Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 2, 1984

Der Rudolfsturm in Haiistatt als Denkmai der österreichischen Saiinengeschichte' Georg Heilingsetzer Die vielleicht deutlichste Verbindung, welche die Menschen mit Ihrer Vergangenheit haben, bilden Bauwerke, besonders wenn Ihre ur sprünglichen Funktionen über Jahrhunderte hinweg eine Rolle spielen. Vor allem augenfäl lig Ist dies bei Sakralbauten, aber auch Im pro fanen Bereich sind oftmals signifikante Denk male vorhanden, man denke nur an Burgen, Schlösser und Residenzen als Herrschafts mittelpunkte, aber auch an Amtsgebäude, Wohnhäuser und technische Anlagen. Für den Historiker, der sich sozusagen professio nell mit der Vergangenheit auseinandersetzt, stehen allerdings schriftliche Quellen, Urkun den und Akten für die Gewinnung von Er kenntnissen über die Geschichte im Vorder grund. Aber auch der Forscher wird zur Ver vollständigung seiner Ergebnisse dankbar auf Daten zurückgreifen, die Ihm Baudenkmale liefern können. Es sei auf einzelne Beispiele verwiesen, wie etwa das Feststellen von Bau unterbrechungen, Ergänzungen, Änderungen Im Verwendungszweck, Dispositionsände rungen und vieles andere mehr. Gegebenen falls wird der Historiker sogar manche nur aus dem schriftlichen Bereich gewonnene Er kenntnis dadurch In einem anderen Licht se hen.^ Das Bauwerk, das Im Mittelpunkt der folgen den Betrachtungen steht, der Rudolfsturm, er hebt sich In 865 m Höhe über dem Markt Hall statt. Nach einer mündlichen Tradition Ist der Turm 1284 von Herzog Albrecht I. von Öster reich zum Schütze des Salzberges errichtet und zu Ehren seines Vaters, König Rudolfs von Habsburg, Rudolfsturm benannt worden.= Nun haben allerdings schon am Beginn des 19. Jahrhunderts der Begründer der wissen schaftlichen Geschichtsforschung In Ober österreich, der Florianer Chorherr Franz Kurz, und Ihm folgend Anton DIcklberger, der erste bedeutende Sammler und Darsteller der oberösterreichischen Salinengeschichte, festgestellt, daß der Rudolfsturm solange nicht als Beweis für eine frühe Erschließung des Hallstätter Salzberges gelten könne, als man nicht mit Bestimmtheit das Datum seiner Er bauung und deren Ursache angeben könne.^ Bei DIcklberger findet sich auch ein Hinwels auf den möglichen Urheber dieser mündlichen Traditlon, denn er verweist auf ein,,Bergbuch" des ehemaligen Bergmeisters Johann Rlezlnger aus dem Jahr 1725, eine Handschrift, die heute leider als verschollen gelten muß. DIckl berger, der sich stets bemüht hat, auf urkund licher Grundlage zu arbeiten, hat diese Hand schrift offenbar noch benützt, er hätte es si cher angemerkt, wenn RIezIngers Behaup tung eine heute nicht mehr erhaltene Urkunde zugrunde gelegen wäre." Die erste urkundliche Erwähnung des Ru dolfsturmes Ist seine Bestimmung im soge nannten ersten ,,ReformatlonsllbeH" von 1524, als der Landesfürst daranging, das Salzwesen zu reformleren und die landes fürstliche Prärogative eindeutig festzulegen. Es heißt dort In einem Absatz bei der Be schreibung der Funktionen des Bergmeisters wörtlich: „Und damit aber ain yeder pergmalster allweg notturfftigellchen zu unnsern saltzpergen sehen und denselbn arbalttern obllgen möge, Ist der thurn der Rudolfstain genannt von unnsern vorfarn ze pawen angesehen, das allweg ein pergmalster darinn hewslich wonen und sizen solle, das wir auch hiemit verordnen und schaffn, das nu hinfür aIn yeder pergmalster sein wonung In gemeltem thurn haben, der In auch sovil die notturfft ervordert durch unnsern hoffschrelber allzeit mit paw, pessrung unnderhalltn werden solle. Doch wo Ichts namhaffts ze pawn fürfiel, sol sollchs mit rat der ambtlewt zw Gmundn beschehen. Zu welchen thurn sich dann zusambt der be stimmen purgkhuet aIn yeder pergmalster der grumb geprauchen und genlessn sol und mag, wie das yetzt Im prauch und von allter herkhomen Ist."® Das Ist eine sehr aufschlußreiche Stelle. Zum einen zeigt sie an, daß der höchste technische Beamte am Salzberg, eben der Bergmeister, seinen Wohn- und Amtssitz Im Rudolfsturm haben solle, und zum anderen erfahren wir so nebenbei, daß die ursprüngliche Bezeichnung des Bauwerkes ,,Rudolfstein" lautete. Die Funktion des Turmes als Wohnsitz des Berg meisters und Verwaltungsgebäude der Salz bergbau-Betriebsgesellschaft hat sich bis Ins 20. Jahrhundert erhalten, erst seit einiger Zelt dient er gastronomischen Zwecken. Eine wei tere Funktion, die das Bauwerk zur Zelt seiner Entstehung zweifellos hatte, nämlich die mili tärische, war offensichtlich schon seit dem 15. Jahrhundert nur mehr von untergeordneter Bedeutung. Um die Erbauungszelt des Tur mes feststellen zu können, reicht auch diese Quelle nicht aus, vielmehr Ist es notwendig, die Entstehungsgeschichte des Salzberg baues in Hallstatt selbst In Erinnerung zu ru fen. Jedermann kennt die Bedeutung des Salzes für die Wirtschaft, etwa für die chemische In dustrie und die täglichen Bedürfnisse In der Küche. In früheren Jahrhunderten war dieser Stoff, das ,,weiße Gold", von elementarer Wichtigkeit. Das Salz war lange Zelt das ein zige Konservierungsmittel für Lebensmittel, es war aber auch ein wichtiger Zusatz zu pflanzli cher und tierischer Nahrung und für die Vieh haltung unentbehrlich, so daß es nicht ver wundert, wenn diesem auch symbolische Be deutung zukam, man denke nur an das auf den römischen Dichter Horaz zurückgehende Sprichwort: ,,Salz und Brot macht Wangen rot, schlägt den Hunger tot."® Bei Berücksichti gung dieser Tatsachen erscheinen uns die ,,Salzkriege", die es gegeben hat, als Kampf um Lagerstätten, aber auch um Absatzgebiete heute gar nicht mehr so unverständlich, wenn man an die durchaus vergleichbaren weltpoli tischen Auseinandersetzungen um den Roh stoff Erdöl denkt. Vor allem Im Spätmittelalter und In der frühen Neuzeit herrschte eine stetige Rivalität zwi schen den bayerischen Herzogen (Reichen hall), dem Erzstlft Salzburg (Hallein) und den österreichischen Landesfürsten (Aussee, Hallstatt, ab 1363 auch Hall In Tirol). Einen er sten Höhepunkt erreichten die Auseinander setzungen, als auf eine falsche Nachricht vom Ableben des Habsburgers Albrecht hin der Salzburger Erzblschof den Kampf erneut auf nahm und eine neuerrichtete herzogliche Sa line In der Gösau und den dort angelegten Markt Traunau zerstören Heß (November 1295). Seine Streitmacht betrug etwa 2000 Bewaffnete zu Fuß und 100 Reiter, die nach vollendeter Tat weitermarschierte und auch noch die größte Saline der Habsburger, Aus see, besetzte. Wir sind über diese Ereignisse gut unterrichtet, denn der berühmte stelrlsche Reimchronist, Herr Qttokar oüz der Geul, schreibt darüber sehr ausführlich,^ wobei sein Interesse für die Salinen bei einem Mann rit terlichen Geblüts In der damaligen Zelt be achtlich Ist. Freilich entstammte auch einer der wenigen namentlich bekannten Techniker des Mittelalters, Nikolaus von Röhrenbach, der von Meinhard II. nach Hall In Tirol geholt wurde und dann später Im Salzkammergut eine Rolle spielte, ebenfalls dem Ritterstand. Hallstatt wird beim Reimchronisten übrigens nicht er wähnt, hingegen hat ein Geschichtsschreiber des 15. Jahrhunderts, Thomas Ebendorfer, Irrtümlich Hallstatt als diejenige Saline ange geben, die von den Salzburgern zerstört wor den Ist. Das beweist, daß man Im 15. Jahrhun dert gar nichts mehr von Gösau wußte, hinge gen die Saline von Hallstatt Im allgemeinen Bewußtsein fest verankert war.® Herzog Albrecht ergriff sofort Gegenmaß nahmen, jedoch kam Im September 1297 In Wien ein Friedensvertrag zustande, der eine längere Epoche der polltischen Freundschaft zwischen den Habsburgern und dem Erzstlft Salzburg einleitete.® Albrecht verzichtete auf den Salinenbetrieb in Gösau und der Erzbl schof verpflichtete sich, 3000 Mark Silber für den erlittenen Schaden als Entschädigung zu zahlen.''® Schon Im folgenden Jahr war Albrecht deut scher König geworden, was nicht nur eine Ehre für die Familie bedeutete, sondern auch eine Ausweitung seiner Verpflichtungen und Aufgaben mit sich brachte. Es kam Ihm dabei zugute, daß seine Gemahlin Elisabeth, die Tochter Meinhards II. von Görz-Tlrol, der die 11

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