Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

nach dem Thronwechsel des Jahres 1106 zu rückkehren und das Aufbauwerk in Ihrem Sinne fortsetzen. Das Kloster St. Nikola hatte sich in kurzer Zeit einen so guten Ruf erworben, daß Erzbischof Konrad I. den Chorherren Hartmann 1122 als ersten Dekan an das neu errichtete Salzbur ger Domstift berief. Dies muß aber nicht be deuten, daß man in St. Nikola und in Salzburg nach denselben Ordensgewohnheiten (consuetudines) lebte. Wenige Jahre später wurde Hartmann Propst des ebenfalls neu errichte ten Chorherrenstiftes Chiemsee und 1133 war er berufen, als Propst im Stift Klosterneuburg die Regel des hl. Augustin einzuführen (gest. 1140/41). Bekannt war das mittelalterliche Scriptorium (Schreibschule) des Stiftes St. Nikola. Eine Geschichtsschreibung in Form von Annaien oder Chroniken hat sich aber nicht entwickelt. Einige Pröpste hatten auch Funktionen eines bischöflichen Kapellans zu erfüllen. Die inkorporierten Pfarren und der materielle Besitz sind seit der Gründung dem Stift lang sam zugewachsen. Beides verblieb bis zur Aufhebung im Verband des Klosters. Infolge der Streu läge der Klostergüter mußte man be strebt sein, mit möglichst vielen Adeligen gute Beziehungen herzustellen. Die Landeshoheit über das Stift ging gegen den Widerstand der Bischöfe an die bayerischen Herzöge über. Diese rechtliche Situation führte nicht selten zu Unstimmigkeiten zwischen der bischöf lichen Stadt Passau und den Herzögen bzw. deren Beamten. Der Leidtragende war mehr als einmal das Stift. Das 15. Jahrhundert war auch für St. Nikola eine Zeit neuer Reformansätze, doch ohne sichtbaren Erfolg. Die Reformation fand im Stift bald Anhänger. Propst Thomas Gruner (seit 1547) trat 1556 zum Protestantismus über und ging nach Österreich. Der Dekan August Trapp und einige Chorherren folgten seinem Beispiel. Doch zehn Jahre später ging es im Stift wieder aufwärts. Dieser Auf schwung hielt Im 17. und 18. Jahrhundert an. Seit Propst Claudius Aichel (1666 bis 1683) dürfen die Klostervorsteher Intel und Stab verwenden. Unter seinem Nachfolger Eustachius Hauser (1683 bis 1689) wird der bereits begonnene Neubau des Stiftes fortgesetzt, vielleicht unter der Leitung von Carlo Antonio Carlone, der jedenfalls 1708 in St. Nikola verstarb und auch dort begraben wurde. In den Jahren nach 1715 wurde die Stiftskirche durch Johann Michael Prunner und Jakob Pawanger im Gei ste des Barock umgestaltet. Den großen Freskenzykius, die Wundertaten des Kirchenpa trons Nikolaus darstellend, schuf Wolfgang A. Heindl aus Weis, den Stuckrahmen dazu das Brüderpaar d'Ailio. Die übrige Kirchenausstat tung stammt von Joseph Matthias Götz aus Bamberg, den aber die passauische Zunft als Konkurrenten ablehnte. Propst Joseph Griesmüller (1712 bis 1741) verlegte die Werkstätte ins Stift und somit war der passaui sche Einfluß ausgeschaltet. Die prachtvolle Stuckdecke im Speisesaal des Klosters schuf um 1735 Franz Ignaz Hoizinger aus Schörfling am Attersee. Das Stift legte großen Wert auf eine gediegene Bibliothek, die bei der Aufhebung ca. 20.000 Bände zählte. Noch 1791 wurde eine be rühmte naturkundliche Sammlung erworben. Die Abtretung des Innviertels 1779 an Öster reich hatte dem Stift materielle Einbußen ge bracht. Dazu kamen die Belastungen infolge der Napoleonischen Kriege. Die Existenzfä higkeit des Klosters war jedoch keineswegs gefährdet. Der großen Säkularisierung des Jahres 1803 fiel auch St. Nikola, das damals 17 Konventuaien im Stift und 22 auf den inkor porierten Pfarren zählte, zum öpfer. Sechs Pfarren lagen in Bayern, eine in Niederöster reich und fünf in Oberösterreich (Alkoven, Grieskirchen, Pollham, Roitham, Wimsbach). Die Seelsorger blieben auf ihren bisherigen Posten. Dazu kam noch seit dem 11. Jahrhun dert bis 1785 das einträgliche Benefizium an der Kirche Maria Anger in Lorch/Enns. Die vier in Österreich gelegenen Freidhöfe (Wirt schaftshöfe in Aschach, Mautern, Horn und Kiosterneuburg) wurden von der niederöster reichischen Staatsgüter-Administration ein gezogen und später verkauft. Das Stift wurde gründlich ausgeräumt und die Stiftsgebäude dienten ab 1809 militärischen Zwecken. Die wertvolle barocke Kirchenaus stattung kam in die eben abgebrannte Kirche von Viishofen. Ranshofen Erstmals wird der ört Ranshofen als ,,Ran desdorf" im Jahre 788 genannt, als ein Mann namens Rate dort sein ererbtes Gut an der Enknach der Passauer Domkirche vermachte. Ranshofen wird als herzoglicher Hof ausge wiesen. Es wird sich wohl um einen in günsti ger Verkehrslage errichteten alten baye risch-herzoglichen Verwaltungsmittelpunkt gehandelt haben, der nach dem Sturz Herzog Tassilos III. 788 auch unter fränkischer Herr schaft seine Funktion beibehielt. Nach der Reichsteilung unter die Söhne Kaiser Ludwigs des Frommen 830 ist Ranshofen im Besitz der deutschen Karolinger nachzuweisen. Der Ort heißt königliches Landgut (villa regia), Kö nigshof (curtis regia) oder Pfalz (palatium). Kaiser Arnulf (gest. 899) ließ in der Pfalz eine dem hl. Pankratius geweihte Kirche erbauen und stattete diese mit entsprechenden Gütern aus. Die Kirche wurde dem Priester EllimRanshofen, ehemalige Stiftskirche, Grabstein des Propstes Blasius Rosenstingl, gestorben 1504, zu Füßen einer schwebenden Marienfigur mit Kind die hll. Elisabeth und Magdalena, die ihre Hände knienden Kanonikern auflegen. — Foto: Elfriede Mejchar, Wien Rechts oben: Ranshofen, ehemalige Stifts kirche, Deckenfresko am Langhausgewölbe von Christoph Lehrl, 1697/98 (der Maler war ein Augustiner-Laienbruder im Kloster Höglwörth bei Teisendorf), Darstellung: Triumph des hl. Pankratius mit Ansicht des Klosters Rans hofen. — Foto: Elfriede Mejchar, Wien 26

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