Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

Der Inn - Geschichte einer Flußschiffahrt Hans Heyn Der 25. August des Jahres 1765 schien ohne großes Licht zu sein. Denn als ein Braunauer Schiff knecht am Morgen die Lände herabkam, lag dichter Nebel über dem Inn. Stunden spä ter kam ein Schiffzug in Sicht, noch ehe die Rufe der Schiffleute, der Nauferger, Nachkehrer und Knechte zu hören waren. Später dann zählten die Leute 19 Schiffe. Wieviele Schiffe auch seither den Inn herabgeschwommen sind, diese Prozession hat sich nicht wieder holt. Zwei Tage zuvor hatten die Glocken noch Jubel bedeutet, als sie in Innsbruck die Hoch zeit des Erzherzogs mit der Infantin einläute ten. Gestern und heute verkünden sie Trauer, denn der Kaiser ist gestorben. Franz I., von Gottes Gnaden erwählter römi scher Kaiser, König von Germanien, zu Un garn, Böhmen, Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund und Lothringen, gefürsteter Graf von Habsburg, hat seine letzte Reise auf Erden angetreten. Gestern hatten an der Lände von Hall ihm die Tiroler Bischöfe das Geleit gegeben. Die Botschafter von Frankreich und Spanien waren gekommen. An Herzögen und Fürsten, an den Herren von Tirol, den Grafen Enzenberg und Spaur, de nen von Wolkenstein und Trapp vorbei, hatten sie den Sarg auf die Hohenau, das Haupt schiff, getragen. Es folgte der Schatz des Rei ches, die Krone, der goldene Apfel, das Zepter und die Urne, die das Herz des Toten noch heute birgt. Die Flottille, die, wie keine andere. Tausende vom Ufer aus mit den Augen verfolgten, wird sieben Tage nach Wien unterwegs sein. Der Aichinger von Hall, der einzige kaiserliche Hofschiffmeister, der auf dem Inn gefahren ist, führt sie. Hundertfünfzig ,,Scheffleut" haben acht. Lotsen, Seßthaler, die die Schiffe führen. Rosenheim, Relief auf einer Hausfassade Max-Josef-Platz: Der Wassermann trägt einen Innschiffahrtszug. — Foto: Elisabeth Ettelt, Rosenheim Naufergen und Kehrer, sind angeheuert auf dem Leibschiff, dem Gammerschiff, dem Frauen-Hofmaisterinschiff, dem Gelaitsleutenschiff, dem Schiff für den ,,Herrn doctor beichtvater", für die Kuchl- und Fourierbuchen und die Roßschiffe. 250 Jahre lang fuhren auf dem Inn die Leibschiffe der bayerischen und österreichischen, der kurfürstlichen und kai serlichen Höfe. Die Reise des toten Kaisers zählt zu den letzten Hoffahrten. Seine Gemah lin, Maria Theresia, eine der großen Frauen Europas, hat zur Erinnerung an das Gesche hen in Hall eine Kapelle bauen lassen. Die Johanneskapelle steht dort, wo der Schiffzug im Jahr 1765 abgelegt hat. Die Anfänge liegen im Dunkel Wir wissen nicht, wann erstmals Schiffe auf dem Inn verkehrt, das heißt flußab gefahren sind, denn daß die Treidelfahrt, die Schiffahrt flußauf, bei der erst der Mensch und dann das Pferd die Plätten auf Treppelweg und Huf schlag gezogen haben, später eingesetzt hat, das darf man annehmen. Die ersten Schiffe werden Einbäume gewesen sein, aus einem Baumstamm gehauene und gebrannte Boote. 1 r', •' -.^vViV I 35

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