Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 3, 1984

Kunst der Gegenwart p-u;- i"' März 1929 (Stephan Seidler hat dieses Zel tungsblatt In seinem Tagebuch abgelegt) lesen wir u. a.: „. . . es gehört zum Begriffe dieses Namens, daß er auf seine Umgebung, auf das künstle rische Stigma der Stadt, In der Habermann lebte und ein Mittelpunkt von Künstlern war, auf den Wandel oder auf das Aufhalten von Kunstanschauungen stärker wirkte als sonst einer seiner Kreise. Es gehörte zu dem auf je den Fall außerordentlichen Maltemperament dieses Künstlers, dem selbst da ein leichtes und fortwirkendes Spiel von Kräften blieb, wo er über den Inhalt und das ursprüngliche Wollen flüchtiger hinwegging. Es gehörte vor allem zu dem Geist — oder wer Ihn kannte, wird sagen — zu dem Esprit dieses mit Non chalance weltbürgerlichen. In den Adel zäh lenden Künstlers. Schon dies — und dahin gehört auch noch die cheveraleske Zähigkeit, mit der er etwa die zunehmenden Beschwer den der Altersjahre über sich nahm — zeigte Ihn als Künstlertypus aus einer anderen Zelt . . ." Aus einer anderen Zelt! Diese journalistische Formulierung hat sich als zeltbeständig er wiesen. Für uns besitzt dieser Künstler mit seinen Frauenbildnissen, Atelierinterieurs, Landschaften und Stilleben, mit seinem „de Links: Mühlviertler Landschaft, Öl auf Karton, 27 X 29 cm, links unten signiert Rechts: Bück von der Schioßbergstiege auf die alte Donaubrücke, Studie, 42,5 x 30 cm, rechts unten datiert 1922 korativen Individualismus" nur mehr kunstge schichtliches Interesse. Für Stephan Seidler war er verehrte Gegenwart. Er muß auch ein ganz hervorragender Lehrer, ein Schöngeist und eine hochgebildete Persönlichkeit gewe sen sein. In Seidlers Tagebuch finden sich viele Eintragungen über die Begegnungen des Studenten mit seinem Meister. Eine Notiz vom 3. Oktober 1926 erscheint besonders charakteristisch. Sie belegt die Beobach tungsgabe Seidlers und seine Bereltschaft zur Aufnahme von schönen Eindrücken: „Heute nachmittag ging Ich, da es so warm war, spazieren und traf B(aron) Habermann. Er lud mich gleich ein, mit Ihm In sein Atelier zu kommen, was Ich gerne tat. Dort zeigte er mir an der Hand einer Anzahl Studien und Skizzen seine Maltechnik — gab mir alle seine Gehelmnisse kund ... Er erzählte frisch, war überhaupt heute besser beinan der, obwohl er sich noch recht matt fühlt. Von Plloty, der In seinen letzten Lebensjahren sein Lehrer war, von Böcklln, Lenbach, Pettenkofen u. a. Paul Heyse war sehr stolz. Ich erzählte wieder von Bruckner — Florian u. Schlägl. So kamen wir dann auf religiöse Themen, die wir längere Zelt erörterten ... Es war ein schöner Nachmittag — einer der weiJ Kasten, Studie, 34 x 27,7 cm, rechts unten signiert und datiert: Kasten 1914, St. Seidier 74

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