Friedrich Hebbel — von Wesseiburen über Wien nach Gmunden Elfriede PrIIMnger Sommerbild Ich sah des Sommers letzte Rose stehn, Sie war, als ob sie bluten könne, rot; Da sprach ich schaudernd im Vorübergehn: „So weit im Leben ist zu nah am Tod!" Es regte sich kein Hauch am heißen Tag, Nur leise strich ein weißer Schmetterling; Doch ob auch kaum die Luft sein Fiügelschlag Bewegte — sie empfand es und verging." Paris, 31. August 1844 Manche Wege sind verschlungen. Orte und Ereignisse, die kaum als Einheit gedacht wer den können, überschatten einander mit einer gemeinsamen Zukunft, von der sie noch nichts wissen; doch die notwendigen Konse quenzen gehen unter der Oberfläche unbeirr bar ihren Weg. Friedrich Hebbels Beziehung zu Gmunden gehört in diese Kategorie der anscheinend vorbestimmten Zufälle. Lange, bevor er in Gmunden eigene Rosen pflanzte, schrieb er das Gedicht „Sommerbild" — und bald, nachdem er sein Sommer-Haus bezo gen hatte, erfreuten ihn die Freunde schon mit einem kleinen Teppich für das Gmundner Studierzimmer. Es war Zerline Gabillon, die ihm dieses Geschenk mit folgenden Zeilen übersandte: „. . . Ich habe versucht, den Ro senflor im Park Hebbel zu Gmunden auf diesem Stramin wiederzugeben und hoffe, daß eine Porträtähnlichkeit nicht zu verken nen ist! . . ." Bis dahin jedoch war der Weg des am 18. März 1813 in Wesselburen geborenen Dich ters dornenvoll genug. Mit 22 Jahren, am 23. März 1835, hatte Heb bel mit Tagebucheintragungen begonnen. Sein erstes Heft leitete er mit einem sonder baren und bemerkenswerten Vorwort über „einen späteren Biographen, den zu finden er sicher sei" ein — die Eintragungen in den fol genden Jahren offenbaren Hebbels reiche, aber auch leicht verletzliche Innenwelt, seine Gedanken, Vorstellungen und Reflexionen; sie beleuchten gleichzeitig seine überaus tri sten Lebensumstände. Not, Entbehrung und Unverständnis auf der einen Seite — auf der anderen gleichzeitig Überempfindlichkeit und unbezwingbares Verlangen nach geisti gem Wissen, nach Achtung, nach Anerken nung — dies alles kennzeichnet den Dichter von den ersten Zeilen an als eine Persönlich keit mit höchster dramatischer Begabung, die nur in der dichterischen Darstellung die Lösung seelischer Probleme erreichen und finden könne. „Eine Erfahrung von Bedeutung glaube ich über mich selbst im letzten Jahr gemacht zu haben . . .", schreibt Hebbel während seiner bitteren Wanderjahre in München am 31. DeFotoporträt Friedrich Hebbel. — Sämtliche Abbildungen aus dem Stadtmuseum Gmunden. Fotos: H. G. Prillinger zember 1836, als er das vergangene Jahr noch einmal bedenkt, in sein Tagebuch, „ . . . daß es mir durchaus unmöglich ist, et was zu schreiben, was sich nicht wirklich mit meinem geistigen Leben aufs Innigste verket tet . . ." und er fügt noch mit vollem Selbstbe wußtsein hinzu: „. . . Ebenfalls fühl' ich mich jetzt. . . vom Innersten heraus zum Dichter bestimmt. . ." Als solchen Dichter versucht er sich zu profi lieren und er erreicht dies sogar, wenn auch nur in geistiger, nicht jedoch in materieller Hinsicht. Eine erste Aufführung seiner „Ju dith" ereignete sich am 1. Dezember 1840 in Hamburg, im Juli 1841 erschien das Drama im Druck. Am 1. März des gleichen Jahres hatte er die „Genoveva", am 29. November den „Diamant" vollendet, der erste Band „Ge dichte" wurde 1842 gedruckt, im gleichen Jahr auch „Genoveva". Es war also eine rei che dichterische Ernte schon in jungen Jah ren — aber die wirtschaftlichen Sorgen wur den immer drückender. Im Jahre 1843 setzte Hebbel seine große Hoffnung auf ein Reise stipendium des dänischen Königs, das ihn über Paris nach Rom, Sizilien und nochmals nach Rom führte. Der künstlerische Erfolg: Gedichte, Epigramme, Pläne für ein „Trauer spiel in Sizilien". Daneben viele harte menschliche Erfahrungen. Und dann kam Wien. Als Friedrich Hebbel im November des Jah res 1845 dort ankam, seelisch und körperlich über alle Maßen verbittert, verstört und ver zweifelt — war er dennoch als Verfasser vie ler Gedichte und Dramen durch Veröffent lichungen in literarischen Zeitschriften und Jahrbüchern den schöngeistigen und den Theaterkreisen des deutschen Sprachraums bestens bekannt. Die Kunde von seiner An wesenheit verbreitete sich daher auch in Wien sehr rasch, wo er als einen seiner er sten Bewunderer den Schriftsteller Sigmund Engländer (1828—1902) antraf; trotzdem ge dachte Hebbel nur einige Tage in der Stadt zu bleiben. Was ihn dann, entgegen der ur sprünglichen Absicht, nach Berlin weiter zu reisen, in Wien zurückhielt, waren zum Teil vage Vorstellungen. Nur zu bald mußte er er kennen, daß er nichtssagende Floskeln und flüchtig hingestreute Andeutungen für bin dende Versprechungen gehalten hatte. Le diglich eine überschwängliche Devotion pol nischer Literaturfreunde brachte trotz ihrer — wie sich einige Jahre später herausstellte — eigenartigen Fragwürdigkeit das unerwartete Geschenk, das dem aller äußeren Notwen digkeit entblößten Dichter den Übertritt in eine daseinswürdige Lebensweise ermög lichte. Endlich hatte er genug zu essen, end lich entsprechende Kleidung und ein würdi ges Logis. Die wie einem Märchen entstam mende Begegnung Hebbels mit den Brüdern Zerboni — um die es sich hierbei handelt — wird von den Biographen und Literarhistori kern nicht zu Unrecht als „Wunder von Wien" bezeichnet. Ausgehend davon verfestigte sich ein kaum gewagter Wunsch; in dieser Stadt zu bleiben. Und Hebbel blieb — Wien wurde für ihn ein neuer Brennpunkt. Hier begann seine Voll endung. Hier begann erstaunlicherweise — weil völlig unbewußt — auch seine Bezie hung zu Gmunden. Denn zu den eigenarti gen Zufällen, die Hebbels Option für Wien begleiteten, gehörte auch der Umstand, daß er schon in den ersten Wochen auf Men schen traf, die ihm freundlich gesinnt waren und dies auch blieben — die aber ihrerseits schon genau so wie er selbst eine unbewußte Tendenz zu Gmunden in sich trugen. Doch blieb der Begriff der Traunseestadt sowohl bei Hebbel wie bei seinen verschiedenen Freunden nur eine latente Möglichkeit. Zuerst sollte der menschliche und der dramatische Teil seines Lebens gefestigt werden. Zu den ersten Wiener Bekanntschaften Heb bels zählte der Schriftsteller (und Theater arzt) Dr. Ludwig August Frankl (1810—1894). Dieser Mann, der einige Jahrzehnte später eine wichtige Rolle im Geistesleben der Stadt Gmunden spielte, befaßte sich in einem Brief wechsel mit Anastasius Grün unter anderem 43
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