Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 4, 1984

Porträt Alfred Cavar (1859—1920) nach einem Ölbild von Arthur Kurtz 1894, neben seiner Tätigkeit als Direktor des Landestheaters Linz auch Leiter des Sommertheaters Gmunden. Foto: H. G. Prillinger Links: Innenraum des Stadttheaters Gmunden in seinem gegenwärtigen Zustand. — Foto: H. G. Prillinger hatte einen wehrlosen Zivilisten aus beleidig ter Ehre niedergeschlagen. Darauf behaupte te ein Journaiist, daß Schnitzler durch diesen Vorfall zu seinem Stück angeregt werden wäre, was natürlich unsinnig war. Und dann bei einer Aufführung in Breslau kam es zu einem Zwischenspiel, als die Offiziere im Zu schauerraum das Theater demonstrativ ver ließen. Aber im Salzkammergut im Sommer darauf verlief alles in ruhigen Bahnen, nicht zuletzt dank der vorbereitenden Berichterstattung, vor allem im „Gmundner Wochenblatt": „Die in unserem Saisontheater in den näch sten Tagen stattfindende Erstaufführung des Schauspieles 'Freiwild' von Arthur Schnitzler bildet eine 'Sensation' in des Wortes wirkli cher Bedeutung, insoferne dieses Stück, wel ches im vorigen Winter in ganz Deutschland Aufsehen erregte und von meisterlicher Be obachtung und tiefster Menschenkenntnis zeugt, hier die überhaupt erste Aufführung an einer österreichischen Bühne erlebt." Was war eigentlich so „aufregend" am Inhalt? „Ohne den Zuschauer mit einer langen Expo sition zu plagen, versetzt er uns mitten hinein in jene Theaterverhältnisse, welche eine eigene Speeles von Kunstjüngern und Jünge rinnen und dramatischen Sciavenhaltern er zeugen und denen die Kunst zum Deckman tel für Geschäftspraktiken niedrigster Art dient. Welchen Gefahren, Hindernissen und Bedrängnissen ein der Bühne angehöriges, junges, braves Mädchen ausgesetzt ist, und wie es mit vielen von ihren Kolleginnen und Kollegen in puncto künstlerischem Streben und sittlichem Halt besteilt ist, wird dem Zu schauer lebenswahr geschildert. (. . .) Arthur Schnitzler hat seinem Thema aber noch ein anderes, eigentlich weit interessanteres und mehr zeitgemäßes Gepräge aufzudrücken verstanden: Die bürgerliche Ehre im Kampfe mit der Officiersehre." (20. 7. 1897). Die Direktion ließ ansonsten verlautbaren, daß das Stück „in sorgfältiger Besetzung und fleißigster Vorbereitung" in Szene gesetzt werde. Und diesem Vor-Urteil schlössen sich die lokalen Kritiker bereitwillig an. Im „Gmundner Wochenblatt" vom 27 Juli 1897 konnte man beispielsweise folgendes lesen: „Auch an diesem Abend war das Haus aus verkauft und erzielte diese gehaltvolle Novität (...) gieichwie in Deutschland einen durch schlagenden Erfolg, was wohl nicht zum ge ringsten Theil auf Rechnung der sorgfältig vorbereiteten Darstellung zu stellen kommt." Als obligater Schlußsatz: „Der Vorstellung wohnte Prinzessin Mary von Hannover und der Autor des Stückes Herr Arthur Schnitzier bei." Auch der Rezensent der „Salzkammergut-Zeitung" (25. 7.1897) konnte seine Begei sterung nicht verbergen. Er war in guter Ge sellschaft, denn seine Besprechung beginnt nämlich so: „Ein großes theatralisches Ereig nis bildete letzte Woche die am Donnerstag stattgefundene Erstaufführung des Schau spieles .Freiwild' von Arthur Schnitzler. Das Haus war total ausverkauft und selbst ihre königl. Hoheit Prinzessin Mary von Hannover wohnte mit sichtlicher Befriedigung der Vor stellung an." Der Kritiker schließt prophetisch: „.Freiwild', welches im letzten Winter in ganz Deutschland Sensation hervorrief, wird bald auch die österreichischen Bühnen beherr schen." Das Stichwort „beherrschen" wird im folgenden Jahr wiederkehren, aber zunächst stellt sich die Frage, ob der Autor Schnitzler sich dem Enthusiasmus der Kritiker anschlie ßen konnte. Schnitzier war im Grunde ge nommen mit der Aufführung nicht unzufrie den. In seinem noch unveröffentlichten Tagebuch notierte er am selben Tag: „Ge spielt wurde nicht so schlecht als nach zwei Proben zu vermuthen gewesen. — Der Erfolg war stark." Am Tage nach der österreichischen Erstauf führung im Stadttheater Gmunden schrieb der Dramatiker an Marie Reinhard folgendes: „Nun, mein Schatz, ist noch über gestern zu berichten. Ich fuhr mit Richard (BeerHofmann) nach Gmunden; waren in einer Loge bei Freiwild; ausverkauft (Regen), gro ßer Beifall. Ich versuchte vergebens incognito zu bleiben; bald kam der Direktor und bat mich, wenigstens nach dem 3. Akt herauszu kommen, was ich natürlich nicht that. Ich ging nur auf die Bühne und sagte einigen ver diente, andern unverdiente Liebenswürdig keiten. (...) — Das Stück misfiel mir nicht, dagegen waren einige ungeheuerliche Aenderungen geschehen — (■■■)■ Übernachte te in einem herrlichen allzureich möblirten Salon (Hotel Schiff) — in der früh %7 nach Ischl zurückgefahren." Schnitzier kehrte im April 1903 nach Gmunden zurück und wohn te, wie zuvor, im Hotel Schiff. Auf welche „un geheuerliche Änderungen" Schnitzier an spielt, wird sich kaum mehr feststeiien lassen. Die Kunde von der Theatersensation auf der Gmundner Bühne drang nur sehr spärlich in die k.k. Haupt- und Residenzstadt. Nur das „Neue Wiener Journal" (im Gegensatz zur „Neuen Freien Presse" und dem „Neuen Wiener Tagblatt") wußte am 25. Juli 1897 vom „theateralischen Ereigniß der Saison" zu be richten. „Das Stück fesselte das zahlreich er schienene Pubiicum, worunter sich Prinzes sin Mary und Don Alfonso befanden, vom Anfang bis zum Ende." Die gute schauspiele rische Leistung und die „vorzügliche Inscenierung" des Regisseurs Rudoif Lenoir hat ten zum „durchschlagenden Erfolge" beigetragen. 53

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