Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

Die Passauer Domkirche und der Donau-Osten Benno Hubensteiner Passau: Wir alle haben die unvergleichliche Lage vor Augen. Die drei Flüsse, wie sie hier zusammenkommen, schon für die Menschen der Vorzelt den festen Punkt abgegeben ha ben und die Verlockung zum Bleiben. Und dazu noch die ,,schwimmende Stadt" selber auf ihrer gedrängten Halbinsel: Häuser, Palä ste, Kirchen, Kapellen - alles überragt vom hohen Dom mit seinen barocken Kuppeln, seinem stellen gotischen Chorhaupt, das nach Osten weist wie ein stoßbereites Schiff. Nach Osten, dem schweren, ziehenden Lauf der Donau nach. Oder wenn wir den Dichter Kon rad Weiß zitieren dürfen, den ,,Wanderer in den Zeiten": ,,Passau - es Ist fast etwas Mythologisches schon rein im Naturgefühl, das sich hier mit dem geschichtlichen Sinne und mit der christlichen Welle trifft und In einer Form verbindet, die uns das Barocke als not wendige Sinneskraft erleben läßt." Freilich, aus dem Schleier der Geschichte taucht zunächst die Keltenstadt Passau auf. Sie heißt ,,Boioduro", nach dem keltischen Volk der ,,Boler", das vielleicht sogar noch unserm Baiernstamm den Namen gegeben hat. Und unter Kaiser Augustus kommen dann schon die Römer, und well der Inn die Grenze macht zwischen den Reichsprovinzen Rätlen und Norlkum, Hegen die Kastelle einander ge genüber: ,,Bolodurum" auf der einen Flußsel te, ,,Castra Batava" auf der andern. Wir sagen einfach ,,Römerzeit", aber es sind doch mehr als vierhundert Jahre eigener Ge schichte, und sie bringen unserem Land das frühe Christentum. Und als dann das Reich bereits wankt unter den Stößen der germani schen Völkerwanderung, steht gerade In unserm Raum eine Persönlichkeit da, voll Tat kraft und selbstverständlicher Würde - der hellige Severin, einst hoher römischer Beam ter, jetzt nur noch schlichter Mönch. Wieder bietet Passau eine einmalige historische Si tuation: well nämlich hier die Lebensbeschrei bung des heiligen Severin aus der späten An tike, das Latein von 511, zusammengeht mit den allerneuesten Ausgrabungen, drüben in der Innstadt um den Beiderbach, herüben Im alten Klosterbereich von Niedernburg. Wir se hen es förmlich, wie die letzten Römer sich hier einmauern und verbarrikadieren und wie die Kontinuität des Lebens und des Glaubens zufließt auf uns Heutige. Nur, die schriftlichen Quellen schwelgen sich mit dem Tod des heiligen Severin völlig aus. Als der Vorhang wieder aufgeht, sitzt bereits überall das germanische Volk der Baiern im Land, hat hier in Passau eine seiner Herzogs pfalzen. Und 739 erscheint der heilige Bonifa tius als römischer Legat im Land, um die kirch lichen Verhältnisse neu zu ordnen. Über die bayerische Kirche, über Regensburg, Salz burg, Freising, geht ein großes Donnerwetter nieder. Einzig der Bischof, der in Passau resi diert, Vivllo heißt er, kann seine apostolische Sendung nachweisen, und Bonifatius muß sich damit begnügen, ihm den Sprengel fest zuschreiben. Bischof VIvilo und seine Kathe drale: das ist sicher bereits der Platz, an dem unser Stephansdom steht, und die West grenze des Bistums, sie läuft von der Isar mündung zum Arberstock wie heute noch. Nur im Osten geht die Urdiözese der Donau nach bis hin zur baierischen Stammesgrenze an der Enns. Das Land Oberösterreich gibt es näm lich noch gar nicht. Und schon früh springen auch zwei ganz große Benediktinerabteien ein: Niederaltaich an der Donau als das erste Kloster des flachen Landes überhaupt, dann das fürstliche Kremsmünster mit der Aufgabe der Slawenmission. Ganz am Rande des Bis tums, in Lorch an der Enns, dämmert auch noch das alte Lauriacum dahin: ein verfallener Bischofssitz der Römerzeit, vielleicht sogar die erste Hauptstadt der Baiern, jedenfalls ehrwürdig durch die Erinnerung an das Marty rium des heiligen Florian und seiner Gefährten in der letzten großen Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian. Man sieht, wir müssen immer wieder von der Enns sprechen, wie sie grün und kraftvoll aus dem Gebirge herausbricht. Für die Diözese Passau war sie eine nicht ungefährliche Gren ze, denn gleich hinter dem Fluß saßen heidni sche Slawenstämme, Untertan dem wilden mongolischen Awarenreich mit seinem Kaghan irgendwo in der großen Ebene zwischen Donau und Theiß. Den Awaren, die den Baiern schon manche Niederlage beigebracht hatten; die erst ums Jahr 700 das alte Lorch in Trüm mer gelegt hatten. Nach dem Sturz Herzog Tassilos ML, 788, wird das alte Stammesherzogtum endgültig dem Frankenreich eingefügt, und auch die Baiern müssen es hinnehmen, daß Karl der Große im fernen Aachen ihr oberster Herr ist. Gewiß, Kaiser Karl hat in der bayerischen Geschichte keine gute Zensur. Dem steht allein schon die schnöde Art entgegen, in der er mit Herzog Tassilo umgesprungen ist. Aber für unseren Donau-Osten ist Karls Regierung trotzdem von epochaler Bedeutung. Er erst kann mit der zusammengefaßten Kraft seines Imperiums zum Stoß gegen die Awaren ausholen und bis zur Theiß hin jeden Widerstand brechen. Die einzelnen Feldzüge, die neuen Marken und slawischen Satellitenstaaten, uns interessie ren sie heute nicht mehr: wir wollen nur fest halten, daß sich der bayerischen Kirche mit ei nem Schlag ein ungeheures Missionsfeld auf tut. Zwar wird zunächst Salzburg, wo Karls Freund und Vertrauter Arn regiert, über Frei sing, Regensburg und Passau hinweg zum Erzbistum erhoben, erhält die neue Erzdiö zese sozusagen den Löwenanteil, aber für Passau öffnet sich wenigstens das Donautal von der Ennsmündung bis über den Wiener wald hinaus. Noch steht, wehrhaftig und trutzig selbst heute noch, St. Michael in der Wachau als die Pas sauer Haupt- und Taufkirche dieser Zeit am großen Strom. Noch ahnen wir den Weg der Passauer Glaubensboten nach Mähren hin ein. Passauer Chorbischöfe aber, eigens für die Mission aufgestellt, sind uns urkundlich bezeugt, und zwar in Haslau und In Prellenkirchen, in Nußbach und in ödenburg - also weit hinter der späteren Stadt Wien. Bis zuletzt in diesem verfließenden Ostraum, zur Zeit der Slawenapostel Kyrill und Method, die bayeri sche und die byzantinische Mission hart aufPassau — die „schwimmende Stadt", Bischofs stadt an drei Flüssen, Im Vordergrund die Donau, im Hintergrund der Inn, „alles überragt vom hohen Dom mit seinen barocken Kuppeln, seinem steilen gotischen Chorhaupt" ... — Foto: Molodovsky, Prien am Chiemsee

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