Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 3, 1985

heiligen St. Nikolaus (6. Dezember), Kleider und Speisen ins Wasser geworfen haben, um ihn um Schutz vor Gefahren zu bitten. In diesem Zusammenhang ist sicherlich die Überlegung nicht auszuschließen, daß der vor einigen Jahren aufgekommene Urlauber brauch, Münzen in die Stadtbrunnen zu wer fen, sein eigentliches Motiv nicht so sehr in dem Geldstück suchen sollte, sondern viel eher im Akt des Werfens, in der Geste an sich, die das Charakteristikum der Opfer handlung bestimmt. Mit dem erwähnten Neu brauch, angeregt und ausgebreitet durch einen Kinofilm, wird allerdings zumeist der Wunsch verbunden, an die betreffende Stelle bald wieder zurückzukehren, eine schöne Zeit dort wieder verleben zu dürfen. Die im Wasser vermuteten Geister stellt sich das Volk durchwegs weiblich vor. Eine Aus nahme bildet da lediglich der Wassermann, um den herum sich Nixen, Seefrauen und manch andere geheimnisvolle Wesen scha ren; unter ihnen die schöne Lilofee, Melusine und nicht zuletzt die Rheintöchter, Gestalten also, die nicht nur in der Volksdichtung ihren Platz haben, sondern in der Hochliteratur mehrfach zu Ehren und Beachtung gelangen konnten. Daß im Wasser mancherlei Wesen wirken müssen, von denen mitunter Unheil zu be fürchten, doch nicht selten auch Heil und Se gen zu erhoffen wären, hat zu mehreren Bräuchen geführt. Man erinnere sich der so genannten Elementeopfer, die meist während der mittwinterlichen Rauhnächte dargetf ^ ''•y bracht wurden. Für Oberösterreich wird u. a. ein dafür eigens geformter Brotlaib, das Was serbrot genannt, das am Morgen des Christ tages in den Brunnen, in die Hauslache oder auch in den Bach geworfen wurde, damit den Hausleuten im kommenden Jahr kein Scha den erwachse. Unverkennbar ist hier auch ein Zusammenhang mit dem im tirolischen Außerfern vollzogenen Brauch des Brunnenfütterns am Allerseelentag zu erkennen. Man blickt dabei in die Tiefe des Hausbrunnens hinab, hält Nachschau, „ob alles in Ordnung ist", und wirft hierauf Brot, Almbutter und Kek se ins Wasser. Im salzburgischen Großarl wird ein hufeisenförmiges Opferbrot ge backen, das in der Heiligen Nacht in den Hausbrunnen oder in den vorbeifließenden Bach geworfen wird, um sich auf diese Weise vorbeugend vor Unwettern und Seuchen zu schützen. Immer wieder sind bei solchen Toten- oder Geisteropfern zwei Absichten zu erkennen, die die Wissenschaft durch die Formeln „Do ut des" bzw. „Do out abeas" cha rakterisiert. Ich gebe dir, daß du mir gibst, be deutet die den Dämon zwingende Forderung, während das „Ich gebe dir, damit du ver schwindest" der Versuch ist, lästige Scha densgeister samt ihrer Gefahrenfolge abzu wehren. Beide Kategorien sind nun in den Opferbräuchen wie auch in den Sagenmoti ven vertreten. Sie sind sogar dort noch er kennbar, wo die alten heidnischen Gedanken vorsorglich in ein christliches Gewand gehüllt worden sind. Eng verbunden mit der Volkskultur sind die vielen Brunnen, die inmitten der Städte, Marktflecken und Dörfer ihren markanten Platz haben. Ihre meist künstlerisch gestalte ten und mit Motiven der Volkskunst bedeck ten Schalen erinnern stark an die einstmalige Bedeutung der Brunnenplätze für die Ge meinde. Selbst von der Sprache her eröffnet sich ein unerwartet weites Feld. Da ist an Be zeichnungen für unterschiedliche Brunnen arten ebenso zu denken, an Pumpenherz und Brunnenstube, wie an die sinnigen Brun nensprüche und Anmerkungen über Ge schicke und Geschichte des betreffenden Ortes. Ein prächtiges Beispiel liefern die sogenann ten Urteln, deren Bezeichnung auf eine alte Rechtsgepflogenhelt hinzuweisen scheint. An Brunnen — eben wegen der vordem schon erwähnten „Götternähe" — traten Ge richte zusammen und fällten Urteile. „UrtI" — dieses Wort verrät demnach die vergessene Urteilsstätte. Im Markt Beuerbach sprudeln sogar noch drei dieser Urteilsbrunnen und um ihre an geblich niemals versiegenden Quellen ran ken sich Legenden und Sagen, so etwa die, daß es für Mädchen höchst gefährlich sei, an sie allzunahe heranzutreten, weil jeweils in nerhalb eines Jahres die „UrtI" ihr Opfer for dere, ansonsten würde der Ort über schwemmt werden. Die Besonderheit dieser Quellen wäre schließlich auch daran erkenn bar und tausendfach bewiesen, daß jeder mann, der ihr Wasser einmal getrunken, sein Leben lang mit Beuerbach verbunden bleibe. Über die Entstehung der Urteln zu Beuer bach weiß die Sage zu berichten, daß ein zum Tode verurteilter Brudermörder jene „niemals versiegenden Quellen" der Obrigkeit verraten habe, um seinen Hals vor dem Henkerbeil zu retten. Des Volkes Glaube an die geheimnisvolle Macht und Kraft des Wassers ist vor allem durch die Annahme von der Heiligkeit be stimmter Quellen entscheidend bestärkt wor den. Wasser gilt im Volksglauben nur zu be stimmten „heiligen" Zeiten und Anlässen als heilig und heilsam. Jene Wässer aber, die an besondes begünstigten, geweihten Kirchen plätzen hervorquellen oder dem Schütze eines prominenten Heiligen anvertraut wor den sind, halten die erhoffte und begehrte Heiligkeit und Heilkraft immerdar bereit. Auf diese Weise leben manche germanisch heidnische Kultbrunnen dank der Übertra gung auf Heilige weiterhin fort. Kaum eine Wallfahrtsstätte — und mag sie noch so be scheiden sein —, die nicht ein „Heiliges Was ser", eine Gnadenquelle anzubieten hätte, von der Wundersames zu berichten ist. Im mer noch gehört es zum Wallfahrtsvollzug, sich dieses Wassers zu bedienen. Sei es, daß

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