Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 1, 1985

Die Bauherren von Garsten Erich Widder Die Entwicklung eines Ortes durch Jahrhun derte oder gar durch ein Jahrtausend zu ver folgen, ist nicht nur für den Historiker reizvoll, die Ergebnisse solcher Forschungen bilden die Grundfesten eines gediegenen Heimat bewußtseins. Dieses ist wieder gefragt, erst recht am Beginn des noch sehr Ungewissen Atomzeitalters. Das ist aber keine Flucht aus der Gegenwart; wer kein Verhältnis zur Ver gangenheit hat, besitzt auch keine Fracht für die Zukunft. Mit der Nennung der Tauf- und Pfarrkirche Garsten in der Nähe der Styraburg beginnen unter Bischof Pilgrim von Passau auf der Mi stelbacher Synode die tausend Jahre. Diese Kirche war Johannes dem Täufer und dem Erzmartyrer Stephanus geweiht und be stand, jeweils nach den Bedürfnissen und Moden der Zeiten verändert, bis zum Jahre 1793, in dem sie nach dem Verkauf im Zuge derjosephinischen Klosterreform abgerissen wurde. Garsten war zur Zeit der Mistelbacher Synode noch Sierning zehentpflichtig, nach wenigen Jahrzehnten wie die Mutterkirche dem Passauer Bistum einverleibt. Steyr war als landesfürstliche Stadt bis 1122 Sitz der Otakare, deren Aussterben im Jahre 1192 die Babenberger auch in der Steiermark zur Regierung brachte. Vielleicht ist diese Tatsache manchem Zeitgenossen erst vor den schönen Schaubildern und Karten in der Babenberger-Ausstellung im Stift Lilienfeld zum Bewußtsein gekommen, daß der Traungau verhältnismäßig spät babenbergisch,be ziehungsweise österreichisch, geworden ist. Otakar II. hat dann in Verhandlungen mit sei nem Gesinnungsgenossen im Investiturstreit Bischof Altmann von Passau seine Eigenkir che Behamberg gegen Garsten einge tauscht, wo er ein Kollegiatstift gründete, das er im Jahre 1107 in ein Benediktinerstift um wandelte. Der frühere Prior von Göttweig, Berthold, der vorher Mönch in St. Blasien im Schwarzwald war und der Ministerialen schicht der Babenberger entstammte, hat bis zu seinem Tod am 28. Juli 1142 als tüchtiger, umsichtiger, dabei aber auch aufrichtig be scheidener und hilfsbereiter Abt diese Grün dung zu einem großen Aufschwung geführt. Diese Charakterisierung ist dem Werk des unermüdlichen Biographen Bertholds, Josef Lenzenweger, entliehen, das die Grundlage der Kultanerkennung für den hl. Berthold am 8. Jänner 1970 durch Papst Paul VI. bildete, nachdem esschon eine solche im Jahre 1236 durch Bischof Rudiger von Passau gegeben hatte. Zu Lebzeiten des Abtes Berthold gab es neben der Pfarrkirche schon eine Stiftskir che mit Holzdecke, also ohne Gewölbe, die wahrscheinlich um 1080 erbaut, sowie die Laurentiuskapelle im Kreuzgang,die bald zur begehrten Begräbnisstätte wurde. Das Grab Bertholds wurde Pilgerziel,schließ lich stand das Hochgrab, das auch als Mau soleum bezeichnet wurde, vor der Ostkrypta, beziehungsweise vor dem Aufgang zum Presbyterium. Nur sehr dürftige Nachrichten liegen über den gotischen Kirchenraum vor, der von 1300—1616 bestand. Die mittelalterli che Stiftskirche war ein bescheidener, dem Hirsauer Typus entsprechender Bau: eine querschifflose Pfeilerbasilika mit verlänger tem und über den beiden Seitenschiffen er höhtem Mittelschiff, am Westgiebel befand sich ein Dachreiter. Über das Äußere der Kir che sind wir immerhin durch das Modell am Stiftergrab unterrichtet. Die drei Ostchöre wa ren polygonal geschlossen, nach der Lage der Fenster des Hauptchores war das Presby terium gegenüber dem Mittelschiff erhöht und die altertümlichen Rundfenster des Oberlichtgadens lassen vermuten,daß die al ten Mauern der romanischen Stiftskirche mit verwendet waren. Die Äbte Ulrich III. Widmer und Otto haben zwischen 1294 und 1333 die Erbauung und Einrichtung durchgeführt. Der Grabstein dieses Abtes Otto blieb als einziger erhalten, weil er später als Altarplatte diente. 1347 wurden die Gebeine der Stifter in einem gemeinsamen Hochgrab vereinigt, das mit der Tumbaplatte Otakars vom Hochgrab aus der Laurentiuskapelle bedeckt wurde. Vor dreihundert Jahren stand es auf der Evange lienseite beim Kreuzaltar, heute befindet es sich in der Nische beim Benediktusaltar. Um 1330 entstand auch die Tumbaplatte für das Bertholdgrab, deren große Liegefigur den Heiligen in gotischer Kasel mit Abtstab und Regelbuch zeigt. Auch die dritte große Sand steinfigur der Anna-Selbdritt im heutigen Sa kristeigang ist 1340 für den Annenaltar der Stiftskirche geschaffen worden. Noch ein be rühmtes Werk der Gotik aus der Werkstatt des Meisters von Großlobming ist in Garsten erhalten, das Vesperbild des frühen 15. Jahr hunderts, das noch die alte Bemalung zeigt und derzeit in der Losensteinerkapelle aufge stellt ist. Das 16. Jahrhundert bescherte die Äbtetafel mit 38 Porträts, in denen Abt Wolfgang Kron fuß seine 38 Vorgänger darstellen ließ. Ein Vers auf dem Grabstein dieses Abtes klingt schon nach der Reformation, die in Steyr be reits Fuß gefaßt hatte. Das Drama der ver suchten Marienbildverbrennung im Jahre 1565 ist noch im Kern der„Wunderbaren Mut tergottes" beim Marienaltar verewigt,es han delt sich um eine Überarbeitung einer roma nischen Madonna, an deren Rückseite sich zwei knieende Stifterfiguren zu Füßen des Marienthrones mit Brandspuren erhalten ha ben, noch einmal Otakar und Elisabeth aus ' der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, ver borgen hinter der Schauseite von 1768. Das als Hinweis auf die schwersten Zeiten des Klosters Garsten in den Stürmen der Glau bensspaltung, wo es richtig in seiner Exi stenz bedroht war. Die späteren Haushistori ker von Garsten, Seraphim Kirchmayr und Leopold Till, haben die Worte Bertholds auf dem Sterbebett für diese Zeit gedeutet: „Nach meinem Weggehen wird es an diesem Orte keineswegs an Widerwärtigkeiten feh len, ja es wird den Anschein haben, als sei diese ohnehin kleine und unansehnliche Nie derlassung stark zurückgegangen. Aber durch die Gnade Gottes wird das Kloster sich rasch wieder erheben und das Ansehen eines besonderen Hauses gewinnen." Garsten stand im'Zeichen der Gegenreforma tion ab 1574, als der Kaiser den Prior von Melk, Johann Spindler von Hofeck, ansteile des abgesetzten Abtes Georg II. Lochmayr berief. Nur noch drei Brüder waren der katho lischen Religion treu geblieben,die Abtrünni gen wurden vom Abtgezwungen,das Kloster zu verlassen und bald fanden sich auch jun ge Kräfte. Zehn Novizen traten unter Abt Spindler in Garsten ein. Es war allerdings viel schwieriger,die Reform über die Klostermau ern hinauszutragen, aber der Abt ließ sich nicht entmutigen und wurde im Jahr 1589 noch zum Abt in Kremsmünster bestimmt, von wo er weitere zwei Jahre das Kloster ad ministrierte. Der freigewählte Nachfolger Martinus Alopitius führte in Weyer, Gaflenz und sogar in Steyr wieder den katholischen Gottesdienst ein und ging dann als Abt nach St. Lambrecht. Von Wilhering kam im Jahre 1600 der neue Abt Alexander a Lacu, der schon ein Jahr spä ter nach Kremsmünster berufen wurde. Mit ihm begann schlagartig das Bauen, bezeich nenderweise mit einem Fischbehälter. Abt Jo hann Wilhelm Heller hat den Kreuzgang mit hellen Fenstern versehen, in denen die letz ten Reste der beschädigten alten Glasgemäl de eingesetzt wurden. Es gab in Garsten wohl auch eine Werkstätte für Glasmalerei wie im Bruderkloster Gleink, von wo im Stift Hohenfurt in der Handschrift des Heinrich Hagwalder um 1250 Rezepte für Glasfarben verzeichnet sind. Die Widmung des BertholdLegendenbildes,das sich heute in der Sakri stei befindet,ereignete sich zur Namenstags feier des Abtes im Jahre 1612. Wieder ein Spindler, Abt Anton II., der vorher Prior in Melk war,ein Neffe von Abt Johann I., regierte anschließend von 1614 bis 1642. Das Zusammenwirken mit dem neuen Burggrafen von Steyr, Baron Siegmund von Lemberg,si cherte den vollen Erfolg der Gegenreforma tion; der Abt unternahm trotz der Unruhen und Gefahren des Dreißigjährigen Krieges die erste umfassende Erneuerung der Stifts11

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2