunst der Stei ermark im 12. Jahrhundert, in: Das Werden der Steiermark. Die Zeit der Traungauer, Graz 1980, S. 409). Datierung des Freskenzyklus mit insge samt 27 Einzeldarstellungen vor 1164. Im Bild Bück auf die Triumphbogenwand mit Christus zwischen Kain und Abel, darunter eine geistliche und eine weltliche Stifterfigur, die weitliche von der Wissenschaft bezeichnet als Markgraf Otakar III. (1129—1164). Im Hintergrund der eingezogene Chorraum. — Foto: Eifriede Wöhry, Linz. Rechts: Detail der Pürgger Freskenausstattung: Darstellung der Geburt Christi an der Südwand. — Foto: Elfriede Wöhry, Linz. ohne Fälschungsabsicht — der Urkunde an gefügt wurde. Zwei weitere Nachträge sind eindeutig Fälschungen aus dem 13. Jh. Sie entstanden nach der Ächtung Flerzog Frie drichs II. des Streitbaren 1237/40 bzw. 1249/50 in der Auseinandersetzung um das babenbergische Erbe. In ihren Unregelmäßigkeiten — zwei Schrei ber, einmal gedrängte Schrift, dann wieder Lücken — spiegelt die Urkunde den Gang der Verhandlungen wider, d. h. sie hatte ur sprünglich Konzeptcharakter. Der Rechtsinhalt der Georgenberger Urkun de wurde mit zeitbedingten Modifizierungen in alle späteren steirischen Landhandfesten und Bestätigungen (bis 1731) übernommen. Sie ist die älteste Verfassungsurkunde der Steiermark, zugleich das mit Abstand älteste Landesprivileg aller österreichischen Länder. Das Privilegium minus war ja ein Hausprivi leg für die Babenberger gewesen. Herzog Otakar starb im Mai 1192, 28jährig. Die Erbfolge wurde klaglos abgewickelt. Schon zwei Wochen später wurde Leopold V. auf dem Reichstag zu Worms von Kaiser Heinrich VI. feierlich mit der Steiermark be lehnt. Das babenbergische Doppelherzog tum im Südosten des Reiches war zu einem Machtfaktor ersten Ranges geworden, und manch begehrlicher Blick richtete sich dar auf. Die beiden letzten Leopolde wußten ihre Stellung zum Nutzen ihrer Länder einzuset zen. Die Epoche Leopolds VI. „des Glorrei chen" (seit 1195 in der Steiermark an der Herrschaft, 1198 bis 1230 auch in Österreich) wurde in späteren, vermeintlich oder sicher schlechteren Jahrzehnten als die gute alte Zeit gepriesen. Abfall der Randgebiete Der innere Zusammenhalt des heterogenen Landes zwischen Donau und Drau war das Ergebnis genealogischen Glückes und politi scher Energie kraftvoller Herrscherpersön lichkeiten gewesen. Nun, da der steirische Herzog nicht mehr in Graz, sondern in Wien residierte, konnten sich wieder naturräum liche Gegebenheiten auswirken. Der steiri sche Adel jenseits von Semmering und Pyhrn konnte, den geographischen Gravitationsli nien folgend, seinen Herrn ohne den mühe vollen Weg über die Alpenpässe erreichen. Noch aber hatte die geprägte Form Bestand. Nur steirische Edle bezeugten 1212 das Stadtrecht von Enns. Hier, in bewußtem Rückgriff auf den Ort der Georgenberger Handfeste, stellte Kaiser Friedrich II. dem steirischen Adel während der Ächtung des gleichnamigen Herzogs seine Landhand feste aus — wenn auch die Verhandlungen in Wien stattgefunden haben werden. Aber schon in diesen Krisenjahren der babenber gischen Spätzeit zeigten sich bei den Macht trägern des steirischen Alpenvorlandes An zeichen eigenständigen Handelns. Nach dem Schlachtentod Friedrichs des Streit baren 1246 und dem Zusammenbruch des Staufischen Reiches 1250 wandten sie sich dem Böhmen PfemysI Ottokar zu, während 13

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