Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 1, 1985

Diefrühe Monumentaidarsteilung des Sieges vor Wien von 1683 in der ehemaligen Stiftskirche von Garsten Maximilian Grothaus I In der Orgelempore der schönen, hochba rocken Kirche des ehemaligen Benediktiner stiftes von Garsten In Oberösterreich befin den sich drei Fresken und acht Stuckbüsten, die sich auf den Sieg gegen die Türken, der 1683 In der Entsatzschlacht vor dem belager ten Wien errungen wurde, beziehen. Die Fresken zeigen Ereignisse, die sich vor, wäh rend und nach der Schlacht zugetragen ha ben sollen, die Büsten stellen bedeutende Persönlichkelten dar, welche sich um den Sieg verdient gemacht haben. Dieses Tri umphdenkmal entstand zwischen 1684 und 1685 Im Zuge des Neubaus der Kirche (1677—1685/Neuelnwelhung/1693)und Ist die älteste Monumentaldarstellung der Entsatz schlacht von 1683. Fresken und Büsten sind schon mehrmals Im Rahmen größerer und kleinerer Beschrei bungen des Stiftes und der Kirche erwähnt worden.^ Die vor zwei Jahren gefeierte 300. Wiederkehr der zweiten Türkenbelage rung Wiens und die diesjährige Landesaus stellung In Garsten geben Anlaß, diese Triumphdarstellungen In einem eigenen Arti kel zu beschreiben und deren Bedeutung würdigend hervorzuheben. Das größte der drei Fresken,das an die Rück wand der Kirche, hinter der Orgel, gemalt wurde,zeigt die Entsatzschlacht(Abb. 1 und 2). Rechts und links davon sieht man In den Bogenfeldern der Seltenwände die Huldi gung ungarischer Fürsten vor Kara Mustafa und Thököly (Abb. 3) und die Besichtigung des Zeltes Kara Mustafas durch Kaiser Leo pold I. und Karl V.von Lothringen(Abb.4). Die beiden letzteren Fresken wurden biswellen Irrtümlich als „Tökölys Huldigung vor Kara Mustafa" und „Huldigung der Türken vor dem Kaiser" bezeichnet.^ Diese Fresken wurden höchstwahrscheinlich von dem aus Schwaz/Tlrol stammenden Maler Johann Carl von Reslfeld (1658—1735) geschaffen. Dieser war seit dem 17.11.1684 in Garsten als Hofmaler tätig und wirkte bis zu seinem Tode 1735 Im Stift.® Die Autorschaft Ist allerdings bis jetzt nicht zweifelsfrei geklärt, weder Si gnierung, noch Datierung sind an den leider stark beschädigten Fresken zu bemerken." Eine ohnedies dringend notwendige Restau ration könnte darüber vielleicht mehr Er kenntnisse liefern. Alle drei Fresken wurden wohl nach den Vor lagen der Radierungen (Abb. 5—T)des hol ländischen Malers und Radierers Romeyn de Hooghe(1645—1708)gemalt.® Zwei Fresken, nämlich jenes der Entsatzschlacht und der Besichtigung des Zeltes Kara Mustafas durch Kaiser Leopold I., könnten aber auch auf die Kupferstiche des Antwerpener Stechers Ja kob Peeters zurückgehen.® Die bislang in der Literatur vertretene Ansicht,^ wonach die Kupferstiche des vergleichsweise unbedeu tenden Antwerpener Stechers Jakob Peeters Nachahmungen der Radierungen von R. de Hooghe seien,wurde neuerdings In einer Pu blikation von Günter Dürrlegl In Frage ge stellt.® Dieser vertritt darin die Ansicht, daß von den zehn bekannten Blättern zur Wiener Türkenbelagerung nur zwei aus der Hand de Hooghes stammten, während die anderen acht von Jacob Peeters herrühren sollten.® De Hooghe seien demnach nur jene zwei Blätter zu verdanken, welche „politische" Themata, wie Dürrlegl es nennt^®, darstellen, nämlich das erste und das zehnte: die Huldi gung der Ungarn vor Kara Mustafa und die Besichtigung des Türkenlagers durch Kaiser Leopold I. Tatsächlich hatten aber sowohl Peeters, als auch Hooghe jeweils zehn Blät ter, die einander gleichen, geschaffen, Hoog he die Radierungen, Peeters die Kupfersti che.^^ Wer nun die ersten Blätter entwarf, kann hier nicht festgestellt werden, anzuneh men Ist wohl,daß die Autorschaft bei Hooghe lag. Dessen Radierungen sind erstmals 1684 erschienen, allerdings nicht In Paris, son dern In Brüssel.^® Für die Fresken von Gar sten Ist diese Unterscheidung der Blätter von Hooghe und Peeters Insofern von Belang,da durch einen genauen Vergleich der Fresken mit den Blättern de Hooghes und Peeters die Vorblldhaftigkelt der Kupferstiche des letzte ren zumindest In dem Garstener Fresko aus geschlossen werden kann, das die Huldi gung der Ungarn vor Kara Mustafa und Thököly zeigt. Der entsprechende Kupfer stich von Peeters zeigt das Geschehen spie gelbildlich zu den Darstellungen In Hooghes Stich und Im Garstener Fresko,^" womit nur Hooghes Stich als Vorlage In Betracht gezo gen werden kann (vgl. Abb. 3, 6). Solche Darstellungen, egal ob Kupferstiche oder Radierungen, fanden In Flugschriften europaweite Verbreitung, die auch In der Habsburger Monarchie rezipiert wurden, wie die Garstener Fresken beweisen. Die Illustra tionen entsprachen mit den Texten,denen sie beigebunden waren, einem zu dieser Zelt ausgeprägten Informationsbedürfnis über militärische, politische und gesellschaftliche Ereignisse. Dieses Informationsbedürfnis war mit der Bildung der Bevölkerung eng ver bunden, welche wiederum von demographi schen,sozialen und kulturellen Faktoren ab hängig war.^® Gerade am Beispiel der zweiten Türkenbelagerung läßt sich ein gro ßes Interesse an den Ereignissen um. In und vor Wien beobachten, das In einer beinahe unüberschaubaren Flut von Libellen und Traktaten publizistische Verbreitung fand.^® Zu diesen Flugschriften und Flugblättern ge hörten auch die Blätter von Hooghe und Pee ters. Als bildliche Informationen berichteten sie einerseits von dem, was geschah, ande rerseits kolportierten sie — bewußt und unbe wußt — die triumphalen, propagandistischen und polemischen Türkenbilder, die dem Lob und der Repräsentation der am Entsatz Wiens beteiligten europäischen Monarchen und Feldherrn dienten.^'' Ein Vergleich der graphischen Vorlagen mit den Fresken macht die starke Anlehnung des Malers an die Blätter de Hooghes deutlich. Abgesehen von einigen Details zeigen die Fresken wenig Individuelle Kreativität Reslfelds. Das größte, die Entsatzschlacht vor stellende Fresko Ist hauptsächlich auf jenes Blatt de Hooghes bezogen, das die angebli che Eroberung der „heiligen" oder „großen" Fahne durch die Kavallerie unter der Führung des Polenkönigs Johann III. SobleskI zeigt.^® Die Szenerle rechts und links davon scheint aus zwei anderen Blättern de Hooghes ent nommen zu seln.^® Im Hintergrund rechts taucht das Stadtbild von Wien auf, dessen charakteristisches Merkmal, der Stephans dom, beherrschend herausragt. Diese Ge schichte der Eroberung der Heiligen Fahne Ist ebenso erfunden und unrealistisch, wie die Themen der beiden anderen Fresken,be ziehungsweise der graphischen Vorlage de Hooghes:die Huldigung der Ungarn vor Kara Mustafa und Thököly(Abb.3)und die Besich tigung des Zeltes von Kara Mustafa(Abb. 4). Solche Darstellungen dienten — wie schon erwähnt — weniger der Information, als der Propaganda und des Triumphes.®® Es Ist be zeichnend, mit welcher Ausdrucksstärke In solchen Darstellungen übergeordnete,vorge gebene Werte und Haltungen Ins rechte Licht gerückt wurden. Hier empfängtder„hochmü tige" und „stolze" Großwesir Kara Mustafa — neben Ihm ohne Zweifel Emmerich Thököly — Schlüssel, Gold und Huldigung. Dort wird mit beinahe ebenso Intensiver Theatrallk und Gestik, die wir heute als Charakterlstlka des Barock empfinden, der triumphale Einzug Kaiser Leopolds I. In das Zelt des besiegten Großwesirs vorgegeben. Feine, sensible An spielungen verleihen diesen Szenen noch einen besonderen Reiz,dem esan Grausam keit und Erotik nicht entbehrt. Dort sieht man hinterlassene „Haremsdamen", gefesselte, niedergeschlagene, um Gnade bittende Tür ken, hier werden die Huldigungseide der un garischen Magnaten durch drohende,säbel schwingende Schergen beschleunigt. Dahinter wird In offensichtlicher Anspielung auf das zeitgenössische Verständnis von der Islamischen „Ungläubigkelt" ein Mönch er schlagen. Oberhalb des von Akanthusranken gerahm ten Hauptfreskos befinden sich die oben 39

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