Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 3, 1985

Historische Kunst Die barocken Wandbehänge in der ehemaiigen Stiftskirche Garsten in Oberösterreich Für Norbert Wibiral Landeskonservator von Oberösterreich 1958—1985 Manfred Koller Seit zehn Jahren werden in Garsten umfang reiche Konservierungs- und Restaurierungs arbeiten der historischen Bau- und Einrich tungsbestände der ehemaligen Stiftskirche und ihrer Nebenräume im Zusammenwirken von Bundesdenkmalamt, Pfarre und dem zur Vorbereitung des heuer begangenen Jubi läumsjahres gegründeten Festkomitee vorge nommen. Beginnend 1975 mit der Losensteinerkapelle sind alle mit reichem Stuckdekor der Carlonewerkstatt und wertvollem Inventar an Altären, Gemälden, Möbeln, Skulpturen, Paramenten bis zu Marmorepitaphien ausge statteten Nebenräume der Stiftskirche bau technisch saniert und nach den methodi schen Richtlinien moderner Denkmalpflege restauriert worden.^ Für die Stiftskirche selbst hat man frühere Erhaltungsarbeiten an der künstlerischen Ausstattung von Altarbil dern und Skulpturen fortgesetzt. Der Schwer punkt des hier bisher etwa zur Hälfte durch geführten Maßnahmenprogrammes war aber auf die textilen Altar- und Wandbehänge zu legen. Diese gliedern sich in vier, thematisch und funktioneil verschiedene Zyklen von Dar stellungen in drei verschiedenen Techniken. Sie stellen für Österreich, aber auch interna tional gesehen, eine sowohl kunst- als auch frömmigkeitsgeschichtliche Rarität dar, für die allein schon Garsten besonderen Rang als bis in unsere Tage lebendig gebliebenes Beispiel der bilderfrohen Glaubensverkündung barocker Sakralkunst beanspruchen darf. Im allgemeinen wird unsere Beurteilung kirchlicher Kunst im Sakralraum (noch mehr natürlich ihrer heute als Museumsobjekte profanierten Werke) von einer statischen Auf fassung der sichtbaren Darstellungen be stimmt. Sakrale Kunstwerke waren jedoch zu allen Perioden, besonders aber im späten Mittelalter (Gotik) und in der von der katholi schen Gegenreformation getragenen Ba rockkunst, im Laufe des Kirchenjahres in viel fachem Wandel begriffen. Die künstlerische Überhöhung der Kirchenräume diente als äu ßerer Rahmen und funktionelles Instrument der Gemeindeliturgie, für Hochfeste, Wall fahrten, theatralische Manifestationen (von Passionsspielen bis zu den pompes funebres) und sicherlich auch oft genug für Zwecke kirchenpolitischer Demonstration oder lokalpatriotischer Repräsentation. Für die Gotik darf an die großen Wandelretabel erinnert werden, von denen die Kunstland schaften Oberösterreichs noch zahlreiche Werke bewahren. Oder an die Kruzifixe mit beweglichen Armen, deren Gebrauch im Rahmen liturgischer Osterspiele von der Lite raturwissenschaft überzeugend nachgewie sen werden konnte.^ Vom mittelalterlichen Pilgerwesen zeugen Relikte wie Pilgerzei chen oder Prozessionsstangen, aber kaum Dokumente der damit verbundenen Andach ten und sonstiger Gebräuche (z. B. Vorwei sung von Heiltümern an den Schatzkam merfenstern über den spätgotischen Sakristeiportalen in den Kirchen von St. Wolf gang am Abersee und Mondsee). Von dem ursprünglich sicher hohen Aufwand textiler Einrichtungsstücke der Sakralräume im Mit telalter sind außer Paramenten nur wenige Fasten- oder Hungertücher aus dem 15. und 16. Jahrhundert vor allem im Bundesland Kärnten noch erhalten und in aktiver Verwen dung (z. B. Gurk, Sternberg, St. Lambrecht/ Stmk.). Für diese Gattung ist ihre reiche Bil dersprache bei einfacher technischer Aus führung charakteristisch, mittels derer zur Fastenzeit vor allem das Passionsgeschehen den Gläubigen an zentraler Stelle vor Augen geführt worden ist. Ihre Funktion ist im 17. und 18. Jahrhundert auf vorwiegend gemalte Zyk len von Kreuzwegstationen übergegangen.^ Mit der Gegenreformation hat man die erzie herischen und zugleich volkstümlichen Mög lichkeiten künstlerischer Bildsprache und ih rer Verwandlungen zu neuer Blüte gebracht. Ihre Vielfalt umfaßt Altäre mit Wechselbildern (z. B. Mauthausen, OÖ.), Drehtabernakel (z. B. Dürnstein, NÖ.), Retabel mit Kulissen bühnen (z. B. Burgkirchen, OÖ.), wechseln den Bekleidungen von Gnadenbildern, Heili gen Theatern vom Weihnachtsfestkreis (Krippen) bis Ostern (Heiliggräber, z. B. ehem. Garsten-Losensteinerkapelle"^), ferner Textilien, Metall- oder Lederobjekte (z. B. für Antependien, Fahnen, Behänge, Teppiche). Die Bliderzyklen in Garsten Vom Aussehen des Inneren der Garstener Klosterkirche vor der Reformation und mit der Frühbarockausstattung vom Anfang des 17. Jahrhunderts sind bis jetzt keine Bilddokuhiente bekanntgeworden. Die wenigen er haltenen Skulpturen, vor allem von Hans Spindler d. Ä., reichen auch nicht aus, um den ikonographischen Vergleich des frühba rocken Bildprogrammes mit dem folgenden Neubau der Äbte Roman Rauscher (1642 bis 1683) und Anselm Angerer (1683—1715) zu gestatten. Deren Programm der Deckenfres ken ist auf Maria als Titelheilige abgestimmt, ihr Leben, ihre alttestamentarischen Entspre chungen, ihre Symbole, die Apostel und den Triumph der Eucharistie über dem Hoch altar.® Die Altargemälde (alle in Ölfarben auf Leinwand) führen in der Ikonographie des Raumes zu paarweiser Symmetrie der Sei tenkapellen über. Am Hochaltar an zentraler Stelle Mariens Himmelfahrt; im ersten Kapel lenpaar links der heilige Benedikt als Ordens vater, rechts der selige Berthold als örtliche Gründergestalt; im zweiten Kapellenpaar links der Frauenaltar (auch Skapulieraltar, Maria als der Schutz der Kaiserfamilie), rechts der Josefsaltar, also die Heilige Fami lie, wobei den beiden Patrozinien zugleich politische Bezüge im Sinne der „Pietas Austriaca" zukommen; die beiden rückwärtigen Blätter zeigen mit der Feuerprobe der hl. Ku nigunde und der hl. Äbtissin Gertrud (von Hefta) vorbildliche Frauen weltlichen und geistlichen Standes. Für jedes dieser Gemäl de hat Abt Angerer jeweils einen anderen un ter namhaften Malern von Antwerpen über Süddeutschland bis Wien ausgewählt, ge treu nach der 1708 vom Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn beim Würzbur ger Dom befolgten Devise, es sei zu „mehrerem Splendor und Nachruhm" besser, ver schiedene Hände heranzuziehen.® Bei der Bezahlung wurde jedoch mit den ausführen den Malern de Neve, Sandrart, Strudel, Wolff, Heiss, Reslfeld und Turriani ganz verschie den nach gleichsam marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten verfahren.^ Obwohl nach der Aufhebungdes Benedikti nerstiftes 1785 die Stiftskirche zur einfachen Pfarrkirche geworden ist, hat sich ihre im Laufe des Kirchenjahres dreifache Verwand lung des Bildprogrammes bis heute erhalten. Von Ostern bis zum 1. Adventsonntag sind alle Altarbilder, an den Chorwänden Antwerpner Gobelins mit der Geschichte Alexander des Großen und an den Wandpfeilern des Langhauses gemalte Tapisserieimitationen mit Szenen der Makkabäergeschichte zu se hen. Ab dem 1. Adventsonntag bis zum Be ginn der Fastenzeit werden Gobelins und Makkabäerbehänge mit Leinwandtüchern überdeckt, die in Blaumalerei das Marienle ben darstellen. Vom Aschermittwoch an schließlich werden die Adventbehänge um gedreht, damit dann bis Karfreitag die auf ihre Rückseiten in gleicher Art gemalten Pas sionsbilder sichtbar werden. Gleichzeitig können zur Fastenzeit auch die bunten Altar gemälde mit eigenen Blautüchern in Grisaillemalerei verhüllt werden, die in erweiterter Form Christi Leidensweg illustrieren. Im Ge gensatz zur raumsymmetrischen Paarung der Ikonographie bei den Altarblättern und Wandbehängen folgen diese Altartücher einer linear im Uhrzeigersinn von links nach rechts ablesbaren Thematik: Abschied Chri sti von seiner Mutter (Kunigundenaltar), Ver leugnung Petri und Ecce Homo (Frauenaltar), Kreuztragung Jesu (nach Perndl 1963 genau er: Jesus wird über den Bach Kidron geführt — Benediktaltar), Kreuzigung (Hochaltar), Kreuzabnahme (Bertholdaltar), Grablegung (Josefsaltar — hl. Josef als Patron für einen guten Tod/jetzt NÖ. Landesmuseum, Wien), letztes Abendmahl (um 1905 ausgeliehen und seither verschollen).® 77

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