Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

Unten: Passau, Pfarrkirche St. Gertraud, Inn stadt. Madonna mit Kind (Severinsmadonna), spätgotisch, um 1450, Holz, Höhe 203 cm (s. Ausstellungskatalog „Passavia sacra" 1975, Kat. Nr. 11). — Foto: Gregor Peda, Passau Dichter am Bisohofshof das Nibelungenlied in seine letzte Fassung - die mittelhochdeut sche, wie sie in allen Lesebüchern steht. Der Nibeiungendichter: er sitzt und denkt und schaut, und er spürt es fast körperlich, wie hier in Passau ,,noch ein kioster stät" und wie ,,daz in mit viuzze in die Tuonouwe gät". Die letzte Fassung des Nibelungenliedes also, um 1200, am Hof des Bischofs Woifker von Passau. Aber jetzt sind wir der Zeit weit vor ausgeeilt, und wir müssen noch einmal auf Ungarn schauen. Natürlich gehen hier Piiigrims hochfiiegende Pläne nicht in Erfüllung. Gezas Sohn Stephan wird zwar von Papst und Kaiser zum ersten christlichen König von Un garn erhoben, aber man muß ihm auch eine national-ungarische Kirche zugestehen. Mit Gran an der Donau als Erzbischofssitz - dem heutigen Esztergom. Aber immerhin, dieser König Stephan i., der Heilige, ist mit einer bayerischen Herzogstochter verheiratet, mit Gisela der Seiigen, der Schwester des späte ren Kaisers Heinrichs II., und vielleicht ist es noch Bischof Piiigrim gewesen, der diese Vermählung angebahnt hatte. Aber nach Kö nig Stephans Tod, 1038, konnte sich auch Gi sela in Ungarn nicht mehr halten, und sie mußte in Passau Zuflucht suchen. In Passau, wo dem Bischofshof und der Kathedrale ge genüber, an der Ortsspitze, ein machtvolles Eigenkioster des bayerisch-sächsischen Her zogs- und Kaiserhauses lag - eben das Reichsstift Niedernburg. Erst 1010 hatte ja Kaiser Heinrich Ii., der Heilige, diesem Kioster den unermeßlichen Königsforst zwischen iiz und Rodel, Donau und Böhmerwaid zum Ge schenk gemacht, und es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, daß seine Schwester ■a Gisela jetzt hier als Äbtissin hinzog. Noch ha ben wir, in der Parzkapeiie von Niedernburg, den Grabstein der ehemaligen Ungarnkönigin aus der Zeit um 1060: das Vortragskreuz mit gewundenem Schaft, darüber die beiden kö niglichen Adler, seitlich die schlichte Inschrift ,,Gisyia Abbatissa". Um dieses Niedernburg dreht sich aber dann in den nächsten Jahrhunderten auch die Ge schichte der Passauer Domkirche selber. Bi schof Konrad nämlich, nicht zufällig ein Ba benberger aus der Ostmark und damit der On kel Kaiser Friedrich Barbarossas, konnte 1161 die Herrschaftsrechte über die alte Reichsab tei erwerben. Damit wuchsen die Bischofs stadt um den Dom und die Kiosterstadt an der Ortsspitze ganz von selber zu einem Platz zu sammen. Das ,,Land der Abtei" aber hinten im Waid wurde zur Grundlage des geistlichen Fürstentums der Bischöfe von Passau - des ,,Hochstiftes", wie man sagte. Natürlich lag man dabei wegen der Besitzrechte im oberen Mühiviertei zunächst mit den Babenbergern, dann mit den Habsburgern über die Jahrhun derte hin im heißen Streit. Natürlich konnte man, wegen der besonderen Privilegien des neuen Herzogtums Österreich, die Landesho heit im Donautai nur bis zum Jochenstein hin durchdrücken. Aber abgesprengte Passauer Herrschaften in Österreich gab es bis hin zum Jahr 1803. Die letzte um Schwadorf, weit un terhalb Wien. Und noch gibt es einen ,,Pas sauer Hof" in Krems oder steht in Zeiseimauer an der Donau der machtvolle Passauer An schüttkasten mit der Jahrzahi 1581. Aber die weltliche Herrlichkeit des Hochstiftes Passau verblaßt gegen die geistliche der wei ten Diözese, die, als die größte im Heiligen Rechts: Passau, Kloster Niedernburg, gotisches Hochgrab der hl. Gisela, Gemahlin des Ungarn königs Stephan des Heiilgen (997—1038), nach seinem Tod Helmkehr, Äbtissin des Nonnen klosters Niedernburg, gestorben um 1060. — Foto: Gregor Peda, Passau

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