Oberösterreich, 34. Jahrgang, Heft 1, 1984

Bücherecke geprägt von einer Autorenpersönlichkeit, die aus der Böhmerwaidlandschaft stammt, in der noch Kind heitserinnerungen fortleben, die dann in ihrem Lehrberuf in die alte Heimat zurückkehren konnte und diese nun im Ruhestand sich neu enwandert hat. in der Reichhaltigkeit seiner naturkundlichen und hi storischen Informationen ist dieses Werk als Sach buch zu bezeichnen. Geschrieben wurde es jedoch mit so viel Liebe und Anschaulichkeit, daß der Leser angeregt wird, auch einmal in den ,,Wald" hinein - ,,eini" in der Sprache der Böhmerwäidier - zu ge hen, um neu gestärkt wieder ,,außi" zu kommen. Die Einstimmung in den Inhalt gibt das Kapitel, in dem der Autor das ,,Wesen" seiner Landschaft in großen Linien zeichnet. Daran schließt die ,,Naturgeschichte des Böhmer waides", dieser eindrucksvollen Wasserscheide zwischen Nordsee und Schwarzem Meer, diesem ,,Rückgrat Mitteleuropas". Wir werden zurückge führt in die Jahrmiiiionen der Erdgeschichte, in de nen dieses mächtige Granitmassiv mit seiner schwermütigen Waid- und Waidpfianzendecke ausgebildet worden ist. Wir erfahren von granitenen Biockpfeiiern, Biockburgen, Biockmeeren und Biockstreu. Wir erleben in Wort und Bild die Land schaft der Hochmoore - Bayerische Au, Deutschhaidi, Böhmischhaidi, Aueri -. 300 Biütenpfianzen sowie 500 Moos- und Fiechtenarten gibt es in dieser Waidlandschaft. Die Schiägerung in all ihren techni schen Arten - Kahischiag, Schirmschiag, Pienterung usw. - und früher in der Koionisationszeit die Rodung haben ihr gegenwärtiges Antlitz geformt, auch Sturm- und Brandschäden. Ernsthaft mah nend wird auf die Gefährdungen des Waides in der Jetztzeit hingewiesen. in der,, Kulturgeschichte" werden vor allem die alten Adeisgeschiechter - die Witigonen (Rosenberger), Schwarzenberg und Faikensteiner vorgestellt. Dar auf folgt die Geschichte der Klöster: Siage - Schiägi (gegründet 1209/18), Hohenfurt (gegründet 1259) und Goidenkron (gegründet 1260). Es ist eine histo rische Wanderung in Kurzform, in der wir zu diesen kirchlichen Kulturzentren geführt werden - bis zu den Bedrängnissen der Gegenwart, die für Hohen furt und Goidenkron eine totale Ausiöschung brach ten. immer wieder weist Sonnleitner auf dieses Hü ben und Drüben hin, das es auch in dieser Land schaft einst gegeben hat und dessen ,,Symmetrie" durch Menschenhand brutal zerstört worden ist. Ein eigenes Kapitel ist ,,Drei kleinen Weitwundern" des Böhmerwaides gewidmet, der Pferdeeisenbahn Linz - Budweis, diel 832 eröffnet, bereits 1875 wie der eingestellt worden ist, dem ,,Schwarzenberger Schwemmkanai", der ,,ein Jahrhundert lang die Hauptschlagader dieses Wirtschaftsraumes" (bis 1915 in Betrieb, allerletzte Hoiztriftung 1930) war und den alten Glashütten, die ab der Mitte des 17. Jahrhunderts bis etwa 1900 florierten, heute lei der nur mehr Legende sind. Geblieben sind reizvolle Sammelstücke, wie etwa die in ausgezeichneten Farbfotos vorgeführten Wasserbarometer, Weih brunnkessel, Warzenkrug, bemalte Krüge, Pokale, Perlenkette, Schnupftabakfiäschchen . .. ,,Geschenke des Böhmerwaldes" ist das nächste Kapitel überschrieben. Einst gab es hier sogar die Hebung von Bodenschätzen, wie Gold, Perlen, vor allem Graphit und Torf. Bestimmende Wirtschafts faktoren blieben bis heute jedoch das Holz und das Wasser, nicht zu vergessen das Wild. Schließlich erzählt Sonnleitner noch anschaulich von den Früchten des Waides-Waidwiesen, Beeren, Pilze, Flachs-und beschreibt iiebevoii die Menschen des Böhmerwaides - den Bauer, den Hoizhacker, den Steinhauer, die ,,Boarichter", Waldpropheten und Schwärzer. .. Die Gegenwart kommt zu Wort mit der Darstellung der Wandererschließung des Böhmerwaldes, die von Adalbert Stifter mit seiner Erzählung ,,Hoch waid" (ungewollt) eingeleitet worden ist und heute auf vielen Weitwanderwegen, am bekanntesten der Nordwaidkammweg, und im Winter im Skigebiet des Hochfichts erlebt werden kann. Das Kapitel ,,Torso Böhmerwaid" schildert den geographischen Todesstoß dieser Landschaft nach 1945, von der jetzt nur mehr das ,,Hüben" weiter lebt. Dieser schmerzliche Akkord wird jedoch gemildert durch das schöne Bekenntnis des Autors, daß der ,,Böhmerwaid - noch immer Stiftenveit" ist. Sein dichterischer Geist hat ja auch ihn bei seiner literari schen Würdigung dieser ,,schwermütig schönen Teile" unseres Heimatlandes Oberösterreich deut lich inspiriert. O.W. Eine bemerkenswerte Bereicherung der Salzkammergut-Llteratur Monika Oberhammer: Sommervillen im Salzkam mergut Die spezifische Sommerfrischenarchitek tur des Saizkammergutes in der Zeit von 1830 bis 1918.- Salzburg: Verlag Galerie Welz 1983, 124 Seiten mit 147 Abbildungen nach alten Fotos u. Plänen sowie Neuaufnahmen v. Oskar Anrather, Ladenpreis S 700.-. Der Stellenwert des Salzkammergutes in der öster reichischen Kunstgeschichte als ,,Seeieniandschaft" der Maier des 19. Jahrhunderts ist allgemein bekannt und literarisch in reichem Maße ausgewer tet. Die wichtigste Veröffentlichung in dieser Hin sicht dürfte wohl das Buch von Heinrich Schwarz ,,Salzburg und das Salzkammergut. Die künstleri sche Entdeckung der Stadt und der Landschaft in den Bildern des 19. Jahrhunderts" sein, erschienen im Verlag Galerie Welz. Die gleiche Verlagsanstalt nahm sich dankenswerter Welse eines Manuskrip tes an, in dem kunstgeschichtliches Neuland aufbe reitet wird: ,,Sommerviiien im Salzkammergut. Die spezifische Sommerfrischenarchitektur des Salz kammergutes in der Zeit von 1830 bis 1918". Autorin ist Dr. Monika Oberhammer, Dozentin an der Uni versität Salzburg, ihr kongenialer fotografischer Mit arbeiter Oskar Anrather, der sich mit den Aufnah men zu diesem Werk in das Spitzenfeld der österrei chischen Fotografie vorgearbeitet hat. Monika Oberhammer mußte lange warten, bis sie für ihre vorzügliche kunstwissenschaftliche Arbeit einen Verleger fand. Eine Erklärung für diese War tezeit mag wohl sein, daß die Architektur des 19. Jahrhunderts, zum Unterschied gegenüber der gleichzeitigen Malerei des Realismus, auch heute noch von Vorurteilen überschattet wird. Falsche Romantik, Historismus, unschöpferische Geistig keit, so lauten etwa die Meinungen, die in den letzten Jahren wohl vielfach richtig gestellt, aber noch im mer nicht zur Gänze ausgeräumt worden sind. Monika Oberhammer bringt eine Auswahl von 35 Sommerviilen, davon 11 aus Ischl, eine aus Traunkirchen, 4 aus Gmunden, eine aus Aitmünster, 2 aus Alt-Aussee, 5 aus St. Gilgen, je 2 aus Mond see, Steinbach am Attersee und Attersee, sowie 5 aus Seewaichen. Jedes Objekt wird mit wissen schaftlicher Akribie beschrieben: Bauherr; Entwurf und Ausführung; Baugeschichte; Lage, Beschrei bung, Ausstattung; Charakteristik, Bedeutung; Lite ratur. Die Autorin mußte eine mühsame Forschungstätig keit auf sich nehmen, um zu ihren Darstellungen zu kommen - Durchsicht der Grundbücher, Pianarchive in den Gemeinden und einer meist nur schwer zugänglichen Literatur. Pläne, alte Ansichten und, wie schon erwähnt, wirkungsvolle Neuaufnahmen ergänzen biidmäßig die Beschreibungen. Diese umfangreiche Bestandsaufnahme stellt sie auf ein breites Fundament mit historischer Würdi gung des oberösterreichischen und steirischen Saizkammergutes. Dieser wissenschaftliche Essay gehört wohl zum Besten, was je über das Salzkammergut als eigenständige Wirtschaftsiandschaft, Landschaftsbegriff, als ,,kaiserliches" und ,,hannoveranisches" Hofiager, sowie als ,,Sommerfrische der Großen Welt" im francisco-josephinischen Zeit alter" - der Dichter, Musiker und Maier - geschrie ben worden ist. Bemerkenswert bei aller Dichte der Darstellung die breit gefächerte Fülle des Inhaltiichenl Die einzelnen Orte - Ischl, Geisern, Halistatt, Gmunden mit dem Traunsee, das Ausseerland, Wolfgangsee, Mondsee und Attersee - werden kul turgeschichtlich eindrucksvoll porträtiert. In dem Kapitel,,Sommerviilen und einige Motive des 19. Jahrhunderts" unternimmt sie den Versuch ei ner Typologie dieser neu erstandenen ,,Architek tur", die Adalbert Stifter im 6. Stück seiner,,Feld blumen", dem romantisch geschriebenen ,,Wiesen bocksbart", so meisterlich erträumt hat. Dabei kommt sie zur Erkenntnis von ,,Grundtendenzen, ... denen zufolge die biedermeieriiche Portikusviiia wegen ihrer Frühzeitigkeit und der ,Schweizerstil' Ischl zuzuordnen ist, dem Traunseegebiet der Hi storismus, dem Ausseerland die Orientierung am heimischen bäuerlichen Haus, dem spät entdeckten westlichen Seengebiet das .Heimatliche Bauen' der Jahrhundertwende". Dieses Kunstbuch ist nicht nur als ein wesentlicher Beitrag zur österreichischen Architekturgeschichte zu werten, sondern besitzt auch höchste Aktualität. Viel ist bereits zerstört, vieles gefährdet oder falsch konserviert, wie z. B. die Villa Toscana in Gmunden durch den Anbau eines monströsen ,,Kongreßzen trums" (Anm. d. Red.). Monika Oberhammer hat uns die Augen geöffnet, welch hohe Kuiturwerte das 19~. Jahrhundert im Salzkammergut geschaffen hat, die unbedingt erhalten bleiben müssen, wollen wir das Bild des Saizkammergutes als einer gewachse nen idealen Einheit von Natur und Menschenwerk bewahren. Erfreulich wäre es, wenn Monika Oberhammer ihre Arbeiten auf dem Sachgebiet der Architekturge schichte des Saizkammergutes fortsetzen könnte, etwa mit der Erforschung der öffentlichen Bauten im 19. Jahrhundert, der evangelischen Kirchenbauten in Geisern, Ischl und Gmunden, sowie der neugoti schen Schloßbauten am Traunsee. O. W. 98

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