allen Wirkungen in dem Festhalten gewisser Zahlenregeln zu finden".® Scharf kritisiert der Autor, Dr. Maximilian Pammesberger, den Ba rockstil. Hier herrsche „die größte Willkür in Behandlung der architektonischen Formen, ein gänzliches Verlassen ihrer Gesetze und Vorliebe für die abenteuerlichsten Combinationen"." So dürfen wir uns nicht wundern, daß der Christliche Kunstverein bald als „aus gemachter Gothomann" galt, „d. h. als ein Verein, dessen Leitung um jeden Preis und aliüberall jede Lichtputzscheere und jeden Meßnerkopf im Spitzbogenstyl gebaut haben will und alles nicht Gothische und nur deßhalb gleich von vornherein verwirft".® Die Hochschätzung der Gotik durch den Kunstverein hatte gewiß ihre erfreulichen Sei ten. Wir brauchen hier nur den Namen Adal bert Stifter zu nennen, der als Denkmalpfle ger des Landes ob der Enns den Kefermarkter Altar restaurieren ließ; er war von 1859 bis 1865 Mitglied des engeren Aus schusses des Vereins. Adalbert Stifter und mit ihm der Kunstverein haben unserem Volk die Augen für die Schönheit der gotischen Kunst geöffnet; seither liebt der Oberöster reicher seinen Kefermarkter Altar. Die Christ lichen Kunstblätter haben diese Tradition hochgehalten; über kein Kunstwerk ist in der Zeitschrift so viel geschrieben worden wie über dieses. 1922 bis 1927 redigierte einer der bekanntesten Kefermarkt-Forscher, Flo rian Oberchristi, die Zeitschrift. Seine Zuschreibung des Altares an einen einheimi schen Meister ist insofern nicht unwirksam geblieben, als man heute seinen Ursprung in Passau vermutet. Hand in Hand mit der Hochschätzung der Gotik ging die Befürwortung der Neugotik. 1862 wurde der Grundstein zum neugoti schen Dom gelegt; zwei Jahre vorher hatte Adalbert Stifter den Plan begeistert begrüßt.® Wir dürfen annehmen, daß Bischof Rudigier (1853 bis 1884 Bischof von Linz) die Kunst blätter vornehmlich wegen seines Dombaues gefördert hat. Die Zeitschrift hatte eine ähnli che Funktion wie das „Organ für Christliche Kunst", das seit 1851 als „Organ des christli chen Kunstvereins für Deutschland" erschien und den Kölner Dombau unterstützte. Mit dieser älteren Schwesterzeitschrift — es gab gegen Ende des Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet über 20 derartige Publikatio nen beider Konfessionen — verband die Christlichen Kunstblätter auch der Gotizismus.'^ Der Dombau hatte viele andere neugotische Kirchenbauten im Gefolge. Nicht nur das; man begann viele Kirchen zu „regotisieren". Manche wertvolle barocke Einrichtung ist der Gotik-Begeisterung der Zeit zum Opfer gefal len, so noch 1906 (!) der prachtvolle ZürnHochaltar zu Braunau. Die Kunstblätter tra ten anfangs dafür ein, daß die Fenster und die Einrichtung „dem Style des Bauwerkes ent sprechend gehalten werden".® Dieser Puris mus hat viel Schaden angerichtet. Die Zeit schrift wandte sich allerdings bald gegen die „Aftergothik befördert durch die Fabriken".® Erst Johann Nepomuk Hauser, der spätere Landeshauptmann, der die Geschicke der Zeitschrift 1893 bis 1895 leitete, publizierte eine Zuschrift über den „Modernen KunstVandalismus", die in scharfer Form gegen das „Heer von elenden Schmierern" und „un verständigen Schnitzern" Stellung nahm.^° Die Zuschrift stieß auf heftigen Widerspruch. Doch als Hauser bald darauf die Redaktion niederlegte, wiederholte er: „Vor allem sei be tont, daß man vom Standpunkte der Kunst wirklich absolut mit dem Aufräumen mit allem Alten nicht einverstanden sein kann. Wie oft, ach leider wie oft ist da ein Kunstwerk hinaus geworfen und ein Plunder in die Kirche hin eingestellt worden."^^ Hauser war einige Jah re zu früh daran: sein Vorgänger, der Theologieprofessor Dr. Matthias Hiptmair (Redakteur von 1875 bis 1892), war noch ein heftiger Gegner des Barock, und sein Nach folger, Ludwig Bermanschläger (1896 bis 1901), lenkte die Zeitschrift wieder in die Bah nen eines „Gothomann". Der Christliche Kunstverein hat in seiner er sten Zeit auch zwei größere Kunstausstellun gen initiiert: die erste im September 1865, die zweite im September 1869. Die erste Ausstel lung zeigte „altdeutsche", aber auch barocke und neuere Bilder. Zwei Tafeln des Florianer Sebastiansaltar von Altdorfer waren darunter. In einer Besprechung heißt es dazu: „Altdor fer berühmt wegen seines Kolorits, und be kannt wegen der großen Nasen in seinen Ge sichtern. Komposition stets genial, Gewänder und Details mit größtem Fleiß gemalt, der Ausdruck in den Mienen stets charakteri stisch. Diese Bilder gehören zu einem Pas sionszyklus von 8 Gemälden."^® Die zweite Ausstellung, die im Redoutensaal stattfand, wollte mehr die „neueren Leistungen in der kirchlichen Kunstrichtung" zeigen und stellte einheimische, aber auch Wiener und Münch ner Künstler aus; es werden 249 Nummern angeführt.^® Die Zeitschrift diente im ersten Jahrzehnt ih res Bestehens auch der Kirchenmusik; von 1886 bis 1891 war sie nochmals zugleich Or gan des Linzer Cäcilienvereins und brachte zahlreiche kirchenmusikalische Artikel und Notizen, teilweise mit Notendruck. Gerade die musikalischen Beiträge der ersten Zeit weisen ein beachtliches Niveau auf. Da findet sich etwa eine Besprechung der Urauffüh rung der d-Moll-Messe von Anton Bruckner im Linzer Dom am 20. November 1864, die dem Werk gerecht wird,^'' oder es erscheint eine Artikelfolge von Johann Habert über das katholische deutsche Kirchenlied, die es un ternimmt, „die alten Schätze zu heben und mehr und mehr Gemeingut werden zu lassen".''® Die Öffnung der Zeitschrift nach der Jahr hundertwende Auf den ersten begeisterten Impuls der Grün dungsjahre folgten müdere und weniger fruchtbare Jahre des bloßen Fortführens des Begonnenen. Die Zeitschrift folgte bis zur Jahrhundertwende ihrer von Anfang an er kennbaren Tendenz, die „altdeutsche" Kunst zu preisen und die Neugotik zu fördern. Ganz deutlich wird das zuletzt in der Zustimmung, mit der man die Worte des „gewiegten Ken ners", des hochwürdigen Vicars A. Möllers, zi tiert: „Man wolle nicht Originale, sondern Copien von schönen kirchlichen Bildern anbringen, die als Schöpfungen unserer gro ßen Meister früherer Jahrhunderte in allen Gattungen von kirchlichen Bildwerken in rei cher Fülle vorhanden sind; viel besser ist eine gute Copie als ein schlechtes Origi nal.'"® Aus Worten wie diesen spricht eine tiefe Skepsis gegenüber der Kunst der Ge genwart. In einem Beitrag von Prof. Dr. Schrörs, Bonn, werden dann auch die Kunst richtungen der Gegenwart verurteilt: Der Na turalismus „schwelgt darin, vom Gemeinen das Gemeinste, vom Häßlichen das Häßlich ste darzustellen; er betreibt den Cultus des Fleisches und der Sinnlichkeit. Dagegen ringt sich eine neue Kunst los. Wer sich in sie versenkt, auf den übt ihr symbolischer welt ferner Zug einen großen Eindruck aus. Diese Kunst ist aber von pantheistischem Geiste er füllt. Sollen wir da mit verschränkten Armen zusehen?"^^ Mit der Übernahme der Redaktion durch den Domkapitular, später Prälaten Balthasar Scherndl im Jahre 1902 beginnt eine neue Ära. Die mehr als zwanzig Jahre seiner Re daktionstätigkeit bis zu seinem Tode 1922 stellen eines der interessantesten Kapitei der Geschichte der Zeitschrift dar. Das gilt vor allem für die ersten Jahre seiner Tätigkeit. Zwei Großereignisse fallen in diese Zeit: der Baubeginn der Kirche am Steinhof von Otto Wagner (1904) und die große Ausstellung von Werken der christlichen Kunst in der Wiener Sezession im November und Dezember 1905. Beide Ereignisse werden in der Zeit schrift lebhaft kommentiert und diskutiert. Die Generallinie der Zeitschrift ist aufge schlossen und von merklich höherem Niveau als in den Jahren zuvor. Völlig neu ist auch die reichliche Bebiiderung der Zeitschrift, die bis dahin fast ausschließlich Textbeiträge ge bracht hatte. 34
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