Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 4, 1984

Historische Kunst Links: Ranshofen, ehemalige Stiftskirche, Blick in die Chorwölbung mit Akanthusstuck von M. Saiieitner und J. Schmidt 1697 und Fresken von 0. Lehri 1697/98 (Legende des Kirchenpatrons Pankratius sowie Embiemata). - Foto: Eifriede Mejchar Rechts: Ranshofen, ehemalige Stiftskirche, Chorempore mit Heiiigengestaiten des Augustiner-Chorherren-Ordens. — Foto: Elfriede Mejchar stiger Vater war der gelehrte Propst Ivo Kurzbauer, Doktor der Theologie und Magi ster der Philosophie. Die in der Folge 1702 herausgegebene Festschrift „Saeculum Octavum" mit dem Bericht von den Feierlichkei ten dokumentiert das Selbstbewußtsein, das aus der jahrhundertelangen Tradition des Hauses und seiner Bewährung in der Ge schichte geschöpft wurde. Legitimität auch historisch durch hohes, weit über die Refor mationszeit zurückreichendes Alter zu be gründen, war der Gegenreformation geläufig. Der glanzvolle Abschluß des 8. Säkulums wird als ein Beweis für die göttliche Vollkom menheit der Achtzahl gewertet. Das 17. Jahr hundert wird als jene glückliche Zeit be schrieben, in der, beginnend mit der Straffung der Klosterdisziplin, die alten monastischen, pastoralen und kulturellen Funk tionen des Klosters wiederhergestellt, zur Blüte gebracht und durch die Erneuerung der Stiftskirche gekrönt wurden.^ Außer dem Stiftsjubiläum selbst stand die Aufnahme zweier zu diesem Anlaß 1697 aus den Katakomben Roms als vermeintliche Märtyrer gehobenen, heiligen Leiber im Mit telpunkt des Festprogramms, wie sie seit An fang des 17. Jahrhunderts zu Tausenden ge borgen und dann mit Namen und Beglaubi gungszertifikaten versehen wurden. In kost bare Klosterarbeiten eingehüllt und in Glas schreinen an den Seitenaltären ausgestellt, dienten sie — „Marius" und „Goelestin" — dem katholischen Traditionsnachweis durch die Verbindung zum Urchristentum, dienten in diesem Sinne der Legitimation katho lischer Heiligenverehrung, ferner dem Bezug zum päpstlichen Rom und auch der Rehabili tation des Reliquienkultes, die in einer gera dezu mittelalterlichen Mehrungssucht der lokalen Reliquienschätze mündete. Die ka tholische Schar heiligmäßiger Tugendvorbil der wurde so durch greifbare Blutzeugen konkretisiert."* So war das Programm der Festdekoration für die große Hauptprozession vom 24. August 1699 großteils den beschriebenen Hauptmo tiven gewidmet. Die Ehrenwägen bildeten ikonographisch einen Zug durch die Stiftsge schichte mit der Darstellung der Gründer und Förderer sowie derjenigen Adelsgeschlech ter, die mit der Wahl ihrer Grablege im Stift dasselbe durch ihr Vertrauen und Dotationen unterstützten. Als sinntragender Höhepunkt erschien auf dem letzten „Siegeswagen" die thronende Ecciesia triumphans, um den un verbrüchlichen Bestand des Stiftes zum all gemeinen Beweis der eigenen Stärke zu er heben. An den Triumphpforten, welche die Prozessionsstraße säumten, wurden die Stif ter und Wohltäter, die heiligen Stiftspatrone und nun insbesondere auch die neuen Kata kombenheiligen durch allegorische Darstel lungen und eine Vielzahl von Embiemata als Tugendvorbilder in einem allgemeinen, ab strakten Sinn vor Augen gestellt. Die Kirchenausstattung bildet eine geradezu nahtlose Fortsetzung dieses Festprogramms. Am Hochaltar stehen einander Kaiser Hein rich II. und seine Gemahlin Kunigunde ge genüber, die 1025 über das Landgut Ransho fen und die dazugehörige Pfalzkapelle wie über Eigenbesitz verfügten; überdies diente das heiliggesprochene Kaiserpaar der ba rocken Ikonographie im allgemeinen als Symbolfiguren für herrschaftliche Förderung von Kirchen und Klöstern. Kaiser Arnulf als Gründer der Pfalzkapelle (896/898), Kaiser Heinrich III. als angeblicher Gründer der Pfarre (um 1040), Herzog Heinrich IX. von Bayern und Erzbischof Konrad I. von Salz burg, die nach der Überlieferung 1125 das Augustiner Chorherrenstift einrichteten, Her zog Heinrich X. als Vollender der hochmittel alterlichen Klosteranlage und schließlich Propst Ivo Kurzbauer, der die barocke Er neuerung ihrem Höhepunkt zuführte, sowie Franz Adam Edler von Ambsham, der 1697 durch Schenkungen die prunkvolle Kirchen ausstattung ermöglichte, sind durch beschrif tete Wappen kartuschen auf dem Chorge stühl repräsentiert. Der wohlbestallte Zustand des Stiftes am Ende des 8. Säku lums wird in drei Deckenbildern mit Stiftsan sichten, einschließlich eines bemerkenswer ten Einblicks in das erneuerte Kircheninnere, dokumentiert, die sich unterhalb der Orgel empore unmittelbar in der Eingangszone und damit in jenem Bereich befinden, der in den großen, im Grunde fast schematisch geord neten Ausstattungen des 17. Jahrhunderts gewohnheitsmäßig dem mahnenden Hinweis auf die Auserwähltheit und Ehrwürdigkeit des durch geschichtliche Tradition gefestigten, heiligen Ortes gewidmet ist. 59

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