Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

Bücherecke Neue Rosenheimer Raritäten Hertha Wascher: Alte bemalte Spanschachteln. - Rosenheim: Rosenheimer Verlagshaus Alfred Förg 1983, 96 Seiten, 36 Farbbilder, 100 Musterzeich nungen, Ladenpreis S 273.60 „Dieses Buch soll Ihnen nicht nur ein Bild vom Schönheitssinn und der Kunstfertigkeit vergangener Zelten vermitteln. Es vi/lll Sie vielmehr zu eigenstän digem schöpferischen Tun anregen." Dieses Zitat Ist wie eine gestraffte Inhaltsangabe der Veröffentli chung von Hertha \Wascher, die sich um die Erneue rung und Bewahrung echter Volkskunst In Ober österreich bedeutende Verdienste erworben hat. Es ist erfreulich, daß sie Ihren reichen Erfahrungs schatz nunmehr auch literarisch weitergibt. Als Kurslelterln Im niederösterreichischen Kloster Ge ras, aber auch In den oberösterreichischen Blldungszentren der Klöster Reichersberg am Inn und Schilerbach sowie Im innvlertler Barockschloß Zell an der Pram hat sie einen großen Freundeskreis gewonnen. Ihr kunstgewerblicher Betrieb Im ,,Blauen Haus" von Kremsmünster Ist seit Jahren ein Treffpunkt für alle Anhänger heimischer Volks kultur, besonders zu Weihnachten und In der Oster zelt. Thema dieses Buches sind die Spanschachteln, einst ,,Gebrauchsgegenstände" für einen bäuer lichen Kundenkreis, hergestellt In ländlichen Ge werbebetrleben, heute beilebte Sammelobjekte und In jüngster Zelt neu entdeckt für sinnvolle Freizelt gestaltung. Wir erfahren, daß die älteste bekannte Spanschach tel aus dem Jahre 1478 datiert Ist, die Blütezelt die ser kunstgewerblichen Produktion das 18. und 19. Jahrhundert waren und als Zentren der Herstellung Berchtesgaden und die Viechtau Im oberösterrei chischen Salzkammergut (Neukirchen bei Altmün ster) zu betrachten sind, wo In den Wäldern beson ders kräftige Fichten und Tannen wachsen. Es gibt dort übrigens derzeit auch einen ganz neuen Span schachtelmaler, Bildhauer Sepp Moser, der dunkel farbige Ornamente mit Goldauflagen bevorzugt. Nach der historischen Einführung gibt die Autorin praktische Anleitungen zur Neuherstellung von Spanschachteln mit Grundierung, Aufzeichnen der Muster, Bemalung mit Mischen der Farben und Schutzüberzug. Hedwig Wascher stellte für diese praktischen Anlei tungen eine Fülle von Musterzeichnungen, basie rend auf alten Vorlagen, her. Die reiche bildmäßige Ausstattung des Buches stammt aus dem Germani schen Nationalmuseum In Nürnberg, dem Schloß museum In Linz, den Lokalmuseen In Berchtesga den und Ried Im Innkreis, dem Innsbrucker Volks kundehaus, dem Salzburger Stadtmuseum und viel fach aus Privatbesitz. Irmgard Gierl: Stick- und Webmuster des Frühba rock. Tiere, Pflanzen und Ornamente. - Rosenheim: Rosenheimer Verlagshaus Alfred Förg 1983, 120 Selten, davon 8 Färb- und 8 Schwarzweißtafeln, Ladenpreis S 302.50 Diese neue ,,Rosenheimer Rarität", verfaßt von der bekannten Handarbeits-Autorin Irmgard Glerl, die sich bei Ihren Forschungen auch In Oberösterreich (Stadtmuseum Steyr) umgesehen hat, Ist eine amü sante Mischung von kulturhistorischer Darstellung und praktischer Anleitung für Anhänger(lnnen) der Stickkunst. Eine textlich umfangreichere Einführung behandelt das Thema,,Sticken und Weben In der Geschichte". Die Autorin spannt den Bogen Ihrer Schilderung von den Geweberesten der Vorzelt, etwa Hallstattzelt und Mondseekultur, bis zu den Musterbüchern der Renaissance und des Frühbarock sowie den kunstgeschlchtllch besonders Interessanten Fastentü chern, die seit dem 13. Jahrhundert In Gebrauch sind. Breiter Raum wird der Flachsgewinnung und der Weberei eingeräumt. In diesem Zusammen hang möchte Ich als Rezensentin aus Oberöster reich auf das Webereimuseum In Haslach hinwei sen, das sicherlich viel unbekanntes Material liefern könnte. Auf diese theoretische Einführung folgt eine knappe Stickanleltung. Den Hauptinhalt des Buches bilden jedoch die Stickmusterzeichnungen, ausgeführt von Ilse Schwaiger aus München, nach alten Webmu stern, aus alten Musterbüchern und vor allem eine reichhaltige Motivenpalette von Tieren und Früch ten, die meisten dem sogenannten ,,Bedburdycker Fastentuch" (Westfalen) aus dem Ende des 16. Jahrhunderts entnommen. Ornamente aus einem Italienischen Musterbuch ergänzen diese Vorlagen. Eine auch drucktechnische Besonderheit stellt ein Faltblatt ,,Marlae Verkündigung" dar, ein ,,Schmuckstück des Marburger Unlversltätsmuseums für Kunst und Kulturgeschichte". Die fleißigen Stickerinnen werden aber nicht nur zur kunstfertigen Arbelt angeleitet, sondern stets auch In die historischen Bezüge Ihrer Freizeltgestaltung eingeführt. Das Ist das Besondere dieser Veröffentlichung, dlewle alle. Rosenheimer Raritäten - eine bibliophile Kostbarkelt darstellt. Regina Forstner: Kreuzstichmuster aus der Bie dermeierzeit. Fotos von Gerhard Trumier. -Rosenheim: Rosenheimer Veriagshaus Alfred Förg 1983, 96 Selten mit 107 Stickmustervoriagen und 8 Selten Farbbilder, Ladenpreis S 226.50 Die bereits stattliche Reihe der Rosenheimer Hand arbeitsbücher zum Thema Kreuzstich hat nunmehr auch eine Ergänzung und Erweiterung aus Öster reich erfahren. Regina Forstner vom Historischen Museum der Stadt Wien führt In die gemütvolle Handarbeitswelt der ,,Kreuzstichmuster aus der Biedermeierzeit" ein. Wie alle ,,Rosenheimer Rari täten" wurde auch dieses Sachbuch liebevoll ge staltet und grüßzügig ausgestattet. In knapper Textlerung erfährt der Leser (wahrscheinlich In erster Linie die Leserin) Interessante kulturgeschichtliche Notizen über die Bedeutung der weiblichen Handar belt In der Biedermeierzeit, wobei die sicherlich rich tige Feststellung zu lesen Ist, daß ,,der Kreuzstich In der Biedermeierzelt eine wahre Blüte erlebte", eine Kurzgeschichte des Stickmustertuches und der Mo delbücher. Darauf folgen praktische Anweisungen über die Verwendungsmöglichkelten des Kreuzsti ches, seine technische Ausführung (Stickgrund, Stickgarn, Stickart) und schließlich neben prachtvol len Farbtafeln von bledermelerllchen Stlckmustertüchter 100 Musterzeichnungen, sorgfältig ausge führt von Eva Mauracher aus Wien. Diese Vorlagen, gezeichnet nach historischen Vor bildern, sollen zum Nachsticken, aber auch zu Neu schöpfungen anregen. So empfiehlt die Autorin Ih ren Leserinnen: ,,Lassen Sie sich aus dem Alltag entführen und von den bezaubernden Stickmustern In die Welt des Biedermeier versetzen. Sie werden dabei Entspannung und Ruhe finden." Einen tieferen Sinn können Bücher dieser Art neben Ihrer praktischen Bedeutung überdies noch erfüllen, nämlich Neubesinnung auf Familie und Häuslich keit, auf Innerlichkeit und Gemüt - In einer Welt, die In Ihren politischen und gesellschaftlichen Span nungen wieder einmal sehr unfreundlich geworden Ist. E. W. Fortsetzung der Bayerischen Bibliothek Bayerische Bibliothek. Texte aus zwölf Jahrhunder ten. Hrs. V. Hans Pörnbacher und Benno Huben steiner. Band 5: Die Literatur Im 20. Jahrhundert. - München: Süddeutscher Verlag 1981,1099 Seiten, Ladenpreis S 985.60. Von dieser großartigen, auf Insgesamt fünf Bände geplanten Anthologie der Dichtung unseres Nach barlandes liegt nunmehr Band 5 vor, nachdem be reits Band 1 ,,Mittelalter und Humanismus" und Band 4 ,,Von der Romantik bis zum Naturallsmus" erschienen sind. Ausständig sind noch Band 2 ,,Dle Literatur des Barock" und Band 3 ,,Das Zeltalter der Aufklärung". Für die österreichische Literaturgeschichte wäre eine ähnliche Großplanung zu wünschen. Der vorliegende Band ,,Dle Literatur Im 20. Jahr hundert" besitzt für alle Leser sicherlich besondere Aktualität, da es sich um die Dichtung der Gegen wart handelt, Namen der Dichter und Ihre Werke demnach gegenwärtig sind. Es Ist ein Lesebuch, das viele Anregungen gibt. Bei der Fülle des Stoffes können naturgemäß nur Leseproben geboten werden. Sie regen zu weiterer Vertiefung an. So verdankt der Rezensent der Be schäftigung mit diesem Werk die Anregung, sich Ludwig Thomas gesammelte Werke zu entlehnen und die ,,Erinnerungen" dieses Urbajuwaren nicht nur In den abgedruckten Auszügen, sondern zur Gänze zu lesen. Welch ein Erlebnis! Aber auch viele Neuentdeckungen sind möglich. Als Beispiel für viele sei auf den berühmten Physiker Werner Helsenberg hingewiesen, dessen Festrede zur 800-Jahr-Feler der Stadt München, 1958, als Musterbeispiel humanistischer, literarisch wertvoller Sachprosa zu erleben Ist. Insgesamt kommen rund 160 Autoren zu Wort, da von etwas mehr als die Hälfte geborene Bayern, die knappe andere Hälfte Dichter, die hier zugewandert sind, vor allem In München Ihre geistige Heimat ge funden haben. Wieder nur zwei Beispiele: der Sachse Joachim Ringelnatz und der Hannoveraner Frank Wedekind, deren bajuwarlsches Image wohl nicht zu leugnen Ist. Auch der typische Ostpreuße Ernst WIechert hat sich mit seiner,, Rede an die Stu denten der Universität München am 16. April 1935" einen echten bayerischen Heimatschein erworben, ebenso der typische Altösterrelcher Alexander Roda Roda (Pseudonym für Sandör Friedrich Ro senfeld) mit seinem ,,Schwabylon oder der sturm freie Junggeselle". Zur Bewältigung und Gliederung der Stoffülle nahm der Herausgeber eine literarhistorische Anordnung vor - wie folgt: 95

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