Kunst und Gegenwart Eine Vaterfigur für vieie Linzer Künstier Paul Ikrath als Maler und Pädagoge Von Peter Kraft Wir wissen nicht, welche Stilrichtung Paul ikrath als die für sein Schaffen gemäßeste, ihm am nächsten stehende bezeichnet hätte. Wir können die diesbezügliche Frage an ihn, der 1976 in Linz gestorben ist, nicht mehr richten. Und auch die Zeitungskritik vergan gener Jahrzehnte hat eine Zuordnung von Ikraths Werken im Bereich der damals geläu figen Tendenzen und Traditionen nicht vorge nommen. So schrieb Otto Wutzel am 21. September 1963, aus Anlaß einer Geburtstagswürdigung für den Fünfundsiebzigjährlgen, im Linzer Volksblatt: „Der Künstler erweist sich in seinen jüngsten Öl- und Temperabildern als ein beglückender Ästhet. Seine Malkultur ist die eines Fein schmeckers, dem noch malerische Valeurs, delikate Stimmungen, technische Brillanz ein Anliegen sind. Von seiner Vorliebe für die Landschaft und das Stilleben wußten wir. Trotzdem überraschen Bilder wie ,Mühlviertler Landschaft' oder gar ,Traunsee'. Die Quali tät der Traunseelandschaft ist geradezu von ostasiatischer Versonnenheit, ein Beispiel eines malerischen Lyrismus, der unbe schwert von Gedankenfülle allein vom ästhe tischen Gehalt her befriedigt." Ebenfalls 1963 rühmte Herbert Lange in den „Oberösterreichischen Nachrichten" nicht nur die handwerklich-malerische Meister schaft an Ikrath, sondern damit zugleich auch den „Mann, der um sein inneres Maß weiß und sich seinem Gesetz unterordnet". Ähnlich auch die Charakteristik durch Wil helm Jenny, den einstmaligen Direktor des OÖ. Landesmuseums („ein Meister der ak tiven Farbharmonien, Maler von besonderen koloristischen Qualitäten"). Und bereits auf übergeordnete Zusammen hänge hinsteuernd die Beurteilung durch Walter Kasten, den langjährigen Leiter der Neuen Galerie der Stadt Linz („hat nie einem billigen Realismus gehuldigt"). Kasten zeigte an anderer Stelle die tendenzielle Eigentüm lichkeit Oberösterreichs auf, daß hier vor 1945 eigentlich die gesamte Künstlerschaft in gegenstandsorientiertem Spätimpressionis mus und -expressionismus ihr gestaltendes Auslangen gefunden habe. Damit wird jedoch unverkennbar schon die Gemeinsamkeit eines Stils angedeutet, der von koloristischen Qualitäten, auch von der eindrucksvollen Komposition der dargestell ten Porträts und Figuren im Raum seine star ke Ausstrahlung bezog. Den Grund für diese Auffassung legte Paul Ikraths gediegene fachliche Ausbildung von 1906 bis 1910 an der Kunstgewerbeschule in Wien. Er besuchte dort die Fachklasse für Malerei als Schüler der Professoren A. Roller, B. Löffler, F. v. Metzner, A. v. Kenner und Paul Ikrath, Selbstbildins, Öl, um 1958, 191 X 76 cm R. V. Larlsch. Eine allererste Instruktion des jungen Mannes, der am 28. Juni 1888 in Wien geboren wurde, war schon früher in einer pri vaten Wiener Malschule erfolgt. Bereits der freischaffende Maler und Graphi ker Ikrath, aus der Zeit von 1910 bis 1912, hat also die menschliche Figur, das Porträt im Zu sammenhang des damit darzustellenden Raumes perfekt beherrscht, wie aus dem Mädchenbildnis seiner späteren Frau, einem Pastellbild von 1920, hervorgeht. Das gegenständlich-reale Ausdrucksvermö gen mußte in der Folge nur noch koloristisch verfeinert, die Bildkomposition in ihrem Geist und ihrer Gestik intensiviert werden, wie das im wenige Jahre später gemalten Bild von Ikraths Gattin sehr klar zum Ausdruck kommt. Ähnlich verhielt es sich mit den Sujets von Landschaft und Stilleben, die in den hier zu nächst angesprochenen zwanziger und drei ßiger Jahren einen ähnlich abgeklärten aka demischen Eindruck machen. Ein besonderes Charakteristikum der Maler persönlichkeit Paul Ikraths ist also von An fang an deren bruchloser Wuchs. Die Anfän ge und ersten Bewährungen in der Öffentlichkeit sind von keinerlei Selbstzwei feln angekränkelt. Das im Umgang mit der Wirklichkeit aufge baute malerische und zeichnerische Weltbild ist fest verankert. Auf die handwerkliche Aus bildung ist Verlaß. Diese Eigentümlichkeit bleibt dem Gesamt werk Ikraths lange Zeit hindurch erhalten und erst über das Alterswerk hat man an anderer Stelle festgehalten, daß dort die formalen Strukturen, die farblich täuschenden Oberflä chen durchlässiger werden. Aber auch dann zeigt sich ein noch immer farblich sehr zurückhaltendes Wellengekräusel von im pressionistisch-expressionistischen Abbre viaturen. Der Porträtkünstler Ikrath hat im Laufe meh rerer Jahrzehnte sehr vielen Menschen klar und zugleich nobel-zurückhaltend ins Auge geschaut. Sein eigenes integres und gentlemenhaftes Wesen hat das große, den Be trachter nicht zu nahe an sich heranlassende Selbstbildnis von 1958, im beinahe lebens großen Hochformat von 191 und 76 cm, auf einzigartige Weise zum Ausdruck gebracht. Das Bild war das Herzstück jener großen Aus stellung, welche dem Künstler und sechs ori ginellen Schülern das Stadtmuseum Nordico um die Jahreswende 1984/85 angedeihen ließ. Relativ viel von Ikraths Arbeiten ist durch ge waltsame äußere Ereignisse — in Wien nach dem Ersten und unmittelbar nach dem Zwei ten Weltkrieg — verloren gegangen. Dr. Herbert Ikrath, der Sohn des Künstlers, spricht sogar von einer weitgehenden Zerstö rung des überwiegenden Teils seines vor 1945 geschaffenen Gesamtwerks. Es hängt dies mit der rigorosen Beschlagnahme des Wiener Ateliers durch die Besatzungsmacht zusammen. Herbert Ikrath glaubt auch, in den frühesten ihm bekannten Arbeiten des Vaters einen starken Einfluß der Secession und Egon Schieies feststellen zu können. 69
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