Die Augustiner-Chorherrenstifte am Inn Karl Rehberger •K-r .f i r Wenn 1984 das Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg am Inn seinen 900jährigen Be stand feiert, so geschieht dies in einer Kloster gemeinschaft, die als einzige ihrer Art im ehe maligen bayerischen Land bis zur Gegenwart überlebt hat. In der Kanoniker-Reformbewegung des 11. und 12. Jahrhunderts waren am Inn zwischen Alpen und Donau sechs Chorherrenstifte ent standen, in Oberbayern insgesamt 17 und al lein in Mitteleuropa über 400. Von den einst 27 Stiften im heutigen Österreich und Südtirol sind nur sechs übriggeblieben: St. Florian, Herzogenburg, Klosterneuburg, Neustift bei Brixen, Reichersberg und Vorau. Sie bilden erstmals seit 1907 eine eigene Kongregation. Die sechs Chorherrenstifte entlang des Inn waren: Gars, Au, Hanshofen, Reichersberg, Suben und St. Nikola in Passau. Die Ge schichte dieser Stifte ist ein ständiges Auf und Ab. Auf Höhepunkte in klösterlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht folgten mehr oder Suben, ehemalige Stiftskirche, Langhausfresko von Johann Jakob Zeiller 1768: Apotheose des hl. Augustinus. Foto: Elfriede Mejchar, Wien weniger ausgeprägte Tiefstände. Die Ursa chen dafür konnten in den Stiften selbst liegen oder im Gefolge äußerer Ereignisse auftreten. Aber immer wieder waren es einzelne tatkräf tige Klostervorsteher, die einen neuen Auf schwung herbeiführten, der meist auch in ver stärkter Bautätigkeit seinen Niederschlag fand. Das verschieden breit gefächerte Netz von inkorporierten Pfarreien und der meist in Streulage den Stiften zugehörige Besitz brachten die Chorherren mit weiten Kreisen der Bevölkerung in Berührung. Künstlerische Impulse strahlten auf die inkorporierten Pfar ren aus. Mehrfach trifft man dieselben Künst ler in verschiedenen Klöstern an. Die Stifte mit ihren Besitzungen stellten einst nicht zu unter schätzende Wirtschaftskörper dar, sie boten vielen Menschen Arbeitsplätze und waren durch Jahrhunderte geistig-geistliche Bezugs punkte. Die Bevölkerung war eng mit diesen alten Klöstern verbunden, deren Angehörige infolge der stabilitas loci (dauernde Zugehö rigkeit zu einem bestimmten Kloster) ihrer Umwelt vertraut waren. Das gilt in besonde rem Maße für die Seelsorge in den inkorporier ten Pfarren, die in Einzelfällen von Anfang an in der Hand von Klosterangehörigen lag oder im Laufe der Jahrhunderte von diesen über nommen wurde. In größerem Umfang ge schah dies im 16. Jahrhundert. Seit dem 17. Jahrhundert sind fast überall diese Pfarren mit Stiftspriestern besetzt. Die meisten von ihnen biieben auch nach der Aufhebung ihrer Stifte auf ihrem Posten. 21
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