Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 3, 1984

Kein Wunder, daß solche Sprüche bei Kin dern und Erwachsenen nicht nur schadenfro hes Gelächter, sondern auch, wie versichert wird, hie und da eine handfeste Rauferei aus gelöst haben, vor allem dann, wenn, wie am Kiatä, nicht nur mit einem Brätl, sondern auch mit Bier kräftig untergeheizt war. Wie es dabei im Mühlviertel zuging, weiß Hanrieder als Kenner der Materie: Mir hän net hupfäf, awä wann und wer stimmt, aft wem mä so wüd, daß da Teofö däkimt. Mir zeogn koane Messä wia d'l(nn)viertlä d(r)ent, bä uns wird glei oanä mitn Fäustn därennt. Zum Familien- und Dienstbotenkreis größerer Dörfer, z. B. Klaffer, gehörte meist auch ein „Hiatä" (= Hirte), der zwischen Georgi (23. April) und Martini (11. November) das Vieh besonders auf den entlegenen Waldwiesen betreute. Sein Häusl stand — das ist bezeichnend für die „Dichte" der verbrieften Urhäuser — meist abseits vom Dorf, immerhin leistete die Dorfgemeinschaft zur Zeit des Auftriebs für ihn die Erntearbeit, damit er seinen kleinen Viehbestand im Winter durchbringen konnte. Fast als ein Teil der Hausgemeinschaft und als Aufstockung der hauseigenen Arbeits kräfte der Großfamilie — Geschwister, die ohne eigenen Grundbesitz nicht heiraten konnten, fanden sich in jedem Haus und ar beiteten wie Dienstboten mit — gab es bis in die Zwischenkriegszeit in vielen Häusern „Inleut", Mitbewohner also, die für die kleine Wohnung und den noch kleineren Stall mit 1 bis 2 Kühen, Sau und Goas eine vereinbarte Zahl von Halbtagen mitarbeiten mußten, beim „Heigät" (= Heuernte) z. B. in der Früh beim Mähen und vom Nachmittag an beim Einbringen und Abladen der Heufuhren. Selbst an solchen „Robot"-Tagen aber gin gen die Männer tagsüber ihrer Arbeit in einem Steinbruch oder in einem kleinen In dustriebetrieb nach, manchmal 18 bis 20 Ar beitsstunden lang, denn damals wurde ja noch dreimal am Tag auch der eigene Stall versorgt. Zeitweilig waren Mitglieder der Hausgemein schaft auch Gemeindearme, „Quartierer" ge nannt, weil sie jedem Bauern entsprechend seinem Grundausmaß eine bestimmte Zahl von Tagen von der Gemeinde ins Quartier zu gewiesen wurden. TraudI Hans und sein Bru der Kajetan z. B., „Quartierer" der Gemeinde Schlägl, schliefen bei den meisten Bauern im Stall, im Heu oder im besten Fall in einer klei nen Holzkammer, die im Heuboden ausge nommen war und vor ärgster Kälte Schutz bot; ihre Mahlzeiten verzehrten sie auf der „Fechter"(= Bettler)bank abseits vom Fami lieneßtisch. Von den Dorfkindern „sekkiert" (= gehänselt), aber auch wegen ihres verwahrlosten Zustandes ein wenig gefürch tet, schlössen sie sich ganz selten der Tages arbeit an: Außenseiter der Dorfgemeinschaft, würde man sie heute nennen oder „Ausstei ger"? Man kann gelegentlich hören, zu Großvaters Zeiten wären die Hühner auf dem Tisch in der Bauernstube herumspaziert; das mag ir gendwann und irgendwo passiert sein, grundsätzlich und aligemein aber wurden die Bretterböden der Bauernstuben einmal wö chentlich, sogar in der Erntezeit, gründlich „aufgewaschen", sicher öfter, als sich die Bauersleute selbst badeten und baden konn ten. In der Früh aber hat sich jeder „zwagn" oder „zwahä", d. h. Hände und Gesicht gewa schen. Die Hände wurden, statt sie mit Seife zu reinigen, am rauhen Rand des „Grands" (= steinerner Wassertrog) gerieben. Daß für diese regelmäßige, jedoch im Laufe der Wo che meist einzige Teilwaschung der Wortum fang des mittelhochdeutschen Wortes „twahen" (= waschen) so sehr eingeengt wurde, ist bezeichnend für die begrenzte tägliche Körperpfiege, die heute in den Badezimmern, die in den meisten Bauernhäusern dort ein gebaut wurden, wo einstmals der Backofen stand, längst den ganzen Körper erfaßt hat: ein echter Fortschritt, wie wir ihn auch in allen Bereichen der Wirtschaft antreffen können. Im Brauchtum dürften sich Altes und Neues die Waage halten, in der Tracht ist fast alles Alte dahin. Manche einst mühsam gerodete Flur wurde in den letzten Jahrzehnten wieder „versetzt" (= aufgeforstet), weil aus Mangel an Arbeits kräften nur mehr jene Grundstücke intensiv genutzt werden können, die mit den Maschi nen zu bearbeiten sind. Einstmals hat die Unwirtlichkeit und Wildnis des Geländes den Rodern Einhalt geboten, die Grenzen zwischen Natur (Urwald) und Kultur (landwirtschaftlich genützte Fläche) erstarrten auf einige Zeit; im geschlossenen Urwaldgebiet blieb es zunächst ruhig, denn 36

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