Notwendigkeit Es war im September, und zwar an einem jener klaren, heiteren Tage des Monats September, (Spätsommersonne, Geschwirr reisender Stare, Apfelfall, nur wenige Leute gingen spazieren, weil nur wenige Zeit hatten), an einem solchen Tag des Monats September also war es, daß der Dichter sein Auto bestieg und in die Stadt fuhr, wollene Unterhosen zu kaufen für den Winter. Manuela So wie damals, gebeugt über die Ufermauer, sah ich dich seither nie. Des Flusses Wasser spiegelte deine Anmut dem Himmel zu. Du warst mit Zigeunern gezogen; die Winde taten, was sie wollten, mit dir. Voll war von Cymbeln dein Leib, den Gitarren liebkosten; laut riefen Kastagnetten aus den Lüften. Aus schwellender Brust stieg deines Atems Freude; in dir war die Gebärde reifender Äcker, als gäbe es keinen Herbst. Seither lebst du in meinem Gedächtnis wie in einem Haus, mitten unter den Dingen, die dich damals umgaben, und ohne Antlitz. Später Sommer Nun sind die Wiesen voll vom Duft deines Leibs und die Wälder vom Glanz deines Haars, weil es Herbst wird. Begegnung Vielleicht, daß wir uns schon vor Jahren trafen, in einem Novemberwind, der zwei Blätter Herbstlaub sanft aneinanderwehte, aneinander und wieder fort, gehorsam dem Gesetz undurchschaubarer Fügung. Vielleicht an der Straßenecke einer Stadt, durch die auch die Klügsten nur in Träumen gehn, oder in einem Jahrhundert vergessener Gedichte. Vielleicht auf dem Pont Mirabeau — die Seine redete französisch, wir aber verstanden die Sprache der Liebenden aller Zeiten. Vielleicht unter einer Straßenlaterne; vielleicht im Schatten heißblütigen Flieders, im Nachtgespräch der Anemonen unter dem Horn des versinkenden Monds. Vielleicht daß wir schon damals w i r waren und erschraken, als tief in uns dunkle Glocken ertönten . . . In den Lüften spürst du den Flügelschlag jener, die eine andere Heimat suchen. Bald pflanzen Frauen weiße Astern auf unser Grab. 92
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2