Die mittelalterlichen Grabplatten der Losensteiner in Garsten Benno Ulm Im Mittelalter lebt die Menschheit mit dem Tod, mit der Angst vor dem Sterben. Nicht so sehr die Furcht, das Leben in der schönen Welt verlassen zu müssen, als die vor dem Jüngsten Gericht, vor den Qualen des Fege feuers oder dem ewigen Tod der Höile. So wird das irdische Leben zu einer Durch gangszeit und zur Vorbereitung auf das Ge richt und die letzten Dinge. Deshalb ist der Tod allgegenwärtig in der mittelalterlichen Gemeinschaft; inmitten des Gemeinwesens liegen die Friedhöfe um das Pfarrgotteshaus, die oft mehrmals täglich durchschritten wer den müssen, um die zahlreichen Gottesdien ste besuchen zu können. Hier begegnen die Menschen den Gräbern der Vorausgegange nen und auf den Altären erleben sie die Le genden der Heiligen, deren Tugenden und Martern ihnen vorbildhaft dargestellt werden. Die Macht der Kirche zielt bewußt auf die Ängste der Menschheit, wenn sie immer den Tod zur Schau stellt und die Öffentlichkeit am Sterben des einzelnen teilnehmen läßt. Durch Glockengeläut werden die Mitmen schen aufgefordert, am Versehgang teilzu nehmen, das Leichenbegängnis auch des armen Mannes wird immer eine Zurschau stellung des Todes. Die Totenmessen und die Vigilien am dritten,siebenten und dreißigsten Tag reihen sich durch das ganze Jahr wie eine Perlenschnur. Im Totenkult bedingen einander Materielles und Geistiges, das Ge schäft mit dem Überirdischen bedingt schließlich die Kunstblüte des Mittelalters. In zahlreichen Testamenten der Vermögen den sind die vielfältigen Seelgeräte überlie fert, die durch materielle Hilfsmittel und Spenden an die Armen Gebet, Fürbitten und Gedenken nicht nur für den Erblasser, son dern für alle armen Seelen erflehen. Es sind geistige Seelheilstiftungen für Messen und Andachten, materielle Stiftungen von Altä ren, Kapellen, Ewigen Lichtern und Lichtsäu len, liturgischen Geräten und Paramenten, Gemälden, Votivtafeln und Glasfenstern. Sie dienen der Erinnerung und der ununterbro chenen Mahnung zum Gebet. Ablaßwesen, Prozessionen und Wallfahrten werden bis zur Ekstase gesteigert. Der Reichtum kommt im Kult des Todes auch den Armen zugute. Er wird aber vor allem sichtbar in der Prachtent faltung der Herrschenden. Es war im Christentum stets das Bestreben, in nächster Nähe des Heiligtums bestattet zu werden, die Gräber drängen sich von außen an die Kirchenmauern. Hervorragenden Geistlichen,Stiftern und adeligen Wohltätern eines Gotteshauses werden Gräber in der Kirche gewährt, in Klöstern auch Grablegen im Kreuzgang erlaubt. Nach dem Vorbild der herrschenden Ge schlechter richtete auch der wohlhabende Adel eigene Grablegen für seine Familie ein — als Kapeilenzubauten an die Kirchen oder als selbständige Grabkapellen. In ihnen wur den nur Familienangehörige bestattet, zum Ruhme des einzelnen innerhalb der Familie. Auf daß der Name auf ewige Zeiten bewahrt bliebe wurden Grabplatten über die Grabgru be gelegt, Waffen, Fahnen,Totenschilde und Epitaphien in Form von Gemälden an der Wand,auf Holz als Tafelbilder oder als Glas malereien in den Fenstern gestiftet. Diese Verknüpfung mit der Person des Verstorbe nen befriedigte den Hang zur privaten Eitelkeit. Die steirischen Otakare, die das Markgrafen amt von den Lambachern übernommen hat ten und sich nach der Hauptburg Steyr an der Enns „marchiones de Stire" nannten, hatten 1082das Kloster Garsten als Kollegiatstift ge gründet. Durch Otakar II. wurde dieses 1107 mit Benediktinern von Göttweig aus besie delt. Bereits vor 1122 ist eine Laurentiuska pelle urkundlich bezeugt, in der ein Ministe rialengeschlecht, das sich nach der Burg Steyr nannte,seine Grablege einrichtete. Seit 1192 tritt in den landesfürstlichen Urkunden ein Brüderpaar Gundaker und Düring auf; Gundaker ist der Stammvater des Ge schlechtes der Starhemberger, Düring jener der Losensteiner. Die Trennung der beiden Familien erfolgte um 1220 nach ihrem Tode. Ihr Vater mit Namen Gundakar wird 1147 als Vogt des Klosters Garsten erwähnt. Da die steirischen Otakare aber als Gründer des Klosters die Vogtei wohl nie aus der Hand ge geben haben dürften,im Georgenberger Ver trag 1186 versprachen, dies auch in Zukunft nichtzu tun,dürfte essich wohl um eine stell vertretende Vogtei gehandelt haben. Jeden falls diente die Laurentiuskapelle den ge meinsamen Vorfahren der Starhemberger und Losensteiner als Familienbegräbnis. Der oben erwähnte Düring wird schon um 1190 nach der Feste Losenstein benannt. Die bestehende, barocke Losensteiner Ka pelle wurde am 18. Oktober 1692 mit der Kon sekration des Aitares zu Ehren des hi. Seba stian (an Stelle des hl. Laurentius) fertiggestellt. Initiator des Neubaues war der letzte männliche Losensteiner „Herr Franciscus Antonius. — Anfangs Domb-Herr zu 01mütz und Passau gewesen/hernach aber Domb-Propst daselbsten/ und zu Olmütz zum Coadjutore des daselbstigen Bischofs erwählt. Endlichen aber (nachdeme sein Herr Bruder gestorben/ mithin die sammentlichen Losenstainische Herrschaften und Gü ter auf Ihme als den einigen und letzten sei ner Uralten Familiae gefallen) von Kayserl. Majestät in des Reichs-Fürsten-Stand erho ben worden. Als aber endlichen auch dersel be Anno 1692 die Schuld der Natur bezahlet/ ist auch mit Ihme dise Uralte herrliche Familia völlig erloschen." Die alte Kapelle war wegen „Baufälligkeit" bereits 1686 abgebrochen worden. Es ist nicht bekannt, aus weicher Zeit, romanisch oder gotisch, der Altbestand stammte und auch bei der Restaurierung und Trockenlegung 1975/76 wurden, obwohl der Boden einen Meter tief ausgegraben wurde, keine Bauuntersuchungen durchgeführt. Franz Anton Graf von Losenstein hatte zum Neubau 900 Gulden bereitgestellt, um die Ka pelle zum Andenken der gemeinsamen Vor fahren der Losensteiner und Starhemberger von Grund auf neu zu errichten. Auch lagen damals noch die Gebeine des Stifterpaares Markgraf Otakar II. von Steyr und seiner Ge mahlin Elisabeth in dieser Grablege. Zu nächst war ein achteckiger Zentralbau vorge sehen gewesen, dessen Entwurf Carlo Antonio Carlone aus Italien übersandt hatte. Schließlich entschieden sich die Bauherren für einen rechteckigen Saal. Die mittelalterli chen Grabplatten wurden wieder in den Fuß boden eingefügt, erst 1885/86 gehoben und an die Wände versetzt. Der ehemalige Gonservator der k. k. Centrai-Gommission Widter war der erste, der 1875 auf die Bedeutung der Grabsteine hingewiesen hatte, der Historiker Fr. X. Pritz beschäftigte sich schon 1841 mit dem Kapellenbau. Nach der Neuversetzung der Steine publizierte der verdienstvolle Er forscher österreichische Grabdenkmale Karl Lind diese in verschiedenen Zeitschriften. Er berichtigt gleichzeitig die falschen Lesungen von Johann Georg Adam Freiherrn von Hoheneck, die er 1747 in seiner Genealogie der Stände in dem Erzherzogtum Österreich ob der Enns (Dritter Teil) veröffentlicht hatte. Beschreibung der Grabplatten ihrem Alter nach: 1. Rotmarmorplatte, stark abgetreten, oben glatt, auf dem abgekanteten Rand Spuren einer Umschrift als Vertiefungen, in denen sich metallene Buchstaben befanden. Um schrift in gotischen Majuskeln nach Hohen eck und Lind: Anno MCGGXLIV in vigilia inventionis sancti stephani(nach Hoheneck S. Grucis) obiit hartnidus de Losenstain. 2. Rotmarmorplatte mit der Umschrift in goti schen Majuskeln: Anno Domini/MGGGLV. in crastino. beati. Lav/rentii. Perch/toldus. de. Losenstain. Obiit. Im vertieften Mittelfeld(Ka stenraum) ein gegen rechts (heraldisch) schief gestellter Dreieckschild, dessen Ober kante leicht eingezogen ist. Die beiden Sei tenteile sind beiderseits stark ausgebaucht. Der Panther darin steigend, der Hals gleich einem Schwanenhals flach gestreckt, der Kopf gleich einem Pferdeschädel,die Vorder füße mit Adlerkrallen, die Hinterfüße ähnlich Löwentatzen, der aufwärts gestellte Schweif dreigeteiit. Über der linken Ecke des Schildes 61
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