Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 2, 1984

Kunst der Gegenwart Die Universalität Franz von Züiows (1880 —1963) Walter Beyer Als eines der wesentlichen Charakteristika unseres Jahrhunderts muß der in allen Berei chen des täglichen Lebens um sich greifende Speziaiisierungsprozeß genannt werden. An Versuchen, diesen die einstige das Abendland prägende Universalität in Frage stellenden Trend einzudämmen, hat es in der Vergan genheit nicht gefehlt, ohne daß ihnen eine nachhaltige Wirkung beschieden gewesen wäre. Das Bauhaus, das es sich zum Ziel ge setzt hatte, wieder einen auf der mittelalterli chen Handwerkstradition fußenden Künstler typus zu prägen, soll nur als bekanntestes Exempel apostrophiert werden. Umso höher sind jene wenigen Künstler zu werten, denen es gelungen ist, den Begriff des ganzheitlichen Schöpfertums zu bewahren und bis in unsere Tage fortzuführen. Im Rahmen der österreichischen Bildenden Kunst dieses Jahrhunderts sind es nicht viele, auf welche dieses Kriterium zutrifft. Nimmt man Albert Paris Gütersloh aus, bleibt primär Franz von Zülow, welcher wegen jener zitier ten Universalität zu erwähnen wäre. Zwar reicht seine Begabung - zum Unterschied von Gütersloh - nicht über den Bereich der Bilden den Künste hinaus, doch beherrschte er in nerhalb derselben praktisch alle Disziplinen. So war Zülow Grafiker von hohen Graden, da neben aber auch Maler, er arbeitete als Deko rateur, Freskant und Keramiker und half, die alte Gobelintradition neu zu beleben. Weiters entwarf er Stoff- und Tapetenmuster, baute Möbel und Einrichtungsgegenstände, bastelte Krippen und Spielkarten und restaurierte alten Bauernhausrat. Offensichtlich bedingt durch diese Verbun denheit mit bäuerlicher Kunst, hat man die Er scheinung Züiows allzulange primär folklori stisch-rustikal zu erklären versucht. So existiert auch heute noch die nicht auszu rottende Mär, Zülow stamme aus Haugsdorfer Weinbauernkreisen. In Wirklichkeit handelt es sich bei den Züiows - der unösterreichische Name verweist bereits darauf - um ein bis ins frühe dreizehnte Jahrhundert zurückverfolgbares, mecklemburgisches Adelsgeschlecht. Erst sein Vater wurde auf dem Gebiet der ein stigen Monarchie, nämlich in Karlsbad, gebo ren. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei den Post behörden kam er nach Wien, wo Franz von Zülow am 15. März 1880 das Licht der Welt er blickte. Nach dem frühen Tod des Vaters übersiedelte seine Mutter, aus finanziellen Erwägungen, in ihren Heimatort Haugsdorf im niederösterreichischen Weinviertel. Es ist sicherlich richtig, daß die Lieblichkeit dieser Landschaft mit ihren weinbewachse nen Hügeln, dem Trebernduft zur Zeit der Lese, sowie der unverwechselbaren Herbheit der Kellergassen den Jüngling zutiefst beein druckte und für die Gesamtheit seines späte ren Lebens entscheidend formte. Dazu das blendende Weiß frischgetünchter Preßhäuser, das vertraute Rund altehrwürdi ger Toreinfahrten und die Großflächigkeit der Franz von Zülow, Bäume, Pinsel in Tusche aquarelliert, 55 x 39,7 cm, um 1903 i Wmm Ml B 69

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