Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

„Closter Au", Kupferstich aus Michael Wenings Topographie von Bayern, Band 3, München 1723 rmdiInn-Klöster bringt die enge wirtschaftliche und personelle Verflechtung mit Österreich, und zwar sowohl mit Ober- als auch mit Nieder österreich so deutlich zum Ausdruck wie Vornbach. Damit ist es auch zu erklären, daß sich das Kloster im Schul- und Sozialwesen seines Stammraumes am Inn kaum betätigt hat, weil es seinen österreichischen Interes sen Vorrang zu geben hatte'". Altbayern und Oberösterreich sind zur eigent lichen Heimat der Augustiner Chorherren ge worden. In diesen beiden Landschaften findet sich bis zur Säkularisation die stärkste Kon zentration von Niederlassungen dieser Chor herrengemeinschaft überhaupt. Die erste Stelle nimmt dabei St. Nikola vor Passau ein; durch seine Gründung, die Bischof Altmann vorgenommen hat, ist es zum Ursprungsort der Augustiner-Chorherren-Stifte in Bayern und Osterreich geworden. Die Neugründung oder die Umwandlung von bestehenden Or den in Osterreich innerhalb des Einflußgebietes des Bistums Passau ist von diesem Kloster aus erfolgt. Diesen ausgeprägten Schwer punkt der Ordensgründungen auf österreichi schem Boden hat die Besitzstruktur von St. Nikola noch bei seiner Aufhebung verkör pert. Etwa die Hälfte des Boden- und Rechts besitzes lag Im Nordosten Niederösterreichs. Wenn man dann noch das Kapital hinzunimmt, dann hatte St. Nikola seinen Besitzschwer punkt überhaupt auf österreichischem Boden'=. Der umfangreiche Kapitalbesitz von etwa 150.000 Gulden war im wesentlichen in den Kassen der Landschaft von Ober- und Niederösterreich und vor allem bei der Wiener Bank angelegt. Hinzu kam eine Vielzahl von Privatgläubigern, die vor allem aus Passau und aus der nächsten Umgebung des Stiftes stammten. Ähnliches Gewicht wie bei Aspach oder Vornbach hatte in der wirtschaftlichen Betätigung des Stiftes der Groß- und Einzel handel mit österreichischen Weinen, die überwiegend aus der eigenen Produktion stammten. Das umfangreiche Weinlager, das bei der Aufhebung vom Staat übernommen und dann unverzüglich zur Versteigerung - mit der Folge des Zusammenbruches des ört lichen Weinmarktes - ausgeschrieben wurde, gehörte zu den wichtigsten Vorratswerten, die bei der Säkularisation übernommen werden konnten. Auch der Besitz an Obereigentums rechten auf österreichischem Boden hatte an sehnliches Gewicht. Das Kloster besaß dieses Obereigentum an 38 einschichtigen Höfen im oberösterreichischen Hausruckviertel und an 18 Elnzelhöfen Im Innviertel. In Niederöster reich besaß St. Nikola zwei Herrschaften in Mautern und in Horn, selbstbewirtschaftete Weingüter in der Wachau sowie eine Herr schaft in Salzburg'®. St. Nikola eignet sich auch gut dazu, die Be deutung der Inn-Klöster auf geistigem und wissenschaftiichem Gebiet sichtbar zu ma chen, nämlich durch das Schicksal seiner Bi bliothek. Sie ist von dem Aufhebungskommis sar als vortrefflich bestellt und wohlgeordnet bezeichnet worden, betont wurde aber, daß kein Katalog vorhanden sei. Jedermann könne bei dem Bibliothekar einen Titel erfra gen, und dieser weise ihm dann das Buch aus freiem Gedächtnis nach. Dies betonte jeden falls der Aufhebungskommissar. Geht man von den Angaben der Akten aus, die leider nie genaue Zählungen bringen, dann kann man annehmen, daß die Klosterblbliothek etwa 10.000 Bände gehabt haben muß. Es fanden sich 24 Handschriften, 998 Inkunabeln - also Frühdrucke - und 166 Bücher In Folio, 213 In Quart und 1040 in Oktav. Die Spezialbücherkommission der bayerischen Säkularisations behörden unter dem Freiherrn Christoph von Aretin hat diese Bestände ausgewählt und in 17 Kisten nach München bringen lassen. Ein Passauer Gymnasialprofessor namens Du rach hat von den restlichen Büchern ein Ver zeichnis angefertigt, nach dem dann die Ver teilung auf die Bibliotheken von Ingolstadt und die Gymnasialbibliotheken von Passau und Straubing vorgenommen wurde. Nimmt man dieses Verzeichnis zur Hand, dann zeigt sich, daß die Bibliothek der Augustiner von Nikola fast eine technisch-wissenschaftliche Biblio thek mit einem Schwerpunkt auf den Gebieten der technischen Konstruktion und der Elektro technik war. Außerdem standen in Nikola voll ständige Sammlungen des bayerischen Land rechts aus dem 15. und 16. Jahrhundert, sämtliche Polizei-, Gerichts- und Strafrechts bestimmungen und eine umfangreiche Sammlung der Polizeiordnungen des alten Deutschen Reiches sowie der deutschen Ein zelstaaten. Daneben hatte eine ständig er gänzte Sammlung der Generalmandate Bay erns ihren Platz. Nicht weniger wichtig war na türlich auch die gesamte österreichische Ge setzgebung, weil man ja wegen der Besitzver teilung mit zwei verschiedenen Rechts- und Verwaltungssystemen arbeiten mußte. Am meisten hatten es aber offensichtlich die Technik und die Naturwissenschaft den Augu stiner Chorherren angetan. Fast 3000 Titel Ih rer Bibliothek kann man diesen Fachgebieten zuordnen. Dabei haben die im 18. Jahrhun dert so sehr entwickelten Handbuchreihen zu bestimmten naturwissenschaftlichen Themen besonders im Vordergrund gestanden. Das beginnt bei der Astronomie, setzt sich über die angewandte Technik bis zur Physik fort und mündet in einer besonders aufwendig ausge48

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