Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

der Reformation nur noch 13 Familien, die dem alten katholischen Glauben anhingen, und diese waren Scheffleut und Schifführer. Alle Getreideführer auf dem Inn sind bis zum Beginn des langen Krieges Bürger der Inn städte und Märkte. Danach ist das Gewerbe nicht mehr an das Bürgerrecht gebunden. Bäuerliche Schiffleute aus dem Gäu drängen viele Innstädter aus dem Beruf. Es waren nicht nur die klimatischen Bedin gungen und die unstete Wasserführung des Inn, die den Frächtern und ihren Mannschaf ten das Tagwerk erschwerten. Wohl mußten die aus der Donau kommenden und bergwärts fahrenden Schiffzüge in Passau, spätestens in Rosenheim umgeladen werden, um die Fahr zeuge nicht so stark zu tauchen. Hemmender für den Verkehr aber - und gewinnbringender für die Anlieger - waren die vielen Privilegien der Uferorte. Da gab es das Anschütt- und Niederlagsrecht, das den Frächtern gebot, ihre Ware am Anlegeplatz auszuladen und zum Verkauf anzubieten. Auf der Strecke von Linz nach Hai! in Tirol kassierten im 17. Jahr hundert 13 Zollämter Mautgebühren in Linz, Aschach, Engelhartszell, Passau, Neuburg, Schärding, Obernberg, Braunau, Otting, Was serburg, Rosenheim, Kufstein und Ratten berg. Transporteur und Lastträger Die Fiußstraßen im südlichen Einzugsbereich des deutschsprachigen Donauraums schie nen lange Zeit ohne Konkurrenz zu bleiben. Das änderte sich langsam, als den Handels leuten in Bayern mit den Reichsstraßen und in Österreich mit Maria Theresias Straßen neue Wege erschlossen wurden. Der Flußweg auf dem Inn jedoch ist eine der ältesten Straßen dieser Landschaft, die lange vordem Quartär, der geologischen Gegenwart, bei der Alpen faltung eine tektonische Störung geschaffen hat, die viel später dann, im Eiszeitalter, der Gletscher und seine Wasser als Straße vorge formt haben. Es ist gewiß, daß der Inn als Lastträger mehr Fracht als Menschen beför dert hat. Vor allem aber transportierte und transportiert er Geröll, Geschiebe und Schwebstoffe aus seiner Alpenheimat heraus ins Vorland. Das gute Dutzend Staustufen hat ,,dem bösen Geist der Landschaft", wie der Aipenwanderer Ludwig Steub noch im 19. Jahrhundert den Inn genannt hat, viel von seinem Schrecken für die Anlieger genom men. Weich eine Transportleistung solch ein alpines Fließwasser bewerkstelligt, veran schaulicht die Bilanz am Zusammenfluß von Inn und Saizach. Hier werden alljährlich 150.000 Kubikmeter Kies aus dem Flußbett gebaggert. Für den Nachschub sorgt vor allem die heute noch ohne Staustufen rasch flie ßende Salzach. Wenn auch ein Tiroler Chronist überliefert: ,,Der Wein sind dieses Landes meiste Lo sung", so steht im Frachtkontor doch das Ge treide an erster Stelle. Es wurde vor allem aus den österreichisch-ungarischen Kornkam mern nach Tirol getreidelt. Vom Getreide leitet sich das ,,treideln" ab, der Transport zu Was ser mit Pferden in der Bergfahrt. Im Herbst des Jahres 1600 haben in Hall ein Passauer, zwei Schärdinger, vier Wasserburger, vier öttinger, drei Rosenheimer, drei Haiier und ein Linzer Händler Getreide gelagert. Es gelangt von hier aus auch nach Südtirol und Oberitalien. Samer besorgen mit Saumpferden dorthin den Transport. Der Inn war die Handeisstraße für englisches, böhmisches, mährisches Tuch, für Seide und Krämereien aus Italien, für Gewürze aus dem Orient, Haggenbüchsen und Eisenkugein, Ti roler Erz und Kupfer. Die Saizfracht erwies sich schließlich als ein Politikum. Salz aus den Salinen von Hallein und Reichenhall beförder ten Laufener Schiffmeister nach Burghausen, Obernberg und Passau. Dagegen versperrten die bayerischen Herzöge dem Haller Salz den Flußweg ins Unterinntal, dessen drei ,,untere Gerichte" - Kufstein, Kitzbühei und Ratten berg - lange Zeit bayerisch waren. Haller Salz war weitgehend auf den Samertransport im Gebirge angewiesen. Wein dagegen wurde flußauf und -ab auf dem Inn befördert. Traminer und Etschtaler und andere südalpine Sor ten waren die wichtigsten Exportartikel von Ti rol nach Bayern sowie nach Linz und (be schränkt) nach Wien. In der Bergfahrt kam der ,,Osterwein" aus dem Burgenland und der Wachau sowie aus Ungarn in die Alpenländer. Die Passauer Mautbücher nennen im Jahr 1402 mehr als 100.000 Hektoliter Tiroler Wein, der flußab verschifft wurde. Wenn sich im 17. Jahrhundert dann in Bayern ein Ge schmackswandel vollzog und man hier mehr Bier als Rebensaft trank, so hatte das einen politischen Hintergrund. Der Tiroler Wein war mit hohen Zollvereinsabgaben belegt worden, zugunsten der Pfälzer und rheinischen Sorten. Das bewirkte, daß ,,Vaß" und Panzen auf den Innschiffen seltene Güter wurden. Wenig spä ter begründen böhmische Hopfenbauern am Inn die Hopfenzucht. Brauereien und Bierwirt schaften entstehen in den Uferorten, Hopfen stangen zählen zu den Transportgütern auf dem Inn. 800.000 Stangen sind es im Jahr 1867, die in Wasserburg transportiert werden. Zu dieser Zeit führen Zement, Kalk und Gips mit 684.000 Zentnern pro Jahr die Frachtgutli sten an. Von 1835-1847 werden Kalkbruch steine vom Heuberg bei Rosenheim auf dem Inn nach Linz verschifft, wo Kaiser Ferdinand die Stadt mit großen Wällen schützen läßt. Vor Eröffnung der Bahnstrecke München-Rosenheim-Saizburg im Jahr 1860 werden auf dem Inn jährlich 2 bis 3 Millionen Zentner Fracht befördert. Darunter sind 1867 noch 1000 Stück Tiere, Gerste (903.000 Zentner), Südfrüchte (20.000), Käse (5000). in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verfrachtet man nur noch Zement und Bauholz auf Plätten. Von Weidach, flußaufwärts von Kufstein, gingen wöchentlich 12 bis 15 Trans porte ab nach Wien und Budapest. Die Ein wegplätten hatten je eine Tragkraft von 4000 Zentnern. Bei gutem Wasserstand wurde je des Boot mit 350 Faß Zement,,getaucht". Der Ladevorgang endete mit einer Zoliinspektion sowie Gebeten, die der Schreiber in der Hauptplätte und der Koch in der Schiffplätte vorsprachen: O du mein heiliger Sebastian wir rufen dich an du sollst bei Gott die Gnad erwerben daß wir den gachen Tod nicht sterben ... So beginnt eine der Fürbitten, die sich immer an einen Wasserheiligen (Nikolaus, Nepomuk u. a.) wendet. Hof- und Heerstraße Im August des Jahres 1674 reist die Erzherzo gin von Österreich auf dem Inn von Innsbruck nach Wien. Die Rosenheimer Bürger warten Rechts: Heimatmuseum Rosenheim, Modell eines Innschiffahrtszuges. — Foto: Molodovsky, Prien am Chiemsee 38

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