Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 3, 1984

Schwemme (April/Mai) 2 bis 3 Monate hin durch sein Kontingent Schlägern. Weil trotz der günstigen Lage seines Hauses oft An marschwege von Stunden zum jeweiligen Holzschlag bewältigt werden mußten, blie ben die Partien — so nannte man die Arbeits gruppen, die besonders bei der Schlägerung immer zusammenarbeiteten — oft tagelang in ihrem Schlag und verköstigten sich durch Aufwärmen mitgebrachter Speisen auf einem improvisierten Feuer; diese Kochstellen ver rieten sich durch die Rauchsäulen, von de nen wir bei Stifter immer wieder lesen. Im Spätsommer und Frühherbst konnte der Holzhacker seine eigene kleine Wirtschaft versorgen oder durch zusätzliche Schläge rung sein karges Einkommen aufbessern; „Überstunden machen" würde man heute sa gen. Im Herbst mußte der Holzhacker dann die Ausbringungsbahnen von Hindernissen, z. B. Wurzwall, befreien oder kleine Brücken bauen. Lag schließlich genug Schnee, be gann das Ausziehen der Scheiter an die Schwemmwässer, eine ebenso mühsame wie gefährliche Arbeit, die auch wieder nur im Verband der Partie bewältigt werden konn te. Es gehörten viel Mut und Geschick dazu, sich und seinen Schlitten, der auf „gähen" Abhängen mit % Klafter (= gut 2 Raumme ter) Scheitern beladen war, wohlbehalten ins Tal zu bringen. Bergauf half ihm meist ein Hund den Schlitten ziehen; sein Freund und Helfer verschaffte ihm nach Aufladen, Ab fahrt und Abladen eine kleine Verschnauf pause. Die Schwemme begann, wenn einerseits der Links oben: Wie einstmals die Einwurfstellen des Kanals säumen heute Holzstapel die Forststraßen, auf denen nun das ganze Jahr über das Holz mit starken Fernlastern ausgebracht werden kann Kanal eisfrei und andererseits so viel Schmelzwasser vorhanden war, daß die Scheiter „talaus allweil weiter" schwimmen konnten. Drei Arbeitergruppen mußten bei der Schwemme gut zusammenwirken: die Einwerfer zogen, stießen die Scheiter mit Zäppl und Schwemmhaken ins Wasser, die Schwemmer — an Schoppungsstellen enger als im freien Gerinne aufgestellt — hatten da für zu sorgen, daß Schoppungen schnell auf gelöst oder, wenn nötig, die Holzzufuhr durch Rechen gesperrt wurde. Gefährlich war diese Arbeit im Tunnel bei Hirschbergen, in der Steilstufe bei Morau und bei den Wehren der Großen Mühl. Die dritte Gruppe besorgte das Ausländen der Scheiter bei der Mündung der Großen Mühl beim Ort Untermühl. Rund 1200 Arbeiter waren bei der Schwemme zwischen Dreisessel und Donau im Einsatz. In den 90 Jahren der jährlichen Schwemme wurden rund 14 Millionen Raummeter Brennholz von Untermühl aus mit Kehlheimer Plätten auf der Donau nach Wien gebracht. Wälder bieten seit eh und je die Möglichkeit, sich selbst oder Lebensnotwendiges bzw. Wertvolies zu verstecken. Der Böhmerwald war noch dazu als Wasserscheide und Rück grat des Kontinents wahrscheinlich von An beginn dazu prädestiniert, Grenze zu sein, zunächst in wirtschaftlicher, dann auch in kul tureller und politischer Hinsicht. Jede Barrie re geographischer Art schreckt zunächst ab, sie fordert aber auch heraus, der Gefahr nicht nur zu begegnen, sondern sie sogar als Chance zu nützen, vor allem denen gegen über, die sich abschrecken lassen; Abenteu rern, Menschen, die in ihrer Welt gescheitert waren und sich vor Verfolgern in Sicherheit bringen mußten. Ausgestoßenen also, war der tiefe Wald als Lebensraum und Versteck gerade recht. Schiller siedelt 1781 seine „Räuber" in den „Böhmischen Wäldern" an, und gegen Ende des Zweiten Weltkrieges suchten Widerstandsgruppen — man nannte sie damals Partisanen — dort Schutz und Ba sis ihrer Operationen. In Zeiten von Krieg und Bedrängnis beherbergte das Versteck des Waldes solche „Gäste" vom eiskalten Räuber bis zum „Gartknecht" (= Bettler), also peri odische Nutzer des Böhmerwaldes. Es gab aber auch Dauernutzer des Waldes, z. B. die Schwärzer, Pascher oder Schmugg ler. Wirtschaftlicher Überfluß auf der einen, Mangel auf der anderen Seite boten die Mög lichkeit, durch den Ausgleich dieser Un gleichheit zu verdienen. Böhmens Salzman gel war nicht nur der Motor legalen Handels auf dem Goldenen Steig, in den Kraxen und Bündeln wurde neben Tabak, Wolle und Sei denware — besonders gesucht waren z. B. Fransenhalstücher — auch Salz über die Grenze gebracht. Daß man damit nicht nur et was verdienen, sondern sogar reich werden konnte, beweist der alte „HiasI", Matthias Ro senberger, der, als er sich in den Lackenhäu sern niederließ, sein ganzes Vermögen in einem roten Sacktuch mitbrachte, sich aber schon 1818 neben dem alten Gasthaus das herrschaftliche Rosenbergergut bauen und sich nicht nur zum „Vater der Lackenhäusler", sondern auch zum „König der Schwärzer" profilieren konnte. Sein Sohn Franz Xaver Ro senberger war von Jugend auf mit Adalbert Stifter befreundet und bot ihm bis 1866 das Rechts: Der gläserne Krug, eines der typischen Erzeugnisse der Böhmerwald-Glashütten; waagrechte Rillen und senkrechte Stäbe, Perlschnur und Aufbauornament gliedern die Urform in schöner Harmonie mit den Krugwangen 39

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