Dann nach Steyr heimkehrend, ließ sich Speekman von der herben, düsteren Schönheit der Enns, die hier mächtig vorbeireißt, bezwingen, er ging an Aussichtspunkte, wo man die Eisenstraße sieht; über die alte Brücke wanderte er und sah das wunderschöne Bild, die stromseitigen ur alten Häuser, die wie Türme emporstreben und sich in den glitzernden Wassern der Enns beschauen. — Und als er bei Tisch bei meiner lieben Sekretärin Marietta Barth war, die heute auf dem Tabor den letzten Schlummer schläft, da sagt er: „Wunderbar ist dieses Steyr! Ja, sie hat diesen Roman schreiben müs sen, diese Landschaft, diese Kirchen, diese Patrizierhäuser, dieses ganze Steyr hat darauf gewartet, und als die heilige Euphemia in die Vorstadt kirche getragen worden ist, war's in Gottes Rat schon bestimmt, daß eine Frau kommen sollte, und an der Euphemia sich begeistern sollte für ihr schönstes Werk." Dann hat F. Speekman noch den Tabor besucht und das Grab der armen Maria Keßler angeschaut. — Mitten im Konzipieren der Stephana erschrak ich bis ins Herz — damals, im Juli 1909, als die arme Kellnerin Maria Keßler in der Schwimmschulstraße vom ungestümen Liebhaber Karl Mayer nachts ermordet wurde. — Diese Maria war ein frommes Kind. Und ihr leidvolles Ende, den Tod von der Hand des ver schmähten Geliebten, habe ich als letzten Edelstein in die Jungfrauen krone Stephanas gesetzt . . . „Ihr Linz ist schön, Ihr Steyr ist schön. Ja hier mußten Ihre Werke wachsen und das werden, was sie sind", hat P. Speekman wieder und wie der beim Abschied in Linz zu mir gesagt. Ich wollte alle Leser meiner Bücher bitten: Kommt nach Oberöster reich, geht auf den Spuren Stephanas! Seht doch, wie die Schönheit unse res gelobten Landes mitgedichtet hat, als ich Stephana schuf. Oh, wie ich es liebe, dieses mythenbildende Land! An der Donau, in der Wachau mußte mein Jesse werden; mein Meiruad im grünen Kremstal, meine Ste phana und meine Margaret in Steyr. Ja, und noch. Auch ihr, die ihr meine Frau Maria liebt, kommt nach Oberösterreich; denn Maria ist Thüringerin und Elisabeth ist Lübeckerin und Schulenburg ist Sachse und Aurora Schwedin und Schubarth Schle sien Szenarium ist der Harz, doch in die herbnordische Landschaft mit den nordischen Menschen rieselt himmlisch leuchtendes Ennswasser, duftet obderennsische Krume. — Ein Holsteiner, Dr. Kaestner, schrieb mir das herrliche Wort: „Wir danken Ihnen, daß Sie uns unsere ChristianAlbrecht-Tochter (Elisabeth von Holstein) geschenkt haben. Sie haben sie uns wohl in farbenfrohem österreichischem Barockgemälde, nicht in har tem, herbem norddeutschen Holzschnitt vorgeführt." Gilt Kaestners geistvolles Wort nicht auch von Maria von Bronnen? Hat nicht auch sie ein thüringisches Heim und einen thüringischen Namen, sächsisches Re den, aber unter ihrem christevangelischen Quedlinburger Elevinnen kleid, schlägt da nicht das Herz eines österreichischen Klosterkindes? . . . So ist mein ganzer Maria-Roman ein Hochgesang auf Landschaft und Volkschaft des Harzlandes, und dennoch ist er oberösterreichische Hei matkunst ohne Wille und Absicht geworden. Er mußte es werden, wie die Landler Bauern in alten Tagen sagten und sungen: „Oes muaß sein." Ich habe Altquedlinburg mit aller Hingabe, mit größtem Fleiß studiert, ich habe die allerersten alten Druckwerke, die eindruckskräftigsten Bild werke aus der Berliner Staatsbibliothek, die mir ihre Schätze aufs entge genkommendste geöffnet hatte, studiert — ich war drei Jahre im Geist in Quedlinburg — und doch war ich, je tiefer ich mich in meinen Stoff hineingeheimniste — je tiefer wieder in mein Oberösterreich versponnen! — Denn die herrlichen Berliner Stiche, Karten, Bilder, die mir so lieb vertraut wurden, alles konnten sie mir nicht sagen. — Das Quedlinburger Schloß ist unter Jerome Napoleons Herrschaft 1807 unter den Hammer gekommen, — die Kunstschätze, das alte klösterliche Mobiliar wanderte damals aus und wurde in alle Winde verstreut. Ich schuf dir also, heiliges altes Schloß Quedlinburg, eine neue Einrichtung aus Klöstern und Stiften meiner Heimat: So habe ich's ja auch bei Günther gemacht im Hause Bronnen zu Jena. — Der Goldkachelofen „Hoc in tumulo hiems ossa aestatis consumit" — ist in einem St. Florianer Kaiserzimmer zu sehen! Wollt ihr wissen, was Oberösterreich zur Frau Maria beisteuerte? Ihre Zelle, wo der gewaltige August die Lilie gewinnen möchte, aber mit Be schämung weichen muß — ist das Novizenzimmer im Elisabethinenkloster in Linz, das ich als Brautmutter von Zeit zu Zeit an Einkleidungsta gen betrete. — Ridpurg im Glaskasten ist Catarina von Ricci, gegenüber der Noviziatstür. — Das Kapitelzimmer der Herzogin ist dem Kapitel zimmer der Elisabethinen nachgebildet. Das Bild der Virgo amabilis, vor dem Elisabeth kniet, ist ein Bild von Altomonte im Elisabethinenstift. Eli sabeth erzählt von ihrer Reise in Österreich. Ob die große Äbtissin solche Reisen wirklich unternommen, weiß ich nicht. Aber ich sehe sie bei uns, von Lambach aus im Viergespann nach Schlierbach reisen. Das nahm bei den schlechten Wegen damals (wir finden das in Maximilian Pageis Denkwürdigkeiten beschrieben) gut einen halben Tag. . . . Meine Elisabeth, du kennst also mein Oberösterreich! Du hast die herrliche Kirche von Schlierbach gesehen. Sie gefiel dir gut, meine liebe, nordische Prinzessin! Die prachtvollen Blumensträuße unter Glas taten es dir an — mir auch! O ja, du hattest mein Österreich lieb, du schriebst ja auch an Kaiser Karl den VL, warst mit ihm in häufiger Korrespondenz . . . Und in Wien — ich habe es freilich erfunden, aber ich hab's gesehen, es kann, ja muß gewesen sein, daß du bei den Barmherzigen Brüdern warst und von ihnen so viele Anregungen mitgenommen hast für das Spital in deinem späteren kleinen geistlichen Staat. Meine Leser alle, die ihr meine Elisabeth von Holstein liebt, schaut Euch das ehrwürdige Schloß Quedlinburg an und das Annenspital, den Finkenherd, von tausendjährigem Efeu umsponnen, das Klopstockhaus mit seinem Museum, mit seinen kostbaren Bildern und Schriften, ver welkten Sträußen der Erinnerung; aber dann kommt und atmet die wür zige Bergluft bei Schlierbach, bewundert das Stift, die schönste aller Barockkirchen öberösterreichs, kommt nach Linz, seht Euch die Elisabethinenkirche an mit ihren kleinen Heiltümern — und Elisabeth von Holstein wird vor Euch zu leben und zu reden anfangen — wie vor mir. — Eine Quedlinburgerin hat vor Jahren meinen Günther „Das Heimweh buch" genannt . . . Frau Maria ist auch ein Heimwehbuch . . . Darum auch erscheint als Genius loci Österreichs der alte Franzmeier mitten in Quedlinburg. Wie liebt er Quedlinburg und seine Herzogin! „Sie is a halig's Wei!" verweist er dem schlesischen Vaganten seine Spottreden ge gen die alte Jungfrau. Die Quedlinburger ehren den alten Mann, der von weither kam um sei nes Glaubens willen. Die Herzogin-Äbtissin Anna Dorothea, „die va Wei mar", hat ihm und den Seinen einen Schutzbrief ausgestellt. Die Äbtissin Elisabeth hält ihre Hand schirmend über ihn und sein Haus in allen Wi derwärtigkeiten . . . . . . Hat Elisabeths Gnade den Österreicher zum Quedlinburger umge schaffen? Nein, so wie er seine Mundart von urtiefem Herzklang nie ver lernte, hat er auch sein österreichisches Herz behalten bis zum Tod. — Einen guten Tag hat er, als die Lambacher Binder im Wirtshaus seines Sohnes zukehren. Er fragt sie über alles und jedes aus, sogar ob die Zeidln oben im Lambacher Stiftsgarten fleißig oder „fäul" gewesen im letzten Sommer. — Und noch einen guten Tag hat Franzmeier. Ich schrieb die Szene mit klopfendem Herzen und nassen Augen, Fischer-Colbrie hat sie die beste des ganzen Maria-Romans genannt, Kaiserin Zita ließ mir darüber Worte sagen, die ich nie vergesse . . . „Franzmeier aber kam, langsam am Gehstecken schreitend, in seines Sohnes Haus; da saßen sie gerade beim Abendessen. Er setzte sich dazu und sprach: ,Hanz Wirt, mi blangat's nach an Karpf aus da Dainau.' Die Schnur (Schwiegertochter) brachte ihm einen gebackenen Karauschen; er verschmähte ihn und sprach: ,De Narr hat kei Dainauwasser ge schmückt.' Und er stieg hinauf in sein Bestandstübel, wo die fromme Braut Maria gestorben war, und nahm aus dem Kasten, wo er seines Wei bes Hochzeitsstaat hat, einen Stein heraus. Nein, es war kein Stein, es war 77
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