Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 3, 1984

Oberösterreichische Kraftwerke Aktiengesellschaft Energie aus Wasser Viktor Kaplan — Zum 50. Todestag des österr. Erfinders Die Kaplanturbine ist sicherlich eine der bedeutendsten Erfindungen unseres Jahr hunderts und aus dem modernen Kraft werksbau nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglicht als einziges Laufrad die unterschiedlich großen Wassermengen der Flüsse und Ströme in deren Mittel- und Un terläufen, wo nur geringe Fallhöhen zur Ver fügung stehen, nutzbar zu machen. Sie hat den Vorteil, etwa das Doppelte an Wasser menge verarbeiten zu können als die bis da hin übliche Francis-Turbine. Da die Schau feln der Kaplanturbine in ihrem Steigungs winkel verstellbar sind, kann die Maschine, unabhängig von den witterungs- und jah reszeitlich bedingten Schwankungen der Wassermengen, die dargebotene Rohenergie mit gutem Wirkungsgrad ausnützen. Es werden Nutzungsgrade bis zu 95 Prozent und damit eine hohe Wirtschaftlichkeit er reicht. Heute werden weltweit etwa 50 Pro zent der elektrischen Energie aus Wasser kraft durch Kaplanturbinen erzeugt. Viktor Kaplan wurde am 27. November 1876 in Mürzzuschlag geboren. Vielleicht waren es die vielen Wasserräder in der Um gebung von Mürzzuschlag, die seine Nei gung zum Turbinenbau wachhielten. Er soll jedenfalls schon als Bub Modelle von Was serrädern gebastelt haben. Nach Absolvierung der Realschule in Wien studierte er Maschinenbau an der Techni schen Hochschule, wo er 1900 das Inge nieurdiplom erwarb. Er trat als Konstruk teur in die Leobersdorfer Maschinenfabrik ein und befaßte sich mit Dieselmotoren. Von dort aus knüpfte er Beziehungen zur Deutschen Technischen Hochschule in Brünn. 1903 wurde er an die Lehrkanzel für Maschinenlehre, Kinematik und Maschi nenbaukunde nach Brünn berufen und war dort Mitarbeiter von Professor Musil. In dieser Zeit erschien neben kleineren wis senschaftlichen Arbeiten 1908 das erste große Werk über den Bau rationeller Francisturbinen-Laufräder. Mit dieser Ar beit erwarb er 1909 den Doktorgrad der Technischen Hochschule in Wien. In Brünn ging auch sein großer Wunsch nach einem eigenen Laboratorium für Was serkraftmaschinen in Erfüllung, dank der Unterstützung des Industriellen Heinrich Storek, der später bei der Verwirklichung der Erfindung Kaplans eine entscheidende Rolle spielte. Die Erfindung Infolge der ansteigenden Elektrifizierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewann der Bau von Kraftwerken, vor allem von Was serkraftwerken, immer mehr an Bedeutung. Dabei traten die Mängel der damals meist verwendeten Francis-Turbinen zum Vor schein. Die kleinen Drehzahlen kamen der Forderung nach den hohen Drehzahlen der Generatoren nicht nach. Und auch die Aus nützung der großen Wassermengen bei klei nen Nutzfallhöhen, wie sie z. B. bei Lauf kraftwerken gegeben sind, war bei der Francis-Turbine schlecht und dadurch un wirtschaftlich. Die von Kaplan entwickelte Turbine erfüllte alle bis dahin fehlenden Anforderungen. Der Grundgedanke Kaplans war es, das Laufrad als Propeller auszubilden. Verein facht betrachtet ist die Kaplan-Turbine eine Schiffsschraube mit verkehrter Wirkung. Die hohen Drehzahlen und der hohe Wir kungsgrad sind die Hauptvorteile dieser Turbinenart, zu deren Entwicklung Kaplan rund fünf Jahre gebraucht haben soll. Ein langer Weg 1913 wurde Viktor Kaplan zum außeror dentlichen Professor für Maschinenbau er nannt. Es sollten aber noch Jahre vergehen, ehe sich die erste Kaplan-Turbine in der Pra xis drehte. Im Kampf um die Anerkennung seiner Er findung — alle renommierten Turbinenfa briken hatten die Ausnutzung seiner Patente abgelehnt — fand Kaplan die Unterstützung der Firma Storek. Storek erklärte sich bereit, in seinem Werk in Brünn eine für die Praxis bestimmte Turbine nach den Plänen Ka plans zu bauen. Im März 1919 wurde sie von einer Strickwarenfabrik südöstlich von Wien in Betrieb genommen. Der Erfolg war so groß, daß die Firma Storek beschloß, den Bau von Kaplanturbinen fabriksmäßig auf zunehmen. Es gab allerdings noch schwere Rückschläge. Beim Bau größerer Aggregate und einer Nutzfallhöhe über sechs Meter traten bei schnellaufenden Kaplanturbinen explosionsartige Geräusche und Erschütte rungen auf. Auch sank die Leistung stark ab und die Laufräder zeigten Oberflächenschä den, obwohl das Wasser neutral und frei von Sand war. Die Überwindung dieser Schwierigkeiten schien vorerst unmöglich. Gustav Oblustil, ein Storek-Ingenieur, fand schließlich die Erklärung: Im strömenden Wasser bildeten sich Hohlräume, sogenann te Kavitationen. Nach mehrmonatiger Ar beit konnten kavitationsfreie Laufräder ent wickelt werden — der Weg zum Welterfolg war frei. Die Aufregungen im Patentstreit — in 260 Weltpatenten ist die Erfindung gesichert — und die Rückschläge durch die Kavitationen hatten Kaplans Gesundheit erschüttert. Er blieb bis 1931 an der Technischen Hoch schule in Brünn tätig, einer Berufung an die Technische Hochschule in Wien konnte er nicht mehr Folge leisten. Kaplan zog sich auf seinen Landsitz in Unterach am Attersee zu rück, wo er am 23. August 1934 starb. Heute wären Laufkraftwerke in der ganzen Welt ohne Kaplan-Turbinen nicht mehr denkbar. Und in einer Zeit des stetig wach senden Energiebedarfs und einer immer stärkeren Forderung nach Umweltschutz, gewinnt die Erfindung Viktor Kaplans durch die optimale Nutzung der Wasser kraft in Laufkraftwerken noch zunehmende Bedeutung. 10

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