Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 3, 1984

Der Sommer ist vorbei November Das Bienenkraut hängt müde in den Gärten. Ein schwerer Regen hat es tief zur Erde hin gebogen. Das Gold der kleinen Blüten ist nun stumpf. Und nur vereinzelt noch ein Zweig, der aufrecht steht. Die Liebe machte den vergangnen Sommer uns so hell. Dann haben Schatten unbarmherzig alles Strahlende verdunkelt. Wir zögerten, das rechte Wort blieb ungesagt. Und lautlos drehte sich das Rad der Zeit. Die Gegenwart wurde Erinnerung. Das Bienenkraut hängt müde in den Gärten. Bald wird des Gärtners Schnitt, des Herbstes Sturm die schlanken Stengel brechen. Bleibt dann kein Zweig, der allen Stürmen standgehalten? Nein — keiner bleibt. Der Sommer ist vorbei. Vergebens suchen wir nach dem Verlorenen. Lag nicht noch gestern Duft von reifen Äpfeln und allerletzten Rosen in der Luft? War nicht der Himmel klar und hielt der Wind nicht inne, damit die Stille dieser Tage ungestört sei? Ja — das war gestern, doch heute peitscht er die naßkalten, grauen Wolken vor sich her, bricht gnadenlos die bunten Blätter von den Zweigen, die letzte Frucht vom Baum. Und alle Farben wischt sein Regentuch hinweg. Da ist ein stummer Aufschrei: Die Frage nach dem Licht liegt über allem Land. Doch Antwort kommt erst nach dem langen, tiefen Schlaf. 92

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