Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 2, 1985

Der Diözesankunstverein Linz in Geschichte und Gegenwart Peter Gradauer Die Gründung des Diözesankunstverelnes Als die heuer jubilierende Diözese Linz vor 200 Jahren gegründet wurde, war der öster reichischeste aller Baustile, der Barockstil, nach mehr als hundertjähriger Blütezeit — vom Frühbarock bis zum Rokoko — im Ab klingen. Als Zeugnisse dieser Kulturepoche stehen die Stifte wie mächtige Gottesburgen im Lande; ihre Inwohner wahren die Bringer des Glaubens, die Bewahrer des religiösen Lebens und Träger der Kultur im Lande; denn der Bischof als kirchlicher Oberhirte saß in Passau, weit außerhalb der Gemarkungen des Landes. Das mit leiser Ironie vorgebrach te Wortspiel „Österreich — Klösterreich" hatte durchaus seine Berechtigung. Zu den Stiften kamen die Schlösser der adeligen Familien: Kirche und Adel waren die mächtigsten För derer und Träger der Barockkultur. Auf das überschwengliche Rokoko folgte im Zeitalter Josephs II. die Rückführung auf nüchternere Formen, zum Empirestil und Klassizismus. Das Volk hatte bis dahin wenig Anteil an der Entwicklung der Hochkultur und Kunst. Durch die Aufklärung und den Weckruf der Romantik erwachte aber auch in weiteren Kreisen des Volkes das Interesse an Fragen um Kunst und Kultur. Die Jahre des Aufbaues nach den wirtschaftlich schwierigen Zeiten im Zeitalter der Kriege Napoleons sind ge prägt vom Biedermeierstil des aufstrebenden Bürgertums. Im „Vormärz", in den Jahrzehn ten des allgewaltigen Ministerpräsidenten Metternich, war jedoch ein Zusammenschluß Gleichgesinnter zu größeren Vereinen nicht möglich. Das Revolutionsjahr 1848 brachte mehr Frei heit und ließ die im Verborgenen wirkenden Kräfte an die Öffentlichkeit treten; die erklärte Vereins- und Versammlungsfreiheit erlaubte den Zusammenschluß aller Gleichgesinnten. Die Kirche Österreichs konnte sich aus den Fesseln des josephinischen Staatskirchentums lösen. Als eine der wichtigsten Aufga ben jener Epoche erkannte man den Aufbau eines katholischen Vereinswesens und einer katholischen Presse. Noch im selben Jahr 1848 wurde in Linz der „Katholikenverein" ge gründet.^ Ein mutiger Geistlicher, der Kooperator der Stadtpfarre Linz, Albert Edler von Pflügl, gab im Sommer 1848 sein „Volksblatt für Religion und Gesetz" heraus, dessen Titel mit 1. Jänner 1849 in „Katholische Blätter für Glaube, Freiheit und Gesittung" umgewan delt wurde und das fortan als Organ des Ka tholikenvereines galt. Der österreichische Episkopat, der sich im Frühsommer 1849 in Wien versammelte, begrüßte diese Gründun gen auf das lebhafteste. Bald wurde auch die Gründung von katholischen Kunstvereinen angeregt. In der Diözese Linz wurde Theodorich Hagn, Neuer Dom zu Linz, Detail von der reichen Glasfensterausstellung Abt des Benediktinerstiftes Lambach, mit der Bildung eines Komitees betraut, das einen Verein dieser Art gründen sollte. Als Aufgabe des Vereines wurde festgelegt: Förderung der christlichen Kunst und Pflege der christli chen Kunst überhaupt; Belehrung über die Kunst durch Vorträge und Aufsätze; Grün dung eines Diözesan-Museums; Veranstal tung von Kunstausstellungen; tunliche Ent fernung alles Unwürdigen und Unpassenden aus den Kirchen; Erforschung, Beschreibung und Abbildung hervorragender Kunstwerke; die möglichste Erhaltung derselben und Her stellung neuer Kunstwerke im christlichen Geist und Stil. Das Bischöfliche Ordinariat ernannte am 19. März 1859 in der Person des Herrn Kano nikus und Kanzlers Josef Schropp den ersten Vorstand des Vereines, der sich „DiözesanKunstverein unter dem Schutz des heiligen Lukas" nannte. Am 18. Oktober desselben Jahres, also am Fest des Vereinspatrones, wurde die erste Generalversammlung gehal ten, bei der der engere Ausschuß gewählt wurde. Zu diesem gehörten: die Domherren Augustin Rechberger, Dr. Jakob Reitshammer und Dr. Johann Schiedermayr, die Äbte Alois Dorfer von Wilhering, Jodok Stülz von St. Florian und Theodorich Hagn von Lam bach, Domprediger Georg Arminger, Domsa kristeidirektor Franz Gugeneder, die Profes soren Josef Angermayr (später Domherr), Josef Grandauer, Dr. Josef Lechner, Dr. Max Pammesberger, Gustav Schaller, Statthalterei-Sekretär Josef Edlbacher, die Schulräte Josef Gaisberger (von St. Florian) und Adal bert Stifter, Musterlehrer Josef Kerschbaum, Lehrer Engelbert Lanz, Chorvikar Dr. Franz Waldeck und Gemeinde-Bauamts-Ingenieur Anton Waldvogel. Zum Vorstand-Stellvertre ter wurde Prof. Pammesberger, zum Schrift führer Domprediger Arminger und zum Säckelmeister Musterlehrer Kerschbaum er nannt. Dazu kam je ein korrespondierendes Mitglied aus den 28 Dekanaten. Große Ver dienste um den jungen Verein und um die christliche Kunst in unserer Diözese über haupt erwarben sich, wie diese Namensliste dartut, die Stifte des Landes, voran jene im Zentralraum von Oberösterreich, St. Florian, Kremsmünster, Lambach und Wilhering. Als Vereinsorgan wurden die „Christlichen Kunst blätter" geschaffen.^ Der Verein blühte rasch auf: bei der Grün dung am 18. Oktober 1859 zählte er bereits 250 Mitglieder, ein Jahr später 500, zum grö ßeren Teil aus dem Klerus der Diözese. Als Vorstand des Diözesankunstverelnes — manchmal, aber durchaus nicht immer auch als Redakteur der „Christlichen Kunstblätter" — fungierten bis zur Jahrhundertwende fol gende Herren, sämtlich aus dem Weltklerus der Diözese: Kanonikus und Kanzler Josef Schropp (1859—1869), Domscholaster Dr. Jo hann Schiedermayr (1869—1875), Domdechant Friedrich Baumgarten (1875—1882), Domscholaster Josef Angermayr (1882 bis 1892), Msgr. Dr. Matthias Hiptmair, Theologie professor (1892—1901), Kanonikus Msgr. Balthasar Scherndl (seit 1901, t 1922).® Der Diözesankunstverein Im Wandel der Zelt und der Kunststile Der Kunstverein der Diözese Linz machte na türlich die Strömungen und Auffassungen über die christliche Kunst mit, die auch sonst im deutschen Raum und darüber hinaus herrschten. Der Verein war in der Amtszeit und mit Förderung des großen Linzer Bi schofs Franz Joseph Rudigier (1853—1884) Ins Leben gerufen worden. Es war die Zeit, da die großen Dome des Mittelalters, die im Bau steckengeblieben waren, voll ausgebaut wur den, z. B. in Köln und Regensburg. 1855 kün digte Bischof Rudigier den Bau eines neuen Domes In Linz an; im Hirtenbrief sagte er, der Dom solle im gotischen oder byzantinischen Stil erstehen. Damals stand der Professor der Moraltheologie und Gründer des Linzer ka tholischen Gesellenvereines, Dr. Maximilian Pammesberger — später erster Redakteur der „Christlichen Kunstblätter" — in regem Kontakt zu Köln; er erlebte dort den Weiter bau des Domes und wurde mit Vinzenz Statz bekannt, der es ohne Akademiestudium vom Zimmermannslehrling zum Kölner Dombau meister gebracht hatte. Unter Pammesber23

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