Der Wald Der Traum Es spricht der Wald: Tritt ein in meinen grünen Dom mit Ehrfurcht und alles Laute halte fern. Die Erde schütze ich vor heißer Sonnenglut. Die Vielfalt kleinen Lebens hüte ich und Herberge geb' ich dem Vogel und dem Wild. Ich spende euch die Nahrung für das Feuer. Doch wehe dem Menschen, der seine Axt dem Baume ansetzt aus Habsucht nur und Willkür. Ich bin der Wald, ihr sollt mich achten, mißbraucht mich nicht. Verwundet habt ihr mich bereits mit Waffen, deren Gifthauch sich auf meine Kronen, meine Nadeln und mein Laub gelegt. Kehrt um, denn schon hat Pan die Flöte weggeworfen — erbebend von dem Anblick kahler Äste, die lautlos klagend sich zum Himmel recken. Kehrt um, eh' es zu spät! Denn wer mich tötet, vernichtet sich auch selbst. Ich träumte einen Traum von einer heilen Welt: ich trank vom silberhellen Wasser einer Quelle, ich pflückte längs des Weges Beeren rot und schwarz und glänzend — ohne Staub. Ich nahm vom Apfelbaum die süße Frucht im Mantel makelloser Schale. Am See verlor mein Blick sich in der klaren Tiefe der Gewässer und unbetreten schien das Ufer mir; so unberührt die Rosen auf dem See. Der Wald stand hoheitsvoll in seinem golden — braunen Herbstgewand. So stark — kein Erntezug schlug Wunden ihm — erbarmungslos sein Angesicht verwüstend. Die Luft war rein und frisch, bisweilen nur durchtränkt vom Dufte vieler Blumen. Es gab nichts Fremdes auf den Wegen, die ich ging. Nichts, was die Sinne hätte stören können. Es war, als würde eine tiefe Sehnsucht nun gestillt, als hätte die Erfüllung alle Dinge ringsumher erfaßt. Es lag ein Friede auf der ganzen Schöpfung. Ein Frieden, den es auf der Erde nicht mehr gab. Und dann erwachte ich. Mir war, als hätte ich ein Paradies verloren. Ihr werdet mich verlachen und einen Träumer nennen. Sei's drum — ich war für kurze Zeit in einer heilen Welt. Vom alten Turm Weit das Land weit der Blick und auch der Himmel weit und hell. Wer vom Turm in die Welt schaut, dem verbirgt sich manches Geröll. 90
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