Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 3, 1985

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Lebenselement Wasser Dr. Alexander Wied Oberösterreichische Gewässer in der österreichischen Maierei des 19. und 20. Jahrhunderts Dr. Rudolf Fochler Wasserbräuche — Wasserkuite 11 Dipl.-Ing. Hans Blaschke Oberösterreichs Gewässer 19 Erich Pröll Neptuns grünes Reich — die heimische Unterwasserweit 29 Dr. Georg Wacha Renaissancebrunnen in Oberösterreich 35 Prof. Wolfgang Sperner Zu Gast in Oberösterreichs Bädern 43 Helmut Grassner Es klappert die Mühie ... 51 Oberösterreich aktuell Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck Gewässerschutz in Oberösterreich Kunst der Gegenwart Dr. Peter Kraft Eine Vaterfigurfürvieie Linzer Künstler— Paul ikrath als Maier und Pädagoge Umschlag: Franz Steinfeid (1787—1868), Der Haiistätter See, 1834, Öi auf Leinwand, 52,3 x 41,7 cm. — Graz, Neue Galerie am Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum, inv.-Nr. i/1798. Foto: Fürböck, Graz Gestaltung; Herbert Friedi Kulturzeitschrift Oberösterreich 35. Jahrgang, Heft 3/1985 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: Oberösterreichischer Landesveriag Gesellschaft m.b.H., A-4020 Linz, Landstraße 41. ISSN 0253-7435 Redaktion: Dr. Otto Wutzei, Dr. Eifriede Wutzel, A-4020 Linz, Landstraße 41. Jahresabonnement (4 Hefte): S 396.—; Einzeiverkaufspreis: S 110.—. (Alle Preise inkl. 10 % MWSt.) Schwerpunktthema Heft 4/1985 Steiermark und Oberösterreich — Nachbarn an der Enns Abb. Seite 1: Fronleichnam am Haiistätter See. — Foto: Klaus Schenner Das Schwerpunktthema dieses Heftes wurde gewählt in Zusammenhang mit der Sonderausstellung „Wasser heißt Leben" des Museums der Stadt Linz Nordico vom 12. September bis 27. Oktober 1985 Mitarbeiter dieses Heftes: Dr. Josef Ratzenböck, Landeshauptmann von Oberösterreich Dipl.-Ing. Hans Blaschke, w. Hofrat, Leiter der Unterabteilung Wasserwirtschaft und Hydrographischer Dienst der Abteilung Wasserbau der oö. Landesbaudirektion Dr. Rudolf Fochier, Professor h. c., Konsulent für Volksbildung und Heimatpflege, Fachschriftsteller Helmut Grassner, HOL, Konsulent für Volks bildung und Heimatpflege, Fachschrift steller Otto Haubner, Hauptschuldirektor i. R., Schriftsteller, Maler und Zeichner Dr. Manfred Koller, Dozent, Leiter der Abtei lung für Restaurierung und Konservierung von Denkmaien am Bundesdenkmalamt Wien Dr. Peter Kraft, Obermagistratsrat, Amt für Presse und Fremdenverkehr des Magistra tes der Landeshauptstadt Linz, Abteilung Kommunalpublizistik, Fachschriftstelier Erich Pröll, Naturkundereferent am Museum der Stadt Linz Nordico Wolfgang Sperner, Professor h. c., „Neues Volksblatt", Chefredakteur-Stellvertreter, Fachschriftsteller Dr. Georg Wacha, Senatsrat, Direktor des Museums der Stadt Linz Nordico Dr. Aiexander Wied, Kustos I. Kiasse an der Neuen Galerie des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum Historische Kunst Dr. Manfred Koller Die barocken Wandbehänge in der ehemaligen Stiftskirche Garsten in Oberösterreich Literaturbeilage Otto Haubner Lyrik und Prosa Auflage kontrolliert NORMALPRÜFUNC Veröffentlicht Im Pressehandbuch Auflage dokumentiert Im Protokollbuch des ÖZV und unter der Btx-Nummer * 2270 *

Kulturzeitschrift

Oberösterreichische Gewässer in der Maierei des 19. und 20. Jahrhunderts Alexander Wied Daß dieses Heft dem Wasser gewidmet ist, kann fast nicht überraschen. Das Thema ist ständig in uns, mehr denn je. Denn so faszi nierend und uferlos der Gegenstand, so kon zentriert unser aller Sorge. Welchen Aspekt des Wassers man auch behandelt, unser Kopf ist von Sorge um das Wasser überschat tet. Dies läßt sich natürlich von der Land schaft, von der Natur, der Umwelt im Ganzen ebenso sagen, und die Alarmsignale mußten so deutlich werden — zumindest gilt dies für Europa und die Industriestaaten —, um sich im Bewußtsein nicht nur „grün" Gesonnener zu verankern. Wir können nicht mehr anders, als unsere Landschaften unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung, drohender Störung zu betrach ten, und vielleicht klammern wir uns deshalb mit größerer Inbrunst an sie als je zuvor, be rauschen uns schmerzlich an vielfach verlo rener Schönheit, die uns nur mehr in Gemäl den entgegenblickt und oft hämisch daran erinnert, daß genau sie zur Verdinglichung der Landschaft als Ware, als touristischer Marken- und Massenartikel beigetragen hat. Die Themenwahl für diesen kleinen Beitrag ergab sich im Gespräch mit dem Schriftleiter: Der Gedanke, die Geschichte der Darstellung von Wasserspiegelungen in der Malerei auf zugreifen, kam auf, erwies sich aber schon von Anfang an als viel zu umfangreich, abge sehen vom drucktechnischen Aufwand. So blieb es bei Wasserdarstellungen in der österreichischen Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts im Sinne von Landschafts porträts mit lokaler Beschränkung auf die Ge wässer Oberösterreichs. Es ist hier nicht der Platz, die Geschichte der europäischen Landschaftsmalerei, nicht ein mal andeutungsweise, zu entrollen. Knapp ste Literaturhinweise^ sollten aber daran zu mindest erinnern, daß Landschaft und Landschaftsmalerei nicht unveränderliche Begriffe sind. Rolf Wedewer hat es unternom men,^ den sich wandelnden Natur- und Landschaftsbegriff als „Position eines jeweils anderen Selbstverständnisses der Land schaft und des darin gebundenen Sehn suchtshorizontes der Menschen im Gefälle zur Wirklichkeit deutlich zu machen".® Es lag nahe, die Geschichte der Landschaftsmalerei mit der Begriffsgeschichte von Landschaft zu koppein, und das bedeutet, den Bewußt seinsveränderungen des Individuums ge genüber der Landschaft nachzuspüren bis zu dem Punkt, an dem Landschaft überhaupt als ästhetischer Gegenstand begreifbar, fühl bar und somit erst darstellbar wird. Hier hat Matthias Eberle dankenswerterweise Klar heit geschaffen.'' Für unseren Zusammen hang ist interessant, ab wann sich die Darsteliung von Landschaft als Wiedergabe einer tatsächlich gegebenen topographi schen Situation feststeilen läßt. Hiebei ergibt sich, daß man diesen Augenblick weder punktuell fixieren kann (in Ansätzen beginnt m m 'm m

dies schon im 15. Jahrhundert), noch daß dar auf eine kontinuierliche Entwicklung folgt. Auch gibt es vom 15. Jahrhundert an „Mischlandschaften" zwischen realer und komponierter Landschaft, und es dauert lan ge bis zur „Maierei der Netzhaut", dem Im pressionismus. Ist man dem „Naturgefühl" vergangener Zeit auf der Spur, besteht immer wieder die Gefahr, moderne Anschauungs weisen (mehr oder weniger) auf die älteren zurückzuprojizieren (wie Faust zu Wagner schon bemerkt). Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, daß Landschaftsmalerei bis zum 19. Jahrhundert, ja noch weit ins 19. Jahrhun dert hinein, innerhalb der malerischen Fä cher an letzter Stelle rangiert und daß sich der landläufige Begriff davon wesentlich an derplein-air-Malerei, am impressionistischen Landschaftsporträt und der Erfassung indivi dueller „Stimmung" orientiert, also an einer sehr kurzen Episode in der viel längeren Ge schichte idealistischer Landschaftskunst. Unsere Betrachtung setzt mit einem Bild ein, in dem sich Entwicklungslinien kreuzen: Johann Nepomuk Schödlberger (Wien 1779 bis 1853) steht in seiner Landschaftsauffas sung noch bis in die zwanziger Jahre hinein in der klassischen Tradition Claude Lorrains und Jacob Philipp Hackerts; 1817/18 war er in Rom, 1825 wurde er Mitglied der Wiener Aka demie, zu einer Zeit also. In der Franz Stein feld seine damals revolutionierend neue „Partie am Hallstätter See" (im Jahre 1824, im NÖ. Landesmuseum) malte. Schödlberger hat auf dem „Traunfall bei Gmunden" selbst vermerkt: „Nach der Natur aufgenommen im Jahre 1803, ausgeführt im Jahre 1821." Er ver bindet nun in eigenartiger Weise eine Natur aufnahme mit klassizistischer, idealistischer Überhöhung der Wirklichkeit und steigert die Komposition so zum „Effektstück". Es ist an zunehmen, daß Schödlberger die WasserfallLinks: Johann Nepomuk Schödlberger (1779—1853), Der Traunfall bei Gmunden, Öl auf Leinwand, 223 X 295 cm, signiert und bezeichnet links unten: Joh. Nep. Schödlberger / Nach der Natur aufgenommen im Jahre 1803, ausgeführt im Jahre 1821. — Wien, Österreichische Galerie, Inv. Nr. 3735. — Foto: Fotostudio Otto Oben: Franz Steinfeid, Gebirgsbach, um 1835, 27,5 X 35,4 cm, signiert rechts unten: Steinfeid. — Ehem. Galerie Urbach, Wien. Versteigert im Wiener Dorotheum am 15. 9. 1981, 633. K. A., Nr. 167, Abb. Tat. 76. — Foto: Galerie Urbach Bilder von J. Ph. Hackert® gekannt hat. Auch fühlt man sich an Joseph Anton Kochs Schil derung des Rheinfalles bei Schaffhausen er innert: „Hier hub ich die Augen auf und sähe Wunder. Eine unermessliche Wassermasse schäumte darnieder und war anzusehen wie ein durch entsetzliches Erdbeben auseinan derschmetternder Berg, welcher in Staub aufgelöst darniederstürzt. Der ungestüme Fluß schlägt fürchterlich tönend an die von seiner Wuth bebenden Felsen, die ihm kräftig zu widerstehen standhaft sich erkühnen. Im Abgrund siedet schäumend der tobende, schneeweiße Fluß, dessen stark geschleu derte, donnernde Wellen sich wild zertheilen und hoch himmelan steigen, wo sie die er schütterte Luft durchschwirren und sich als Regen wiederum oben zu Anfang des Falles niederlassen, um von Neuem darnieder ge donnert zu werden. Das erhabene Schau spiel bewegte meine durch falsche Götter un terdrückte Seele aufs Äußerste, gleich dem wilden Strome wallte mein Blut, pochte mein Herz . . ."® Diese interessante Stelle „Illu striert" gewissermaßen auch die antike, bis ins 19. Jahrhundert lebendig gebliebene kunsttheoretische Forderung nach geschwi sterlichen Beziehungen zwischen Dichtung und Malerei, die sich aus der Ars poetica („ut pictura poesis") des Horaz herleitet.^ Weniger spektakulär und nicht aus ästheti schen Gründen, sondern als Schiffahrtshin dernis schon viel früher und häufiger darge stellt wurde der ehemalige Donaustrudel bei Grein. Der 1810—1824 in Rom lebende Jo seph Rebell (Wien 1787—1828) stellt 1807 in seinem ebenfalls großformatigen Gemälde des Donaustrudels (im OÖ. Landesmuseum) zeitlich wie stilistisch eine erwähnenswerte Parallele zu dem mit Ihm befreundeten Schödlberger her. Der Stil- und Gesinnungswandel vom Klassi zismus zum „Biedermeierlichen Realismus" in der Landschaftsmalerei vollzieht sich all mählich, still und von ausländischen Ent wicklungen — man denke daran, daß gleich zeitig bereits Constable, Turner, Corot, 0. D. Friedrich und Blechen tätig waren! — weitge hend unberührt. Synchron dazu verläuft auch die „Entdeckung" der österreichischen Landschaft, insbesondere des Salzkammer gutes und Tirols als Motivschatz der neuen Maierei. Ais einer der Pioniere der neuen Landschaftskunst ist zweifeiios Franz Stein feid (Wien 1787—1868, Pisek [Böhmen]) an zusehen. Ab 1802 war er Schüier von Lorenz Janscha an der Wiener Akademie, 1815 Kam mermaler des Erzherzogs Anton Victor, 1823 Mitglied der Wiener Akademie, 1836 Korrek tor, 1845 akademischer Rat, bald darauf Pro fessor und erst ab 1850 offiziell Leiter der Landschaftsklasse, als seine künstlerische

SJÄ-'V.:- Kraft zu versiegen begann. Er war aus schließlich Landschaftsmaler, im Salzkam mergut fand er seine bevorzugten Motive, und in besonderer Weise haben ihn die Er scheinungsformen der dortigen Gewässer angezogen. Dabei ist auffallend, daß dem düster-verschlossenen Hallstätter See seine besondere Vorliebe gehört. Das hier wieder gegebene, bekannte Motiv existiert in drei Fassungen,® die hier wiedergegebene wurde 1977 von der Neuen Galerie am Landesmu seum Joanneum in Graz aus dem Kunsthan del erworben (Umschlagblld). Die völlige Staffagelosigkeit des Grazer Exemplars erweist es als Erstfassung und Vorstufe zu den beiden genannten in Wien und Schweinfurt. Die Bemühung um die Wie dergabe der diesem See eigentümlichen Stimmungen kommt in den von Grün-Türkis Ins Blau und Violett chamäleonhaft spielenLinks: Ferdinand Georg Waldmüller (1793—1865), Die Traun in Ischl, 1835, Öl auf Holz, 31,5 X 26 cm, signierl und datiert rechts unten: Waldmüller/1835. — Wien, Historisches Museum der Stadt Wien, Inv. Nr. 8152. — Foto: Direktion der Museen der Stadt Wien Rechts: Emii Jakob Schindier (1842—1892), Echernmühie bei Haiistatt, um 1866, Öi auf Holz, 26 x 33 cm. — Wien, Sammiung Dr. Rudolf Leopold den Farbtönen zum Ausdruck — ohne das Ziel freilich ganz zu erreichen. Auch der Übergang vom selchten, sandgelb-durchslchtlgen Uferwasser in die blaugrüne Tiefe ist genau beobachtet. Ein ganz anderer Graulila-Ton ist den dunstigen Bergen gege ben, auf die das einfallende Sonnenlicht in hellen Grün- und Ockertönen autgesetzt ist. Ein drittes, helles Blau bildet den Himmel. Im Vergleich zur klassizistischen Palette des nur wenig früher (1821) entstandenen Trauntalles herrscht hier eine Buntheit, deren Zusam menklang Steinteld allerdings nicht Immer so glückte wie In seinen Hallstätter-SeeVarlanten. Zu den neuen Errungenschatten der Land schaftsmalerei im 19. Jahrhundert gehört auch der in Nahsicht gegebene, verkleinerte Naturausschnitt mit Studiencharakter. Von Steinteld wurden zwölf solcher Ölstudlen auf Papier, entstanden wohl Im Lauf oder Ende der dreißiger Jahre, 1849 der Akademie ver kauft, wo sich jetzt noch zehn befinden, ver mutlich als Musterstücke für die Zöglinge der Akademie. Der gischtende, wilde Wald- und Gebirgsbach Ist eines dieser oft, auch von Waldmüller, Gauermann, Feld, Mansch u. a. wiederholten Themen, der Waldbach Strub bei Hallstatt leiht häufig solchen Naturstudien seinen Namen. Selten wird hiebei die opti sche Illusion des Elementes Wasser in sei nen charakteristischen Erscheinungsformen des Reißenden, des brodelnden Gischtes und der übers glatte Gestein halbdurchsich tig dahinschnellenden Wellentorm Im Spiel der Farben Graugrün, Blaugrün, Grün und Braun so glaubwürdig und perfekt erreicht wie in den zahireichen Studien Steinfelds, von denen hier eine herausgegriffen wird. Die Natur als einzig wahre und richtige Lehr-

"■•pI"'!- - M .j meisterin der Kunst, gewissenhaftestes Stu dium der Natur war die unerbittliche Forde rung Ferdinand Georg Waidmüiiers (Wien 1793—1865) an sich und seine (privaten) Schüler, ein Fanatismus, der ihn bekanntlich 1857 seinen Posten ais Professor und Kustos der Akademie-Galerie kostete, als er, seit lan gem Feind des Kopierens als Unterrichts methode, in einer Schrift an den Kuitusminister, den Grafen Thun, die Schließung jener Galerie verlangte. Waldmüller ist nicht nur einer der bedeutendsten österreichischen Maier des 19. Jahrhunderts, er ist auch der Maler des Salzkammergutes schlechthin, insbesondere der Gegend um Ischl. Dabei scheinen ihn die Seen weniger interessiert zu haben als die völlig unpathetische Land schaft ais solche, auch abgeschiedene Fließ wässer, wie die Rettenbach-Wildnis (Winterthur, Sammlung O. Reinhart) oder der Hohenzollernwasserfall (Wien, Österreichi sche Galerie, Inv.Nr. 1658). Die „Traun in Ischl" von 1835 zeigt jene so wenig auf äuße ren Effekt, aber auf äußerste Genauigkeit be dachte Landschaftsauffassung Waidmüiiers, von den Wolkenfetzen im bedeckten Himmel angefangen bis zur genauen Beobachtung des Wassers der (auch heute dort noch ak zeptablen) Traun: der Spiegelung der Boote am glatteren, grünen Ufer, seiner Durchsich tigkeit beim Überfließen des Wehrs und den glatten Buckeln, die den gelben Himmel re flektieren, bevor es abwärts über den Steinen in weißen Schaumkronen sich brechend flach abströmt. Nach 1850 sucht man, der Glätte und den sti listischen wie thematischen Schranken des Biedermeiers überdrüssig, in der Land schaftsmalerei nach neuen Wegen. Eine neue Generation von plein-air-Malern tritt auf, der geniale Freiiichtmaler August v. Pettenkofen mit dem Szolnoker Kreis, die soge nannten österreichischen Impressionisten, wie Eugene Jettel, Rudolf Ribarz, Charles Schuch, und besonders der berühmte Emil Jakob Schindler (Wien 1842—1892 Wester land/Sylt) mit seinen Schülern. Ein Wasser bild par exceilence, die in einem Tag gemalte „Brandung" von Schindler (im OÖ. Landes museum) entfällt hier aus thematischen Gründen, umso reizvoller war es, eine noch wenig bekannte Skizze Schindlers, die „Echernmühie bei Hallstatt", auszuwählen. Trotz des unverkennbaren Skizzencharak ters, zu dessen Lasten gewisse räumliche Undeutlichkeiten gehen, springen zwei sinn liche Charaktere aus der kleinen Tafel her aus: die Stimmung eines Regentages im Salzkammergut mit der dort herrschenden (im nachhinein gesagt: Bernhardschen) Ein-

sternis, die sich in dieser Skizze in fast monochromer, an eine Grisaiiie erinnernden Monotonie von Grau-, Graubraun- und Schwarztönen zu erkennen gibt, und der von Hochwasser strotzende, sonst grüne, jetzt aber bösartig braun angeschwollene Wald bach Strub, in dessen siibrig aufgesetzten Lichtern das beginnende (von Hundertwas ser so geiiebte) Leuchten nach einem Regen tag in genialer Weise sich ankündigt. Der Himmei ist noch grau verhangen, aber es hat zu regnen aufgehört, das Hochwasser schiebt ab, auf den nassen Felsen beginnt es — mit aufgesetztem Weiß — zu glänzen und eine schwarz-weiß gekleidete Dame, dem Ko lorit der Szene mimikryartig angepaßt und doch, wie ein i-Tüpfchen sichtbar, durch schreitet gerade eine Pfütze. Die einzigen „Farben" sind zwei Grüntöne, die die moosi gen Steilen und das Gras beim Mühlenrad andeuten. Von der Skizze, deren impetuöse „Wildheit" im Duktus auf R. Gerstl und ak tuelle Beispiele österreichischer Zeitgenos sen vorausweist, läßt sich ruhig sagen: wären bloß alle Bilder so deutlich wie diese Notiz. Ebenfalls skizzenhaft wirkend, aber voll si gniert und bezeichnet „S Woifgang" ist die Woifgangseeiandschaft von Anton Romako (Atzgersdorf 1832—1889 Wien [Selbstmord]), entstanden wahrscheinlich im Herbst 1877.® Es ist der Bück vom St. Woifganger Ufer hin über zum „Sparber", offenbar in Abendstim mung, wie man an der glühenden Beleuch tung der Bergspitzen und den blauen Schatten sieht. Der See liegt spiegelglatt, nur stellenweise von der weißen Heckwelle einer Ziiie unterbrochen; die iiiusion der Spiege lung wird mit eleganter, genialer Leichtigkeit hervorgezaubert. Die blitzartige Treffsicher heit, mit der Romako die Stimmung und Er scheinung des Sees in der Skizze erfaßt, läßt bedauern, daß er nicht mehr Landschaften gemalt hat. Bedauerlich ist auch, daß sich diese Biütenlese im 20. Jahrhundert nicht in der gleichen Qualität fortsetzen läßt. Späte stens nach dem Expressionismus — unfün dig für unser Thema — ist die große Zeit der Landschaftsmalerei, von Ausnahmen abge sehen, im Grunde vorbei. Die Legitimation, eine heile Natur in einer nicht heilen, von zwei Weltkriegen geschändeten Weit so dar zustellen, als sei nichts, kommt abhanden. Das Schöne tritt in eine entscheidende, in allen Künsten registrierte Krise. Schon 1903/04 (!) diagnostiziert Max Beckmann: „Eigentlich kann ich mir kaum vorstellen, daß es noch irgendwas Schönes in der Weit gibt."^® In zunehmendem Maße sind es nun die Salz kammergutseen, die die Maier anziehen, und dies hängt mit der Entwicklung der „Sommer frische", deren Nabel und Brennpunkt der Ur laubsort des Kaisers Franz Joseph I., Bad Ischl, war, und der Niederlassung in Villen im 19. und frühen 20. Jahrhundert zusammen. Viele Musiker, Dichter, Schauspieler, Wissen schafter und natürlich Maier verbringen die Sommerfrische an einem der Seen, manche bleiben für immer. Einer von diesen sommerfrischenden Maiern war Anton v. Kenner (Brunn a. G. 1871—1951 Wien), ein Schüler von F. v. Matsch, der aus dem Wiener Jugendstil sich herausentwickeit und von einem reizvollen Unbekanntheitsgrad ist. Von ihm sind mehrere Atterseebiider erhalten, das hier gezeigte beschäftigt sich besonders mit der Farbe des Wassers wäh rend einer bestimmten Wettersituation: bei

Links: Anton Remake (1832—1889), Am Weifgangsee, 1877 (?), Öl auf Leinwand/Kar ten, 29 X 45 cm, signiert und bezeichnet rechts unten: A. Remake/S. Weifgang. — Wien, Österreichische Galerie. — Fete: Fetestudie Otto Rechts: Anten von Kenner (1871—1951), Der Attersee bei Seewalchen, um 1910, Öl auf Leinwand, 21 x 26,5 cm. — Privatbesitz. — Fete: Georg Trepper, Graz bedecktem Himmel und böigem Westwind, der In Ufernähe ein Netz kleiner schälchenförmlger Wellen aufschlägt, was In der polntllllerenden Technik zum Ausdruck kommt. Die hellere Türkisfärbung des Vordergrundes zeigt dem geübten Auge des Seglers die Un tiefe In der Nähe des Schlosses Litzlberg an. Das Auge des Malers trifft sich mit dem des Sommerfrischlers. Zumindest letzteres gibt es kaum mehr! Der Linzer Hans Pollak hat seine an ansprechendsten Arbelten In den zwanziger Jahren geschaffen. Die koloristisch herbe Abendstimmung am „Mondsee mit der Dra chenwand" zeigt noch späte Reflexe des Jugendstils; die spiegelnde Lichtsäule der Sonne Im Wasser erinnert, bei allem künstle rischen Abstand, an die allerdings stets bela steten Abendstimmungen Edvard Münchs. Es Ist Interessant zu sehen, wie Pollak die Fläche des strichweise von Abendbrisen auf gerauhten Sees In Streifen und Kelle komposltlonell aufgliedert, wie er die Verschieden artigkeit der Reflexionen des Sonnenlichts auf den glatten und rauhen Stellen des Was sers registriert und für die Belebung des ganHans Pellak (1891 — 1968), Mendsee mit Drachenwand, 1923, Öl auf Karten, 49 x 70 cm, signiert und datiert rechts unten: HANS/POLLACK/1923. — Privatbesitz. — Fete: Georg Trepper

zen Bildes auswertet. Das Geradlinige und Keilförmige setzt sich senkrecht in der stump fen Kegel- und Keilform der Drachenwand fort, deren braune, bereits im Schatten lie gende und daher unstrukturierte Masse ge genläufig nur von schmalen Lichtkeilen der (verborgenen) Sonne durchschnitten wird. Über diesen „geometrischen" Bildaufbau le gen sich wie eine Maserung als Kontrast die fünf welligen Wolkenstreifen im gelben Him mel, hinter welchen ganz oben wie hinter verschorfenden Wundrändern die Sonne halb durchbricht. Besonders der oben verstärkte, halb knorrige, halb ondulierende Wolkenbogen gibt der ganzen Komposition wie eine ar mierte Fassung nach oben einen ausglei chenden Abschluß. Das Arrangement der Natur hat der Maler nur mehr wenig verstär ken müssen: immerhin trägt die Einschrän kung auf einen einzigen beherrschenden braunen Grundton zur markanten Wirkung dieses Gemäldes nicht unwesentlich bei. Für den wenig bekannten Kirchen- bzw. Fres kenmaler Hans Alexander Brunner (Wien 1895—1968), einen Schüler u. a. von R. Jettmar an der Wiener Akademie 1912—1920, dürfte das Stimmungsbild eines Segelbootes an einem hochsommerlichen Flautentag am Attersee nicht charakteristisch sein. Ich fand diesen Zufallsfund interessant, jedenfalls un bekannt genug, um hier vorgestellt zu werden. Wie Landschaftsmalerei heute, analog zu Andornos Verdikt, „kein Gedicht mehr nach Auschwitz", funktionleren könnte, soll nun an einem Beispiel gezeigt werden: Wolfgang Buchner hat jahrelang den ostalpinen Raum, den Erzberg, den Leopoldsteiner See, die Seen des Ausseerlandes und vor allem den dunklen, eingeschlossenen, Hallstätter See, sommers wie winters, genau studiert. Er kommt in seinen beiden jüngst entstandenen Aquarellen zu einer, wie er selbst sagt, „alp traumhaften", poetischen Vision, einer Syn these aus angeschauter Natur (des Wassers, der Felsen, der Kristalle) und des mineralogi schen und physikalischen Wissens um diese. Er hat dieses innerlich gespeicherte und ge liebte Anschauungsmaterial als Metapher geographischer Beengtheit gestaltet, wäh rend er selbst, der notorisch Unstete, wegen eines Achillessehnenrisses zu völliger Bewe gungslosigkeit verurteilt war. Inmitten schwarzer Felsen schwebt, geheimnisvoll leuchtend, der „Bergsee", an expressionisti sche Alpin-Architekturvisionen eines Bruno Taut erinnernd; in der „Kristallpfahlstadt" lie fert der Titel selbst die beabsichtigten Asso ziationen: Pfahlbauern, Bergkristall, Salz berg, Bergsee, Wasser, Durchsichtigkeit, Eingeschlossenheit, Verschüttung, Einsam keit, Alter. Buchner ist einer derjenigen, die wissen, daß der Weg zum „Herzen der Natur" (im Sinne von Paul Klee) nicht mit dem Auto erreichbar ist, sondern nur allein. Aus Platzgründen muß auf viele verzichtet werden: Jacob und Rudolf v. Alt, Thomas En der, Friedrich Gauermann, Halauska, Gustav Klimt, Walter S. Hampel, Alfred Poell, Oswald Grill, Walter Gamerith, Arthur Brusenbauch, Anton Lutz u. v. a. Ich bekenne mich zur Sub jektivität, zum Fragmentarischen und zu einer Bildauswahl, die mit aller lokalpatrioti schen Sentimentalität Oberösterreich gewid met ist! 8

Links: Hans Alexander Brunner (1895—1968), Attersee mit Blick auf das Höllengebirge, um 1930 (?), 25 x 37 cm, rücks. signiert Hans A. Brunner. — Foto: Georg Tropper fi Links unten: Wolfgang Bucfiner, Kristallpfahlstadt, Aquarell/R, 370 x 270 mm, lig.monogr. und datiert rechts seitlich: WB 85, beide in Besitz des Künstlers Oben: Wolfgang Buchner (geboren 1946), Bergsee, Aquarell/R, 270 x 370 mm, lig. monogr. und datiert links unten: WB 85 Anmerkungen 1 Wie z. B. auf die wichtige Zusammenfassung von Erich Steingräber: Natur, Landschaft, Land schaftsmalerei, in: Marcel Roethlisberger, Im Licht von Claude Lorrain. Landschaftsmalerei aus drei Jahrhunderten, Ausst.-Kat. München 1983, 8.13ff. 2 Im Anschluß an die Ausstellung „Landschaft — Gegenpol oder Fluchtraum", Städtisches Museum Leverkusen, Schloß Morsbroich 1974 in seinem Buch „Landschaftsmalerei zwischen Traum und Wirklichkeit", Köln 1978. 3 Wedewer 1978, op. cit., S. 7. 4 Matthias Eberle: Individuum und Landschaft. Zur Entstehung und Entwicklung der Landschafts malerei, Gießen 1980. 5 Jacob Rhiiipp Hackert: „Die Wasserfälle von Tivoli" und „Die Wasserfälle von Terni", beide sign. u. dat. 1779 Roma, beide in Rrivatbesitz. Abb. in Ausst.-Kat. „Heroismus und Idylle. Landschaft um 1800", Köln, Wallraf-Richartz-Museum 1984, Kat.- Nr. 27 und 28, Farbabb., S. 85 u. Abb. 27. 6 zit. nach M. Eberle: Individuum und Land schaft, Gießen 1980, S. 209. 7 Steingräber op. cit s. Anm. 1, S. 17. 8 In der Österreichischen Galerie in Wien, dat. 1834, und in der Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt. Eine weitere Replik soll sich in einer Wiener Rrivatsammlung befinden, außerdem exi stiert eine Kopie von Josef Feld, 1834, in der CityGalerie, Wien, Stallburggasse. 9 Während einer Salzburg-Reise, gleichzeitig mit einer zweiten (vermutlichen) Woifgangseeiandschaft und einer leider nicht greifbaren Mondsee landschaft: Fritz Novotny, Der Maler Anton Romako, Wien—München 1954, Kat.-Nr. 236—238. 10 Max Beckmann: Frühe Tagebücher. Mit Erin nerungen von Minna Tube-Beckmann. Hrsg. v. Doris Schmidt, München 1985. 11 Zum kulturhistorischen Hintergrund siehe ausführlich: Monika Oberhammer: Die Villen im Saizkammergut, Salzburg 1983.

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Wasserbräuche — Wasserkulte Rudolf Fochler Erde, Feuer und Wasser, das sind jene drei Eiemente, die sich nach altem Volksglauben niemals behexen ließen. Man hieit sie eher dafür geeignet, sie als besonders wirksame Mittei im Zauber und in der Magie zu verwen den. Fließendem Wasser wurden die entspre chenden Vorteile und Vorurteile zugeschrie ben, sie könnten Krankheiten und Tod, aber auch Zukunftshoffnungen und geheime Wün sche weitertragen, im Fiießen und Sprudein der Gewässer machten sich Eigenschaften kund, die dann als geheimnisvolle Merkmale betrachtet und zu magisch-symbolischen Handiungen im Lebens- wie im Jahreskreis benützt wurden. Da war aber auch die Klar heit des Queiiwassers, seine labende und rei nigende Eigenschaft; daß Wasser kühit und iöscht, daß es lebensspendend, ein ander mal aber auch lebensvernichtend sein konnte, diese Erfahrungen dehnten den Bogen der Vorsteliungen von der Vielseitigkeit und Not wendigkeit des Wassers ungemein weit aus. So ist es begreifiich, wenn sich sehr bald schon, in den frühesten Tagen der Mensch heit, ein Wasser- und Quellenkuit bildete, dessen ursprüngliche Gedankenbiider — wenn auch inzwischen in stark verblaßter Kammerhofmuseum Gmunden, Temperabild von Josef Eberl Tuchscherer 1844, Glockenweihe auf dem Stadtplatz Gmunden am 28. August 1842. Repro: H. G. Prillinger Form — In mancherlei Bräuchen und kirchli chen Liturgien heute noch zu erkennen sind. Es scheint, ais ob sich gerade der Wasserkuit unter aiien anderen heidnischen Kuiten am Zähesten erhaiten habe. Man braucht nur an jene Kontinuität denken, die an den Beispie len vorchristlicher Weihe- und kuitischer Rei nigungsakte ersichtlich ist und später durch die sakramentaie Wasserweihe und Taufe, freilich sinnerneuert, übernommen und fort gesetzt worden ist. Die einstmais so zahireichen Bräuche an Fiüssen und Queiien, heute zusammengeschmoizen auf eine erkleckiiche Anzahi, sie sind lediglich aus der Auffassung heraus erkiäriich, die mit dem aus dem Boden rätseihaft kommenden Wasser und seinen Eigen schaften verbunden wurden. '/rir/afä 11

Auch heute noch vermag uns eine aus Fels und Erde entspringende Quelle anzuziehen und zu fesseln. Den Menschen von einst aber erschien dieses Phänomen nichts weniger zu sein als der Eingang zur Unterwelt und er schien ihnen als die wundersame und se gensreiche Verbindungsstelle von Göttern und Geistern mit allem Irdischen. Durch die Belebung der Quellen und Brun nen durch Götter formte sich logischerweise auch der Glaube an die lebenspendende Kraft des Wassers. Die vermeintliche Götter nähe ließ Quellen zu bevorzugten Kultstätten werden und wohl auch annehmen, daß alles Leben von dorther kommen müsse. Dies er klärt auch die weit verbreitete Volksmeinung, wonach „Kinder aus dem Wasser" bezie hungsweise aus dem Teich geholt und „vom Storch" (als Wasserbewohner) gebracht werden. Eben dieser alte Quellenkult hatte eine Reihe von Brunnenfesten entstehen lassen, die in jahreszeitlichem, überwiegend allerdings im Zusammenhang mit den Terminen der Kirchen- und Heiligenfeste stehen. Die heidnisch-antike Meinung, die Götter leb ten von den ihnen dargebrachten Qpfern, hatte in späterer Folge wohl auch zu diversen Bade- und Waschverboten geführt, wie sie selbst noch in unserem Jahrhundert — zur Sonnenwende, zum Johannistag, Peter und Paul u. a. Terminen — beachtet wurden. Erfahrungsgemäß ereigneten sich tatsäch lich um diese Zeit des öfteren Badeunfälle, die seinerzeit eben als die von Wassergei stern geforderten Qpfer angesehen wurden. Die zweifellos einmal dargebrachten Brunnen- oder Flußopfer müssen jedoch nicht unbedingt als Menschenopfer gedacht werden. Zur Zeit der Frühjahrstermine dürfte es sich doch wohl eher um die „Erstlinge" mancher Tiere gehandelt haben. Sei es, daß man sie zur Erflehung des für die Fluren er forderlichen Regens opferte oder auch zur Besänftigung zürnender Wassergeister. Eine beachtliche Reihe kirchlicher Verbote wie auch die sogenannten Kapitularien Karls des Großen weisen jedenfalls auf derartige Qpfer hin. Auf sie sind eindeutig zahlreiche aber gläubische Gebräuche der Vergangenheit zurückzuführen. So hatten zum Beispiel mancherorts die Wöchnerinnen bei ihrem ersten Gang über eine Brücke dem Wassermann eine Münze zuzuwerfen. Es hieß, daß ihm damit sein Recht auf einen Menschen abgegolten wür de. Als Ersatz für anfänglich angebliche Men schenopfer seien besonders zu den Mittsom merterminen mitunter auch Pflanzen und Speisen in die Flüsse und Bäche geworfen worden. In Qberösterreich sollen in alten Zei ten manche Müller ihrem Patron, dem Fluß7: V*— i.' VA ■ .ßj r* " Oben: Quellen sind oft geheimnisumwittert, wie das „Helllggelstbrünndl" im Goiserer Weißenbachtal. — Foto: Klaus Peter Rechts: Das „Siebenbrünnlein" am Wanderweg vom Grünberg zum Laudachsee, das an eine alte Sage erinnert, die von einem bösen König, seinen sieben verwunschenen Söhnen und der Hexe Kranawitha erzählt. Siehe „Gmundner Buchreihe — Band 21, Grünberg-Wandern, Waldlehrweg", von Hannes Loderbauer 12

heiligen St. Nikolaus (6. Dezember), Kleider und Speisen ins Wasser geworfen haben, um ihn um Schutz vor Gefahren zu bitten. In diesem Zusammenhang ist sicherlich die Überlegung nicht auszuschließen, daß der vor einigen Jahren aufgekommene Urlauber brauch, Münzen in die Stadtbrunnen zu wer fen, sein eigentliches Motiv nicht so sehr in dem Geldstück suchen sollte, sondern viel eher im Akt des Werfens, in der Geste an sich, die das Charakteristikum der Opfer handlung bestimmt. Mit dem erwähnten Neu brauch, angeregt und ausgebreitet durch einen Kinofilm, wird allerdings zumeist der Wunsch verbunden, an die betreffende Stelle bald wieder zurückzukehren, eine schöne Zeit dort wieder verleben zu dürfen. Die im Wasser vermuteten Geister stellt sich das Volk durchwegs weiblich vor. Eine Aus nahme bildet da lediglich der Wassermann, um den herum sich Nixen, Seefrauen und manch andere geheimnisvolle Wesen scha ren; unter ihnen die schöne Lilofee, Melusine und nicht zuletzt die Rheintöchter, Gestalten also, die nicht nur in der Volksdichtung ihren Platz haben, sondern in der Hochliteratur mehrfach zu Ehren und Beachtung gelangen konnten. Daß im Wasser mancherlei Wesen wirken müssen, von denen mitunter Unheil zu be fürchten, doch nicht selten auch Heil und Se gen zu erhoffen wären, hat zu mehreren Bräuchen geführt. Man erinnere sich der so genannten Elementeopfer, die meist während der mittwinterlichen Rauhnächte dargetf ^ ''•y bracht wurden. Für Oberösterreich wird u. a. ein dafür eigens geformter Brotlaib, das Was serbrot genannt, das am Morgen des Christ tages in den Brunnen, in die Hauslache oder auch in den Bach geworfen wurde, damit den Hausleuten im kommenden Jahr kein Scha den erwachse. Unverkennbar ist hier auch ein Zusammenhang mit dem im tirolischen Außerfern vollzogenen Brauch des Brunnenfütterns am Allerseelentag zu erkennen. Man blickt dabei in die Tiefe des Hausbrunnens hinab, hält Nachschau, „ob alles in Ordnung ist", und wirft hierauf Brot, Almbutter und Kek se ins Wasser. Im salzburgischen Großarl wird ein hufeisenförmiges Opferbrot ge backen, das in der Heiligen Nacht in den Hausbrunnen oder in den vorbeifließenden Bach geworfen wird, um sich auf diese Weise vorbeugend vor Unwettern und Seuchen zu schützen. Immer wieder sind bei solchen Toten- oder Geisteropfern zwei Absichten zu erkennen, die die Wissenschaft durch die Formeln „Do ut des" bzw. „Do out abeas" cha rakterisiert. Ich gebe dir, daß du mir gibst, be deutet die den Dämon zwingende Forderung, während das „Ich gebe dir, damit du ver schwindest" der Versuch ist, lästige Scha densgeister samt ihrer Gefahrenfolge abzu wehren. Beide Kategorien sind nun in den Opferbräuchen wie auch in den Sagenmoti ven vertreten. Sie sind sogar dort noch er kennbar, wo die alten heidnischen Gedanken vorsorglich in ein christliches Gewand gehüllt worden sind. Eng verbunden mit der Volkskultur sind die vielen Brunnen, die inmitten der Städte, Marktflecken und Dörfer ihren markanten Platz haben. Ihre meist künstlerisch gestalte ten und mit Motiven der Volkskunst bedeck ten Schalen erinnern stark an die einstmalige Bedeutung der Brunnenplätze für die Ge meinde. Selbst von der Sprache her eröffnet sich ein unerwartet weites Feld. Da ist an Be zeichnungen für unterschiedliche Brunnen arten ebenso zu denken, an Pumpenherz und Brunnenstube, wie an die sinnigen Brun nensprüche und Anmerkungen über Ge schicke und Geschichte des betreffenden Ortes. Ein prächtiges Beispiel liefern die sogenann ten Urteln, deren Bezeichnung auf eine alte Rechtsgepflogenhelt hinzuweisen scheint. An Brunnen — eben wegen der vordem schon erwähnten „Götternähe" — traten Ge richte zusammen und fällten Urteile. „UrtI" — dieses Wort verrät demnach die vergessene Urteilsstätte. Im Markt Beuerbach sprudeln sogar noch drei dieser Urteilsbrunnen und um ihre an geblich niemals versiegenden Quellen ran ken sich Legenden und Sagen, so etwa die, daß es für Mädchen höchst gefährlich sei, an sie allzunahe heranzutreten, weil jeweils in nerhalb eines Jahres die „UrtI" ihr Opfer for dere, ansonsten würde der Ort über schwemmt werden. Die Besonderheit dieser Quellen wäre schließlich auch daran erkenn bar und tausendfach bewiesen, daß jeder mann, der ihr Wasser einmal getrunken, sein Leben lang mit Beuerbach verbunden bleibe. Über die Entstehung der Urteln zu Beuer bach weiß die Sage zu berichten, daß ein zum Tode verurteilter Brudermörder jene „niemals versiegenden Quellen" der Obrigkeit verraten habe, um seinen Hals vor dem Henkerbeil zu retten. Des Volkes Glaube an die geheimnisvolle Macht und Kraft des Wassers ist vor allem durch die Annahme von der Heiligkeit be stimmter Quellen entscheidend bestärkt wor den. Wasser gilt im Volksglauben nur zu be stimmten „heiligen" Zeiten und Anlässen als heilig und heilsam. Jene Wässer aber, die an besondes begünstigten, geweihten Kirchen plätzen hervorquellen oder dem Schütze eines prominenten Heiligen anvertraut wor den sind, halten die erhoffte und begehrte Heiligkeit und Heilkraft immerdar bereit. Auf diese Weise leben manche germanisch heidnische Kultbrunnen dank der Übertra gung auf Heilige weiterhin fort. Kaum eine Wallfahrtsstätte — und mag sie noch so be scheiden sein —, die nicht ein „Heiliges Was ser", eine Gnadenquelle anzubieten hätte, von der Wundersames zu berichten ist. Im mer noch gehört es zum Wallfahrtsvollzug, sich dieses Wassers zu bedienen. Sei es, daß

Kulturzentrum Burg Wels, Sammlung Landwirt schaft, Votivbild mit Darsteiiung der hi. Ottiiie, 18. Jahrhundert, die Heiiige im Geschehen des Taufwunders und mit ihrem Attribut — einem Augenpaar. Nach der Legende heiite Bischof Erhard die biindgeborene Ottiiia durch die Taufe. Durch die Verbindung der beiden Symboie — Wasser/Auge — werden im Bereich der Volks frömmigkeit bestimmte Quellen, denen heilsame Wirkung bei Augenieiden nachgesagt wird, der hi. Ottilie zugeschrieben. Festtag der hi. Ottiiia (Odilia) vom Eisaß, Stifterin der Klöster Odilienberg und Niedermünster, ist der 13. Dezember. — Foto und Bildtext: Helga Födisch man sich eine Flasche davon mit heim nimmt und für den frommen Hausgebrauch weihen läßt oder sei es nur, eine Handvoll zu schöp fen, um seine Augen damit zu netzen. Dies helfe, sich weiterhin seiner Sehkraft zu versi chern. Hier mag wohl ein Analogieglauben verbunden mit dem nötigen volksfrommen Vertrauen mitspielen, wenn Klarheit und Reinheit des Wassers zum hellen Blick des menschlichen Auges in Beziehung gesetzt wird. Heilige Wasser an Gnadenorten stehen unwi dersprochen im Rufe, wirksame Heilmittel ge gen mancherlei Krankheiten zu sein. Da sie ja meist auf wundervolle Weise entsprungen sind, ist ihnen demnach auch das Wunder same weiterhin geblieben. Der Besucher des sicherlich bedeutsamsten oberösterreichi schen Wallfahrtsortes, nämlich St. Wolfgang am Abersee, sollte es nicht versäumen, die bronzene Schale des Brunnens nächst dem Gotteshaus genauer ins Auge zu fassen. Die darauf dargestellten Figuren berichten in be redter Weise von der vielseitigen Heil- und Wunderwirkung des Woifgangiwassers. In ei gens dafür geschaffenen Fläschchen hatte man es einst abgefüllt und wie eine kostbare Medizin mit nach Hause genommen. Der Le gende nach habe der Heilige unmittelbar nach der Gründung seiner Kirche am See eben diese Quelle geweckt, um den uner träglichen Durst seines Wegbegleiters zu stil len. Unter den so zahlreichen Wolfgangwall fahrten ist jene zu St. Wolfgang am Stein bei Schlägl im Mühlviertel zu erwähnen und inso fern als bemerkenswert hervorzuheben, weil man dort das Wasser der Heiligen Quelle so gar unter dem Gotteshaus hindurchgeleitet hat, was wohl als eine Verstärkung seiner überirdischen Eigenschaft gedacht war. Doch Wolfgang ist es nicht allein, dem das Patronat über Quellen zugesprochen worden ist. In Qberösterreich plätschern in Grünau, in Großraming oder auch in St. Jakob bei Antlangkirchen viel beachtete Jakobsbrun nen. Hoch geschätzt war einmal das Wasser der Blasibrunnen (z. B. in Losenstein), wie das der Quellen und Brunnen mancher Marienkultstätten. Auch das Quellwasser an der Wallfahrtsstätte zum hl. Florian fand vielfach seine fromme Verwendung. Florian ist ja zu nächst ein ausgesprochener Wasserpatron, was unmißverständlich schon aus seinem Martyrium, darüber hinaus aus der Legende über die Auffindung seiner Grabstätte und nicht zuletzt aus seinem Namen hervorgehen mag, der Blühen bedeutet. Schließlich spricht aber auch sein Attribut, der Sechter, recht deutlich seine ihm über das Wasser an vertraute Schirmherrschaft aus. Vor allen anderen Heiligen ist es aber St. Ul rich, welcher mit Fug und Recht als der Brun nenheilige par excellence angesprochen werden muß. Allein in Österreich waren ein mal nicht weniger als 35 Ulrichswallfahrten bekannt, von denen die meisten eine mehr oder weniger berühmte Heilquelle, einen Gnadenbrunnen, aufzuweisen hatten. Von diesen Ulrichsbründln hieß es, daß gerade sie unversieglich und heilsam seien. Nicht ohne Grund mag wohl das Fest des Heiligen (4. Juli) in die heißeste Zeit des Jah res gesetzt worden sein, wo Mensch und Tier und Felder dürsteten und des lebensspen denden Nasses dringend bedurften. Aber ausgerechnet an seinem Namenstag wünschte man sich dieses Naß nicht. Ulrich galt nämlich als Wetterlostag und die Mühl viertlerwaren davon überzeugt, daß es, so es Regen an diesem Tag setzte, „in den Urakübel (Sauerteigkübel) regne". Das hieß nichts anderes, als daß das Getreide nicht richtig gerate und schlechtes Mehl abgeben werde. Wie groß das Ansehen des hl. Ulrich in Ober österreich einmal war, ist daran abzulesen, daß ihm zu Ehren hierzulande fünf Orte sei nen Namen tragen, weitere zwei nämlich Ul richsberg und Ulrichsthal namentlich mit ihm in Verbindung zu bringen sind: über nicht we niger als neun Kirchen übt St. Ulrich hier seine Schirmherrschaft aus. Einen guten Ruf hatte vor Zeiten der Wallfahrtsort St. Ulrich bei Steyr, wo man gerade wegen der beson deren Heilkraft des neben der Kirche spru delnden Bründls von weither hingezogen kam. Das Stift Garsten ließ bereits 1411 den schadhaft gewordenen Holzbau der Ulrichs kirche durch einen Steinbau ersetzen, der 14

* ^ 4HlBi*niin*vwpi7MM«*M* ''mm..^ »*M •^^5 '^4 ■?' >1lH. c •#a Y-^-i ^ J'-w-' X P 'Ii ■ ISfe^ (ü i iJ4 1 # iiriB?bf* ' _ K ». ' >T<'!C0 '^l' .■:d'-*ti*^J v-ik»'»- s> , ' 'V.tSEh'J?* j^,.: 7 Links: St. Wolfgang am Stein, Bezirk Rohrbacfi, Heiibrunnen an der Stützmauer südlich der Wallfahrtskirche aus 1644—47. — Foto: Eifriede Wöhry Oben: Schloßmuseum Linz, Volkskundiiche Abteilung, Woifgangikasten, Türflügel, Öl auf Holz, ca. 1790—1800, volkstümliche Darstellung der Wallfahrt über den Abersee. Siehe Sonder ausstellung Im Linzer Schloß „Volksfrömmigkeit In Oberösterreich" vom 6. September bis 31. Dezember 1965. — Foto: Franz Gangl aber dann wohl wegen der seither fehlenden Quelle nicht mehr die einstige Anziehungs kraft besaß, worauf die Wallfahrt erlosch. Unter den sommerlichen Bräuchen war einmal das Pfingstwasser als wachstumsför derndes Naß hoch geschätzt. Man verwende te es auch als Schönheits- und Genesungs mittel, bediente sich aber ebenso seiner die Fruchtbarkeit anregenden Eigenschaften. Darum gingen am Pfingstmontag die Bauern um ihre Felder und besprengten die reifen den Saaten mit dem heilsamen Pfingst wasser. Pfingsten, das Sommerfest schlechthin, hatte rings um seinen Termin zahlreiche Bräuche entstehen lassen; Bräuche, darin das Wasser seine wichtige Rolle zu spielen hatte. Eben jetzt um diese Zeit, so meinte man, kämen die Wassergeister an Land, wo bei sie auf Wetter und Vegetation ihren be deutsamen Einfluß auszuüben vermöchten'. Das erklärt auch, warum alle Pfingstbräuche des mittleren Europas gewisse Züge erken nen lassen, die im Charakter eines alten Re genzauberfestes wurzeln. Das gilt auch für die eigenartigen Wasservogelumzüge, wie sie noch um 1860 im heimischen Kremstal üblich gewesen sind. Ein in Tannengrün ge hüllter Bursch lief durchs Dorf, trieb allerlei Spaß und bedrohte scherzend die Kinder mit einem Knüppel. Ihm nahe verwandt zeigt sich der „Waldmannphili", der sich zur Zeit der Sommersonnenwende in einigen Dörfern des Hausruckviertels einstellt. Wasservogel und Wassermann, das sind Ge stalten, die in der Reihe der Pfingstiukenbräuche zu stellen sind, wie sie vor allem die Hirten wahrnahmen. Hierher gehören auch die steiermärkischen Pfingstlümmelumzüge mit der seltsam anmutenden Gestalt des Krotenstechers, aus dessen Bezeichnung her aus seine direkte Beziehung zu Wasser und den Wassertieren herauszuhören ist. Regenzauber zur Pfingstzeit betreiben, das wollten schließlich auch die Vintschgauer mit dem Brauch des Madlnbadens, wenn sie jun ge Mädchen begossen haben oder gar in den Brunnentrog tauchten. Auch das Weitensfelder Brunnenlaufen, das nach wie vor in dem Gurktaler Ort jeweils am Pfingstmontag'in far bigem Rahmen abgehalten wird, ist ein im Grunde genommen durch eine historische Legende verhüllter Regenzauber. In übertragenem Sinne darf sogar auch das im Salzburgischen beheimatete „Himmelbrotschutzen", das im Verlauf des Fronleich namsumzuges stattfindet, als ein den Regen erbetender Brauch in diese Reihe gestellt werden. Gleichsam um Regen für Felder und Gärten zu erzwingen — und nicht ihn zu erbitten —, ist bei sommerlicher Hitze vor der Ernte im 15

mm w. ilH a»; '^H gä^Ä <|S«k ^ tolili i 11 Oberösterreichisches Landesmuseum, Pergament-Spitzenbild „Hl. Johannes der Täufer". Mitte 18. Jahrhundert. — Foto: Franz Gangl nördlichen Niederösterreich einst das Bründlräumen üblich gewesen. Nackt und betend mußten mehrere Jungfrauen des Or tes drei Wiesen- oder Waldquellen vom Schlamm reinigen. Ähnliche Formen dieses Regenzauberbrauches waren einmal in ganz Europa bekannt, wo statt des Brunnenräu mens ein Wagen in den Fluß gefahren und von unbekleideten Mädchen gewaschen wer den mußte. Von den Weinbauern an der Donau wie am Rhein wird berichtet, daß sie in dringenden Fällen davor nicht zurück schreckten, die Statue ihres Schutzpatrones, des heiligen Urban, einfach in den Brunnen zu werfen, wenn er sich nicht um das nötige Naß für die Weingärten gesorgt hatte. Durch den Brunnenwurf ist er somit an seine Pflich ten nachdrücklich erinnert worden. Ähnlich ist übrigens auch mit anderen Wetterpatro nen, so mit einigen Johannes-von-NepomukStatuen als auch jener des Hl. Florian, ver fahren worden. Doch nicht nur im profanen Bereich sind regen- und wasseranregende Mittel einge setzt worden. Das barocke Brauchtum iieß während des pfingstlichen Heiligen-GeistSchwingens aus den kreisrunden Öffnungen der Kirchendecken neben brennendem Werg auch Wasser auf die Beterschar herabgie ßen. Ein Gleiches geschah auch beim Aufzie hen der Christusstandbilder am ChristiHimmelfahrtsfest. Durch dieses „Herabgie ßen" entstanden 1721 in der Peuerbacher Pfarrkirche arge Tumulte und Panik, in deren Verlauf fünf Menschen zu Tode kamen. Begießen, Bespritzen oder mit Wasser be sprengen wird in den meisten Bräuchen, so im Verlauf fast aller Faschingsumzüge oder im Falle des Osterbrauches der Siebenbür ger, wobei Mädchen und Frauen „begossen" werden, oft nur als ein zusätzlicher, überflüs siger Ulk beurteilt, wenn nicht gar als übler Mißbrauch verurteilt. Das aber ist nicht der Fall. Wassergüsse, in den Bräuchen auffal lenderweise fast immer in der Phase eines Anfangs eingesetzt, sind ausgesprochen be fruchtend und damit Leben anregend, die Gesundheit, das Gedeihen beschwörend, gedacht. Ihr ursprünglicher Sinn ist verloren gegangen, konnte sich aber noch in man chen Formen des Eintauchens erhalten. Solche Bäder, durch die Neulinge gereinigt und belebt werden sollen, stellen ja das Gautschen der Buchdrucker dar. Bei diesem Initia tionsbrauch der Handwerker werden die Ge sellen nach allerlei heiteren Zeremonien kurzerhand in den Brunnen geworfen. Dieses Gesellenmachen ist auch der Kern des Salz burger Metzgersprunges, der jeweils zu Fa sching in den Stadtbrunnen erfolgt. Es sei hier der Gedanke gestattet, einen Ver gleich mit der sakramentalen Taufe anzustel len, denn auch diesem „Wasserguß" ist ja die „Taufe im Jordan" in der Form des Eintau chens entwicklungsgeschichtlich vorausge gangen, was von den Anhängern bestimmter Sekten (Baptisten von gr. baptizein = eintau chen) immer noch demonstrativ als Auf nahme- und Einführungsritus nachvollzogen wird. Schon im Sprachlichen deutet sich die Verwandtschaft von Taufe und Tauchen an, die in dem Begriff „tief" verwurzelt sind. 16

Der Brauchabsicht ist es jedenfalls gleichgül tig, ob nun Wasser von oben- oder von unten her kommt. Entscheidend Ist die jeweils sym bolisch gedachte Wirkung, die vom Wasser guß als auch vom Brunnenwurf erhofft wird. Insofern Ist es einigermaßen schwierig, eine klare Trennungslinie zwischen profanen und kirchlich liturgischen Anwendungsgebieten zu ziehen; ob nämlich geweihtes oder ungewelhtes Wasser zum Besprengen benutzt wird. In verfeinender und damit auch wieder sinn entleerender Welse werden Schiffe und Boo te mit „Sekt getauft", Landfahrzeuge, Geräte und Maschinen hingegen werden von Prie stern „geweiht" (gesegnet) und mit Weihwas ser besprengt. Mit geweihtem Wasser schüt zen die Bauern In den Rauhnächten Ihre Anwesen, Weihwasser wird an allen Ein- und Ausgängen der Kirchen wie der Wohnungen bereitgehalten. Die Ambivalenz, welche dem Wasser einst mals zugesprochen worden war, sie Ist In zwischen auf ein weitaus geringeres Maß re duziert worden. Das Volk von heute Ist — wie es scheint — nicht mehr auf spezialisierte Weihwasserarten versessen, wie sie dereinst Im Johannis-, Im Ulrichs-, Woifgangl-, Antonius- oder Dreikönigswasser geglaubt wurden. Gegen solchen Aberglauben war schon Ende des 18. Jahrhunderts kräftig zu Felde gezogen worden, wie u. a. aus den josephlnlschen Aufklärungsschriften erkenn bar wird. Trotzdem war es In Linz 1788 In Kle rus und Volk zu scharfen Protesten gekommen, als der Linzer Bischof die Weihe des Dreikönigswassers untersagt hatte. Doch „trotz abergläubischen Vorstellungen über die wunderthätige Wirkung dieses Wassers" Ist seine Weihe dann doch wieder gestattet worden. Daß gerade In diesem heute noch so überaus unfesten Bereich der fließenden Grenzen von Kirchen- und Volksglauben alte Bräuche In gewandelter Form welter bestehen können,ja sogar neue entstehen, Ist nicht verwunder lich. Man versenkt In Seen und Flüssen Krän ze und Blumen zum Gedenken an Tote, man setzt Lichtlein auf die Wellen oder vollführt solche Lichterschwemmen mit kleinen Schlffleln zur Sonnenwende (Salzburg) oder gar mit von Innenher erleuchteten Kirchenmodel len (Elsenkappel). Freilich sind dies „Bräuche ohne Glaube" geworden und es kommt bei Ihrem Vollzug letztlich mehr auf einen deko rativen Zweck an, den sie erfüllen sollen. Die vielseitige Beachtung des Wassers Im Brauchtum kann In diesem Rahmen nicht ausgeschöpft werden. Doch an dem hier vor gelegten Überblick mag zu erkennen sein, daß da und dort zumindest ein Hauch vom Geheimnisvollen, das diesem Element zwei fellos anhaftet, noch verblieben Ist. lA, k

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