eine Rolle spielen oder spielen möchten, ein wahres Lebenselixier, denn Humor ist in summa das Zusammenspiel alles Klugen und Guten und wie wohl würde dies der Menschheit bekommen. Der große russische Romancier Dostojewski hat einmal geschrieben, daß man am Lachen eines Menschen seinen Charakter besser erkennen könne als durch viele psychologische Untersuchungen. Wenn dies stimmt, was nicht zu bezweifeln ist, dann könnte die Psychologie in arge Nöte geraten und viele ihrer mehr oder weniger begabten Jünger würden am Hunger tuch nagen. Da aber die meisten Menschen immer noch so verklemmt und verkrampft lachen, daß es einem im Herzen weh tut, brauchen sich die Seelenärzte keine Sorgen um ihre Existenz zu machen. Sage mir, wie, wo, wann und worüber du lachst und ich kann dir sagen, was du für ein Mensch bist, entscheiden auch in Zukunft die Psychotherapeuten. Ich hoffe, daß die wahrhaft Berufenen unter ihnen soviel Humor besitzen, um über diese kleine, etwas boshafte Bemerkung lachen zu können. Es liegt wahrscheinlich an den derzeitigen Verhältnissen, daß der Humor nicht mehr jene Wärme ausstrahlt, die wir so nötig hätten. Aber unsere Wohlstandsgesellschaft leidet an Gefühlskälte. Die Menschen sind zwar erschreckend sentimental geworden, aber ihre echten Gefühle lassen sie verkümmern. Daher auch das Verebben des echten Humors. Alle Situa tionen unseres Lebens mit seiner Hilfe zu meistern, ist eben eine geistige imd seelische Leistung, zu der nur Menschen fähig sind, die ihre Kraft aus dem unversiegbaren Quell ihres Herzens schöpfen. Der Humorvolle übersieht das Unzulängliche dieser Welt nicht, er versucht es zu meistern und lenkt seinen Blick auf das Gute und Schöne. Er toleriert die großen und kleinen Eseleien seiner Mitmenschen, weil er als Realist auch um seine eigenen weiß. Er delektiert sich an der Freude, wie der Mißmutige an der Schadenfreude. Er lacht niemanden aus, sondern alle an. Und er lacht, auch wenn kein Grund dazu vorhanden ist, weil er weiß, wie ge sund das Lachen ist. Eines ist sicher: Je gefestigter eine Gesellschaftsord nung ist, desto mehr Freiheit haben die Menschen mit Humor und je mehr Humor es auf der Welt gibt, desto fröhlicher und menschlicher wird unsere Zeit sein. Warum aber, so frage ich mich, machen die wenigsten davon Gebrauch? Humor ist eben nicht, wie ich einmal las, eine Fertigkeit, die man erlernen kann, obwohl ich zugeben muß, daß sich die Menschen immerzu im Lachen üben sollten. Diesen Vorschlag zu Lachübungen hat übrigens schon vor mehr als einem Jahrzehnt ein amerikanischer Humorist ge macht und diesen auch gleich in die Tat umzusetzen versucht. Er hat da mit begonnen. Lachschulen — und Büchereien zu gründen; das heißt, er hätte sie gerne eröffnen wollen, aber es wurde nichts daraus. Ja, er wollte sogar einen Welt-Lach-Kongreß einberufen. Dieser besagte Mister Lewis bat alle Staatsmänner der Welt, ihren Mitbürgern mit gutem Beispiel vor anzugehen und sich seiner Lachtherapie zu unterziehen, die vorschreibt, frühmorgens und spätabends je drei Minuten in den Spiegel zu schauen und über das, was man da sieht — seine eigenen Unvollkommenheiten, Passionen, Allergien, Dümmlichkeiten — herzlich und andauernd zu la chen. Die Staatsmänner haben, wie zu erwarten war, nicht geantwortet. Sie würden es auch heute nicht tun, dafür nehmen sie sich, bis auf wenige Ausnahmen, viel zu wichtig. Die Idee aber, finde ich, ist auch heute noch faszinierend und vielleicht wichtiger als je: Eine Lachschule für die Mißmutigen und Galligen, damit sie dort lernen, daß Heiterkeit vor allem aus einem gütigen Herzen her ausblüht und daß man oftmals auch dann lachen soll, wenn einem nicht danach zumute ist; denn „Humor ist, wenn man trotzdem lacht". Dieses allseits bekannte Zitat von Otto Julius Bierbaum sollte man sich fest ein prägen, denn im Wörtchen „trotzdem" liegt der Schlüssel zu einem lebens bejahenden Dasein. Besonders zu empfehlen wäre die Erziehung zum Humor auch jungen und alten Eheleuten, denn die meisten Ehen zerbrechen an deren Humorlosigkeit. Eine gute Ehe ist immer auch eine humorvolle, denn man kann sich — wenn die Schwierigkeiten noch so unüberwindlich erscheinen — zwar aus ganzem Herzen zusammen —, nie aber auseinanderlachen. Da alle Aspekte der menschlichen Gesellschaft von der Antike bis zur Ge genwart sich auch in den unvergänglichen Werken der großen Humori sten der Weltliteratur widerspiegeln, ist es wohl angebracht, sich wenig stens fragmentarisch in der Galerie der lachenden Weisen und poetischen Spaßmacher umzusehen. Führen wir uns dann und wann einmal in klei nen Dosen als wirksame Arznei gegen Mißgunst und Neid, Traurigkeit und Verdruß einen Boccaccio und Shakespeare, einen Rabelais, Moliere und Goldoni, einen Nestroy und Raimund und die vielen anderen Mei ster des Humors zu Gemüte, so schöpfen wir wieder jene Lebensfreude, die wir alle so notwendig brauchen. Hoffen wir, daß in uns immer das rechte Maß an gesunden Säften vor handen ist, das uns auch in den miserabelsten Zeitläuften gute Laune und Fröhlichkeit schenkt. Befolgen wir den Ratschlag Friedrich Kaisers, in dem wir als Alchimisten der Lebenskunst versuchen, „aus dem unedlen Metall,Bosheit' das edle ,Humor' zu machen", denn wenn wir ihn als ur eigenstes Element besitzen, dann haben wir jene Freiheit erlangt, die es uns ermöglicht, unsere disharmonische Welt ein wenig harmonischer zu gestalten. 87
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2