Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 3, 1984

Rechts: Die Fassade des Rathauses von Prachatitz gibt noch heute Zeugnis vom einstigen Wohlstand seiner Bürgerschaft; in der Reihe von inschrifttafein beginnt eine mit der Definition des Bürgers: civis est, qui patriam suam diiigit — ' T \'Tm\ «a.v,v.KM r. s „,u >\l \; Oben: Die Wege führten, wie diese Zeichnung, die den Stubenbacherweg darstellt, wenn schon nicht immer über Stock, so doch sicher über so viel Stein, daß den Pferden und den Fuhrleuten alles abverlangt wurde, sollte die Ladung ans Ziel kommen Rathaus. Eine der Inschriften auf der Fassa de enthält übrigens die einfachste und über zeugendste Definition des Begriffes Bürger: Bürger ist, wer seine Vaterstadt liebt. Als die Steige und Pfade der Träger und Säu mer allmählich zu Fahrwegen, den Vorfahren unserer Straßen, wurden, gesellten sich zu den Betreuern der Rast- und Mautstellen jene Handwerker, die man zur Versorgung von Roß und Wagen brauchte, die Schmiede und Wagner; sie begegnen uns darum heute auffallender-, aber auch verständlicherweise noch sehr häufig als Familiennamen. Mit Wirten, Schmieden und Wagnern, die wahrscheinlich auch „Zaugg"(= Zugtier)- wechsel und Vorspanndienste anboten, dürf ten wohl die ersten Dauersiedler im Böhmer wald genannt sein. Da aber Huf- und Wagenschmiede seit Men schengedenken immer Kohle brauchten, dürften auch die Köhler zu den frühen Be wohnern des Böhmerwaldes gehören. Tat sächlich finden sich auf Waldwiesen unter der Gras- bzw. Bürstlingnarbe hier und dort Schwarzerdeflecken, die anzeigen, daß dort einmal Kohlenmeiler betrieben wurden. Der Flurname Kohlstatt z. B. an der Großen Mühl gegenüber der Einmündung des Wurmbrander Baches ist keine Erfindung, sondern eine sachgerechte Namensgebung, weil alljähr lich im Frühjahr und Herbst auf einem kreis runden Fleck die „Scher"(= Maulwurfs)- haufen die kohlschwarze Erde des Meilers zutage bringen. Indessen hatten auch Kolonisten und Siedler von den Tälern der Großen Mühl und der Mol dau aus den Frontalangriff auf den Urwaldrücken begonnen. Auf die Witigonen und Fal kensteiner jenseits und diesseits des Böh merwaldes dürften die ersten Siedlungen, die nicht direkt im Tal, sondern auf den FlußTerrassen lagen, zurückgehen. Beide Adels geschlechter beriefen dann Mönche jener Orden, die schon bei der Ostkolonisation rei che Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt hatten, die Prämonstratenser und Zisterzien ser nach Schlögl (1218) und Hohenfurt (1259); bessere Treuhänder ihrer Ländereien, hart näckigere Roder und Siedler hätten sie kaum finden können. Zum Roden und Urbarmachen mußten die Menschen zusammenhelfen; nur so war dem Übergewicht und der Übermacht von Urwald und Blockhalden bzw. Blockstreu beizukom men. Meist 10 oder 20 Kolonistenfamilien wurden durch die Zusage der Befreiung von Abgaben ermuntert und wohl auch erst in die Lage versetzt, durch Brand und Schlag Ur wald und Wildnis zurückzudrängen, aus dem Holz Hütten zu bauen, Felder und Wiesen an zulegen. Die Ortsnamen auf -brand und -schlag — im Moldautal zählte man einst mehr als 80 — bezeugen noch heute, was vor rund 800 Jahren hierzulande geschah, die er ste Phase allen Kulturschaffens: den Boden urbar machen und dort seßhaft werden. Von den Gemeinschaften wurden offensichtlich Zug um Zug ganze Gewanne gerodet und dann möglichst gerecht aufgeteilt, verlost; darum der häufigste Flurname „Lus". Diese Rodungsdörfer waren — nach unseren heutigen Vorstellungen — so etwas wie Klein gemeinden. Sie hatten annähernd eine auto nome Verwaltung. An der Spitze stand ein 34

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