Wahrscheinlich wäre die neue Generallinie der Zeitschrift nicht möglich gewesen ohne die unermüdliche Tätigkeit des Grazer Msgr. Dr. Johann Graus, Dozent für Kunstgeschich te an der Universität Graz und Redakteur der in Graz erschienenen Zeitschrift „Der Kir chenschmuck". Diese Zeitschrift existierte von 1870 bis 1905. Graus setzte sich für eine Rehabilitation der Renaissance ein, was da zumal geradezu einem „Aufstand" gegen die Doktrin von der wahren Christlichkeit einzig des gotischen, und in geringerem Maß des romanischen Stiis gleichkam.^® Darüber hin aus vertrat er die Auffassung, die Kirche habe nie einen „kirchiichen Stil" besessen oder ge fordert.^® Offenbar wollten die österreichischen Bi schöfe im Jahre 1904 zur Kunst der Sezes sion Stellung nehmen. Sie baten Dr. Graus um ein Gutachten, das durch eine Indiskre tion der Presse zugespielt und am Tag der Grundsteinlegung der Wagner-Kirche, am 27. September 1904, veröffentlicht wurde. Der entscheidende Satz des Gutachtens lau tete: „Eine Entscheidung oder Verwahrung von Seite der kirchlichen Obrigkeit gegen eine Kunstrichtung scheint mir dem Geiste der katholischen Kirche und der Würde der selben nicht entsprechend." Wahrscheinlich hat erst dieses Gutachten den Bau der Steinhofer Kirche möglich gemacht.®® Die „Christ lichen Kunstblätter" berichteten ausführlich über den Fall.®^ 1905 mußte „Der Kirchenschmuck" sein Er scheinen einstellen. Man kann sagen, daß die „Christlichen Kunstblätter" sich in den darauf folgenden Jahren das Anliegen von Graus zu eigen gemacht haben. Das zeigt sich schon in den ausführlichen Besprechun gen der Ausstellung in der Sezession, die Matthäus Gruber in den Christlichen Kunst blättern unter dem programmatischen Titel „Neue Ziele?" publizierte. Darin heißt es: „Die Frage, ob für die kirchliche Kunst die soge nannte Sezession in Betracht komme, wäre wohl vor noch einem Jahrzehnt unbedenklich verneint worden. So fremd und unverständ lich schien die neue Formensprache, so per sönlich und subjektiv trat die neue Kunst auf. . ." In der Folge macht er sich den Stand punkt von Graus zu eigen: „Ein prinzipielles Bedenken gegen ihre Zuiässigkeit dürfte ja auch kaum begründet erscheinen. Die Kirche hat bisher jede Kunstrichtung auch für ihre Zwecke verwendet."®® Durchaus kenntnis reich äußert sich Gruber zu den beiden in der Ausstellung vertretenen entgegengesetzten Richtungen: der „weltabgeschiedenen Klo sterkunst der Beuroner" und der „modern sten Gegenwartskunst". Er macht der hierati schen Kunst der Beuroner gegenüber seine Bedenken geltend: hier werde „das Prinzip Christliche Kunstblätter, Beilage zu Nr. 8/1908: Die Steinhoferkirche in Wien XIII, Hauptaltar. 35
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