Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

nicht selten vorkam. Wernher, der letzte einer adeligen Familie, die sich nach der Burg Reichersberg nannte, setzte ,,Gott und den heiligen Michael" als Erben ein. Damit ist nach der Terminologie der Zeit die Gründung einer klösterlichen Gemeinschaft ausgedrückt. Der einzige Sohn Wernhers und seiner Gattin Dietburga, der nach seinem Onkel mütter licherseits, Erzbischof Gebhard von Salzburg (1060 bis 1088), benannt war, verstarb in jun gen Jahren. Wernher ging daran, die Burg für ein Kloster zu adaptieren und mit seinen Gü tern für den Unterhalt der Klostergemeinschaft ■ zu sorgen. Da die Verwandten damit nicht ein verstanden waren, kam es zu langandauern den Erbsteitigkeiten, die noch verschärft wur den, weil die Verwandten im Investiturstreit auf kaiserlicher Seite standen, Wernher und das junge Kloster aber auf päpstlicher. Mehrmals waren die Reichersberger zur Flucht gezwun gen, die Besitzungen wurden entwendet. Die beiden ersten Klostervorsteher Berwin (1110 bis 1116), den der Salzburger Erzbischof aus Sachsen berufen hatte, und Gottschaik (1122 bis 1132) resignierten. Die Einflußnahme Salzburgs auf Reichersberg geht auf die Gründungszeit zurück. Damais hatte Wernher seine Stiftung dem Salzburger Erzbischof überantwortet - er war sein Schwager. Salz burg sollte auch durch seine Hauptvögte den Schutz des Klosters garantieren. Als 1132 der damalige Rottenbucher Chorherr Gerhoch als Propst berufen wurde, setzte eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung ein. Ger hoch fand bereits eine 1126 geweihte Kiosterkirche vor. In 37jähriger Regierungszeit (1132 bis 1169) konnte er trotz mancher Schwierig keiten, die auch ihm nicht erspart blieben, das Stift, das inzwischen die Ordensregel des hl. Augustin angenommen hatte, zu wirtschaft licher Sicherheit und auf geistig-geistliche Höhe führen. Um die interessen seines Stiftes und der Reformbewegung der AugustinerChorherren möglichst effizient zu vertreten, reiste er neunmal nach Rom, mehrmals an den jeweiligen Aufenthaltort des Kaisers und wurde durch die Vielzahl seiner Schriften der radikale Theoretiker der Chorherrenreform. Jeder Seelsorger sollte regulierter Chorherr sein. Auch Gerhochs Bruder und Nachfolger, Arno (1169 bis 1175), war als Schriftsteller hervor getreten und kämpfte im Sinne Gerhochs für das Anliegen der Chorherren. Noch vor Ende des 12. Jahrhunderts konnte das Stift die Wasserversorgung zufriedenstel lend lösen, indem man den Senftenbach zum Stift leitete. In den ersten Jahren seines Bestehens hatte Reichersberg außer im eigenen Ort keine pfarrlichen Seelsorgsaufgaben wahrzuneh men. Die Pfarren der Umgebung waren be reits vergeben, und da der Gründer des Stiftes kein Bischof und der dem Stift am nächsten stehende Bischof nicht Diözesanbischof war, konnten zum Stiftungsgut keine Pfarren mit gegeben werden. Aber 1144 veriieh der Salz burger Erzbischof Konrad 1. dem Stift Zehent rechte im Gebiet der Großpfarren Pitten und Bromberg nahe der damaligen ungarischen Grenze. 1149 baute man dort für die Chorher ren eine Kapelie und aus diesen kleinen An fängen entwickelte sich seit 1160 ein ausge dehnter Seelsorgsbereich von acht bis zur Gegenwart inkorporierten und auch durch Chorherren betreuten Pfarren sowie zwölf Patronatspfarren, die von Weitpriestern ver sehen werden. Inzwischen hatte 1156 der Passauer Bischof Konrad (1149 bis 1164) die große Pfarre Münsteuer in der Nähe des Stif tes den Chorherren übergeben, auf deren Ge biet heute sechs Pfarren bestehen, von denen dem Stift heute noch drei (bzw. mit Reichers berg selbst vier) inkorporiert sind und von ihm pastoriert werden. Im 13. und 14. Jahrhundert erreichte das Stift bei weitem nicht mehr die Höhe, die sie unter Gerhoch besessen hatte. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und poiitische Ereignisse schadeten dem Kloster. Einige Pröpste sahen sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen und leg ten ihr Amt zurück. Anläßiich der Klostervisitation durch Kardinal Nikolaus Cusanus sollte mit dem Jahr 1451 die strengere Raudnitzer Ordnung eingeführt werden. Die Reichersberger Chorherren unter ihrem Propst Paul Tellenpeck (1415 bis 1468) beriefen sich auf den jahrhundertealten Zu sammenhang mit dem Domstift Saizburg. Da her wollten sie weiterhin die Salzburger Statu ten von 1216 beobachten. Bei der nächsten Visitation 1466 mußte nochmals eingeschärft werden, die Salzburger Statuten aufzugeben. Propst Paul schickte die jungen Theologen zum Studium an die Universität Wien, Dechant Erhard Pilch verfertigte Abschriften aller vor handenen Urkunden und der Gütervenwalter Bartholomäus Hoyer legte eine Art Wirt schaftsgeschichte des Stiftes an. Die protestantischen Lehren fanden auch im Stiftsbereich Eingang. Propst Hieronymus Weyer (1527 bis 1548) kämpfte auf seine Weise gegen die neue Lehre. Er kaufte luthe rische Bücher auf und verbrannte sie. Das im katholisch gebiiebenen Bayern gelegene Stift hatte die Zeiten reiativ gut überstanden. Aber auf den entlegenen Pfarren in Niederöstereich verbreitete sich die neue Lehre rasch und nachhaltig. Es dauerte lange, bis die Chorher ren dort wieder ungestört wirken konnten. „Das Stift Reichersberg (im Innkreise)", Lithographie von ignaz Rode nach einer Zeich nung von Johann Ev. Lamprecht, aus der Litho graphischen Anstait von Jos. Hafner, Linz, um 1840. OÖ. Landesmuseum OA I 233/4b. — Foto: Eiersebner (t) % 29

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