Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 3, 1984

Kunst der Gegenwart Anders steht es mit dem Versand größerer Öl bilder! Gerade jetzt habe ich einige fertiggestellt (Einen Aufgang zu einem Tempel, einen .Beethoven' — war' was für Wiener Sammler — u. einen ,Tod'). Zu faul, um die nötigen Kisten u. Dinge zu be schaffen, denke ich bei diesen Bildern wieder einmal an einen Verkauf hierzulande, und da wiederum in erster Linie an Sie. Auch einige Graphiken liegen vor. Im Falle des Interesses wollen Sie mich bitte benachrichtigen, welchen Tags Sie — mög lichst erst nach 4^ — zu den Bildern nach Ur fahr kommen können. Sie hängen nämlich bei meinen Eltern — bei mir ist leider kein Platz noch Lichtl — Am be sten, Sie schreiben, wann ich Sie vom Ge schäft abholen kann. Ich führe Sie sodann hinüber. . ." Auch im Umgang mit Zeitgenossen dürfte Stephan Seidler also mehr Kunstfreund als Kaufmann gewesen sein. Sicherlich war es dann ein riskanter Entschluß, im Alter von 33 Jahren — 1926 — selbst mit dem Kunststudi um zu beginnen. Die Wahl als Ausbildungsort fiel auf München, das damals auf die Linzer Kunstjugend eine wesentlich stärkere Anzie hungskraft ausübte als Wien. Stephan Seidler übersiedelte mit vielen Hoff nungen und jugendlicher Begeisterung nach München. Die Freude war so groß, daß er ein Tagebuch begann — mit Texten und Zeich nungen. Ihm vertraute er alle seine Ein drücke, seine Hochstimmungen, bald auch seine seelischen Abstürze an. Wie fröhlich liest sich doch gleich die erste Eintragung! „Nun tauchen sie auf Leistbräu — Pschorrbräu — die 2 Hacken — der zweifach ge schwänzte Löwe — die Bierpaläste — Mün chens Stolz. Gemütliche Luft umweht einen plötzlich wie milder Föhn. Lustigkeit, Froh sinn ist ein guter Boden für die Kunst, für das Völkchen Maler — Wie sie wohl sonst leben wollen? Kopf hoch, es geht und das ist die Hauptsache." Aufgeregt erwartet er die heiß ersehnte Auf nahme in die Akademie: „Ein herrlich schöner Herbsttag. — Leider verschlief ich etwas viel, doch war Ich pro grammgemäß an der Akademie und las mei nen Namen. Ein Gefühl wie seinerzeit, als ich in die Lehrerbildungsanstalt aufgenommen war, beschlich mich. Es war Freude. Doch noch ist's nicht vollendet . . ." Daneben eine Bleistiftskizze mit der Über72

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