Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 4, 1984

Historische Kunst ■1 p 1 ¥ Seitenstetten, Niederösterreich, Stiftskirche, Drelfaltigkeltsaltar mit dem Akanthuswerk untergeordneten Seitenfiguren (hll. Augustinus und Thomas von Aquin) von F. J. Feuchtmayr, Altarblatt datiert 1697. — Foto: Bundesdenkmalamt Wien fragen.Das in mancher Hinsicht unmittel bar vergleichbare Ast- und Laubwerk der Spätgotik, das zwei Jahrhunderte zuvor in ähnlich naturalistischer, freier und räumlich ausgreifender Weise die Schnitzaltäre, Kieinarchitekturen oder Gewölbeausmalungen beherrschte, konnte im Hinblick auf die bildli chen und literarischen Interpretationen des Paradiesgartens als himmlische „Laube" ver standen werden.^® Jedoch nicht nur, daß Im Barock die Vorstellung vom hortus conclusus nicht geläufig war und überdies kein direkter Entwicklungszusammenhang mit der Spät gotik bestand, sprechen auch die Quellen ausschließlich von „durchgebrochenen Zie raden" und „Laub-Werck".^"* Daß das Numinose der Pflanzenwelt wiederum doch nicht ganz einem reinen Formalismus gewichen sein kann, beweist die sinnreiche Ausnut zung des neuen Altartypus im Falle der Kreuzaltäre, wofür der Kapellenaltar der Burg Raabs Im Waldviertel vom Anfang des 18. Jahrhunderts ein Beispiel ist. Das Kruzifix er scheint von Akanthusranken wie von einem Baumwipfel umfaßt, so daß wie bei den mysti schen Astkreuzen der Gotik die alte christli che Vorstellung vom Baum des Lebens entsteht. Da es sich bei den Akanthusaltären im allge meinen aber offensichtlich nicht um konkret gewählte Symbolformen handelt, versuchen wir, Ihren künstlerischen Sinn aus der ent wicklungsgeschichtlichen Genese zu erhel len. Karl Ginhart hat das Auftreten des Laub werks als Ornamentform in den siebziger/ achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts als eine mit gesetzmäßiger Stetigkeit voran schreitende Mutation des vorhergehenden Knorpelwerks dargestellt.^® Nun gab es zur Zeit des Knorpelwerkstils eine Reihe von streng architektonischen Altären, die außen herum von frei ausladenden, durchbroche nen Ornamentschleiern wie von Glorioien eingesäumt wurden (z. B. Hochaltar der Stiftskirche Gleink 1664, Hochaitar der Pfarr kirche St. Marein bei Horn 1685 in Über gangsformen zum Akanthus). Vorzugsweise im kleineren Format entstanden darüber hin aus schon einige Beispiele von Altären, die in manieristischem Stilempfinden ein Überwu chern und Ausschalten der Architektur durch Ornament zeigen (z. B. Honorat Koib Grabal tar in der Klosterkirche Seeon von Martin und Michael Zürn 1636/37). Als unmittelbare ge netische Vorstufe der Akanthusaltäre sind wohl jene architekturlosen Blldrahmenretabel zu bezeichnen, die von mehr oder minder üppigem Knorpelwerk ornamental umfaßt und strukturiert werden, wie der Kreuzaltar der Kremsmünsterer Stiftspfarre Magdalena berg aus dem 3. Viertel des 17. Jahrhunderts. Entwurfsmuster für architekturlose Altäre im 62

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