Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 4, 1984

worden sind. So werden viele dieser Melo dien immer noch im Wege des Vor-und Nach spielens überliefert. Dieser Umstand war es, der Mitte der zwanzi ger Jahre Raimund Zoder und Kari M. Klier bewegte, die damals in Vergessenheit gera tende Kunst des Schwegelns zu neuem Le ben zu erwecken. Für den Maria-Himmel fahrtstag des Jahres 1925 hatten sie alle Pfeifer des Salzkammergutes zu einem Tref fen aufgerufen. Aus diesem kleinen Volks musikfest — damals auf der Blaa Alm — wo für das Vorbild der mittelalterlichen Pfeifertage möglicherweise Pate gestanden haben mag, ist bald ein lebendiger Brauch geworden. Seither kommen jeweils am Frau entag (15. August) die Seiteipfeifer des gan zen Saizkammergutes auf einer Alm oder bei einem tuniich frei und einsam gelegenen Wirtshaus zusammen. Diese Pfeifertage sind gleichsam zum Um schlagplatzfür Musikanten und Melodien ge worden. Da sitzen die Schwegier um die ein fachen Tische oder hocken auf Feisbrocken im Almboden und spielen sich gegenseitig alte, ältere oder schwierige Landler und Jod lermelodien vor. Eine Rarität darunter ist ein Fünfachteistück, das nur die ganz Geübten unter ihnen richtig zusammenbringen. Von älteren Schwegiern wird erzählt, daß sie „ihre" Stückl wohl vorgespielt, dabei jedoch vermieden hätten, daß andere Pfeifer sie er lernen und nachspielen konnten. Ihr ver meintliches Besitzer- oder Autorenrecht schützten sie in der Weise, daß sie dem Zuhö rer immer nur abgewandt geschwegelt ha ben, damit man die „Griffe", das heißt die Fin gersätze, nicht sehen und nachahmen konnte. Solche Schutzmaßnahmen sind allerdings unwirksam geworden, seit alljährlich Scharen von Tonbandjägern einfallen und alles, was sich während eines Pfeifertages an Weisen, Liedern und Gesprächen bietet, aufnehmen und heimtragen. So setzt sich die einstige Funktion des Pfeifertages, nämlich Um schlagplatz zu sein, in technisch veränderter Form fort. Geblieben ist die Gelegenheit, einen „Gspan" zu finden. Die in ihrer Intona tion zwangsläufig etwas unscharfen Instru mente können nicht nachgestimmt werden. Für ein Zusammenspiel müssen somit zwei oder drei Instrumente, soweit es geht, zusam menpassen und bei den Pfeifertagen bietet sich dann auch die beste Gelegenheit, einen Partner, den Gspan, zu entdecken. Wohl eine der allerersten Übertragungen der Ravag, Vorgängerin des ORF, führte 1929 An dreas Reischek vom damals fünften Pfeifer tag durch. Von Bad Ischl aus mußte eigens eine 12 Kilometer lange Feldtelephonleitung auf die Blaa Alm im oberösterreichischsteiermärkischen Grenzgebirge gelegt wer den. In einem Bericht der „Wiener Zeitung" vom 20. August 1929 wird das Ereignis ein „anziehender Akkord von alt und neu, moder ne Wissenschaft und Technik im Dienste der Bewahrung und Verbreitung schlichter Volks kunst" gepriesen. Dort heißt es weiter, daß das Programm, weil es in alle Weit gesendet wurde, bekannt wäre, doch die Stimmung dieses einzigen Nachmittags letztlich un übertragbar sei. In der Tat hat die Stimmung dieses Neubrauches bis heute nicht nachge lassen. Auch der Pfeifernachwuchs dürfte durch die seit 1966 eingerichteten Pfeiferwo chen gesichert sein. Eine von Adolf Ruttner erarbeitete „Schwegeischule" und von Lois Blamberger gesammelte und aufgezeichnete „Pfeifermusik" haben die Bestrebungen um die Erhaltung dieses Musizierbrauches aufs wirksamste unterstützt. Gerade in diesem Zusammenhang soll nicht versäumt werden, auf die vom Amt der oö. Landesregierung, wie auch vom Institut für Volksbildung und Heimatpflege und von meh reren daran angeschlossenen Arbeitsge meinschaften und Vereinen vielfältig und seit Jahren konsequent beschrittenen Wege zur Beschäftigung mit der heimischen Volksmu sik, als auch der Beherrschung der dabei ver wendeten Instrumente hinzuweisen. Semina re für das Spiel auf Saiten- und Blasinstru menten, Kurse für Tanzimusik und Volkstanz, Alm- und andere Singwochen finden sich über das ganze Jahr verstreut in den Plänen der zuständigen Institute, nicht zuletzt auch in denen der Landwirtschaftskammer, des Pädagogischen Institutes, des Verbandes der Trachtenvereine und mancher anderer Verei nigungen. Der nun als Brauch anzusehende Pfeifertag löst obendrein eine andere Frage aus; näm lich, was Fest und was Brauch ist. Im Falle des Seitelpfeifertages ist das nun tatsächlich nicht ganz leicht zu definieren. Wesentlicher Zug eines Brauches ist nicht sein äußerer Ab lauf, sondern daß sein an einen bestimmten Termin gebundener Sinngedanke verbindlich bleibt, daß er gewisse Personenkreise inner lich verpflichtet, ihn wahrzunehmen. Nun trifft dies bei den Pfeifertagen doch eher zu als die bekannten Merkmale eines echten Fe stes. Obgleich auch dafür sicherlich ein the matischer bzw. aktueller Anlaß immer gege ben sein muß und ein dementsprechender Personenkreis dazugehört, werden Feste zu meist doch mehr durch den Umstand ge prägt, daß sich ihr Ablauf über mehr als einen Tag erstreckt und sich deshalb mehrere Schauplätze ergeben. Mit Ausnahme der Kir chenfeste liegt im allgemeinen auch kein Grund zu ihrer regelmäßigen, termingebun denen Wiederholung vor. Feste sind nicht wie Bräuche an Gemeinschaften, wohl aber an Menschenmengen orientiert, woraus sich auch ergibt, daß für Festteilnehmer kaum das Gefühl eines inneren Verpfiichtetseins be steht. Vielleicht, daß sie von einer Art Hoch stimmung erfaßt werden? Veranlaßt durch Volksmusik haben sich aller dings auch manche Feste mit fixierten Ab iaufformen eingebürgert. Abgesehen von herkömmlichen Anlässen, wie etwa dem Bergfest in Ischl oder die Schützenmahie, Volksfeste, Kirtage, geht es dabei um Veran staltungen, in deren Mittelpunkt die Volksmu sik selbst und ihre Interpreten stehen. Solche Anlässe werden nicht Feste genannt, son dern ganz schlicht als Tage oder Treffen be zeichnet. Man liest von Musikantentreffen und Musikantentagen. Eingebaut in ihren Ab lauf sind Totengedenken und Kirchgänge, Vorbeimarsch an Ehrentribünen, die Überga be von Urkunden, Fahnenbändern, Höhe punkte sind Festmähler und das gesellige Festplatztreiben. Eine gewisse Regelmäßigkeit zur Abhaltung solcher Treffen hat in Oberösterreich erst der Rundfunk mit Aufrufen herbeigeführt, als es ihm darum ging, geeignete Gruppen im Lan de zu finden, die dann in seinen Sendungen verwendet werden konnten. Anlaß dazu gab indirekt der eingangs er wähnte „Bedarf", das Verlangen nach Volks musik in Hörerkreisen. Da galt es, Ausschau nach neueren Volksmusik- und Voiksliedwelsen zu halten. Allein das ORF-Studio Ober österreich verfügt heute über Tausende Volksmusik-Eigenaufnahmen, die vorwie gend im Zuge derartiger Voiksmusikantentage zustande gekommen sind. Seit nunmehr zwölf Jahren gilt übrigens jeweils das dritte Wochenende im November als Termin für diese Tage, die längst nicht mehr als bloße Angelegenheit des Rundfunks angesehen werden. Man reist zu einem „Jahresfest" der Voiksmusikanten an. Angesichts des Termines in der Nähe des Cäcilientages, der nicht nur von Kirchenchören, sondern häufig auch von Blasmusikkapellen berücksichtigt wird, ließe sich möglicherweise ein Zusammen hang vermuten, obgleich auch „Kathrein" als Endtermin für Tanz und Lustbarkeit in diese Zeit fällt. Sei es wie immer; die Volksmusikan tentage sind inzwischen ein richtiges Fest ge worden, das unverkennbar brauchtümiiche Anzeichen erkennen läßt. Ihr Vorbild hat seine Nachahmung in einigen Musikanten treffen der Landesviertel wie auch einzelner Landschaften oder Bezirke gefunden. So werden zum Beispiel die „Innviertier Musi kantentreffen" inzwischen schon durch fort laufende Ordnungszahlen gekennzeichnet. In einem Bericht über das zweite Treffen, zu dem bayrische und oberösterreichische 29

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2