Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 4, 1984

Historische Kunst Burgkapelle Raabs a. d. Thaya, Kreuzaltar als Baum des Lebens, um 1710, mit spätgotisctiem Kruzifix und barocken Assistenzfiguren. — Foto: Bundesdenkmaiamt Wien Magdaienaberg, Bezirk Kirchdorf, Pfarrkirche, Kreuzaitar mit freier Knorpeiwerkrahmung, 3. Viertel 17. Jahrhundert. — Foto: Eifriede Mejchar Ohrmuschelstil erscheinen sogar in Schrei nerbüchern des 17. Jahrhunderts (bei Cam mermeier und Unteutsch), die den Zusam menhang mit dem Manierismus deutlich offenlegen.Manieristische Eigenschaften wirkten schließlich grundsätzlich selbst noch in der hochbarocken Akanthusschnitzerei nach, wie die aus den Ranken anthropomorph hervortretenden, grotesken Fratzen am Ranshofener Kirchengestühl zeigen. Ganz besonders läßt sich dies auch für die Rankenaltäre zufolge ihres kunstgewerbli chen Charakters geltend machen, der die Verwendung des Begriffs „Monstranzaltäre" vollauf rechtfertigt, und der eine dementsprechende Brücke zu den Altären des Weilheimer Künstlerkreises des frühen 17. Jahrhun derts schlägt (z. B. Hochaltar der Stiftskirche Stams in Tirol von Bartholomäus Steinle 1609—1613, an dem der Baum der Erkennt nis, der Stammbaum Mariens und der Baum des Lebens darstellerisch verschmolzen sind). Andererseits ist nicht zu bestreiten, daß die ornamentgeschichtliche Entwicklung zum naturalistischen und dynamischen Akanthuswerk ohne Impulse aus dem italienischen Hochbarock, insbesondere aus der Orna mentik Pietro da Cortonas, Gianlorenzo Berninis und seines „Dekorationsingenieurs" Jo hann Paul Schor, kaum denkbar gewesen wäre.^^ Aus eben diesem römischen Künst lerkreis, besonders von dem Tiroler Schor, stammt nun auch eine Reihe von Entwürfen für Fest- und Triumphwägen, die ausschließ lich aus großen, Girlanden und Füllhörner einschließenden Akanthusblättern zusam mengesetzt sind, denen allegorische Figuren in einem bewegten Gesamtduktus zu- und untergeordnet sind.''® In dieser Entfaltung des Akanthus vom bloßen Ornament zum konstruktiven, strukturellen Element von glei cher Gegenständlichkeit wie die Bildwelt der Figuren, die er einschließt, lernen wir die kon stituierenden Eigenschaften der späteren Rankenaltäre und somit auch ihre künstleri schen Quellen kennen. Solche Prunkwägen fanden schließlich ihren Niederschlag in deutschen Stichwerken (z. B. Mathias Echter, Raccolta di varij cappriccij, 1679) und bemer kenswerterweise waren die Triumphwägen 63

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