Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 4, 1983

Links: Sowjetische Offiziere begeben sich am 9. Mai 1945 an der Enns zu den Amerikanern Rechts: US-General Walker (XX. US-Korps) und der sowjetische Generalleutnant Birjukow (XX. Garde-Schützen-Korps) an der Enns sehen Gemeinde Behamberg den Schulbau. Die verfassungsmäßige Sanktionierung er folgte allerdings erst 1955 nach Ende der Be satzungszeit. Für die letzte Kriegsphase sei noch vermerkt, daß die von den Sowjets noch nicht besetzten Teile Niederösterreichs der Jurisdiktion von Oberdonau-Gauleiter Eigruber in seiner Funk tion als Reichsverteidigungskommissar unter stelltwurden. Darum hatte Niederdonau-Gauleiter Dr. Jury unmittelbar vor seinem Selbst mord ersucht. Demarkationslinie wichtiger als Landesgrenze So gut wir über die verschiedenen Varianten der späteren Besatzungszonen informiert sind', so bescheiden ist das Quellenmaterial über die Art, wie die Demarkationslinien gezogen wurden. Wir wissen lediglich, daß die entspre chenden amerikanisch-sowjetischen Gesprä che in den letzten April-Tagen auf höchster Ebene durchgeführt wurden und zwar unmit telbar vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Oberösterreich. Und wir wissen überdies, daß den Sowjets die entsprechende Demarkationslinie für den angrenzenden böhmischen Bereich weit wichtiger als für den österreichischen war. Die Sowjets wollten vor allem alle Hauptstädte in diesem Bereich, ne ben Wien und Berlin auch Prag, selbst beset zen. Alles andere schien ihnen weit weniger wichtig. So zog man, vermutlich am Reißbrett, eine Linie, die aus dem Raum Joachimsthal nach Karlsbad in Westböhmen nach Pilsen und dann weiter zur Donau führen sollte. Erst südlich der Donau bildete wieder die Enns eine halbwegs klare Demarkationslinie. Jetzt, also etwa zwischen Anfang Mai und Ende Juli 1945, trat die oberösterreichischniederösterreichische Landesgrenze fast völ lig in den Hintergrund; weit einschneidender war vorerst die Demarkationslinie und an schließend die Abgrenzung der Besatzungs zonen. Diese Demarkationslinie, also die Linie, die an sich nur sowjetische und westalliierte Solda ten zu trennen hatte, berührte von der ersten Stunde an im besonderen Maße die Zivilbe völkerung. Sie war für Niederösterreich unwe sentlich, denn sie führte westlich der Landes grenze ausschließlich durch oberösterreichi sches Gebiet und zwar von der böhmischen Grenze nördlich von Sommerau nach Frei stadt und dann die Bahn entlang bis Mauthau sen. Die Bahntrasse der völlig außer Betrieb befindlichen, meist einspurigen Bahnlinie war verständlicherweise keine ideale Grenze für Soldaten; die sehr bald auf sowjetisches Drängen im wesentlichen an die Bundes straße verlegte Linie lag ein paar Kilometer weiter westlich und hatte für die Oberösterrei cher noch den zusätzlichen Nachteil, daß sämtliche an dieser Straße liegenden Ge meinden und Ortschaften zweigeteilt wurden. Das bedeutete sofort Schwierigkeiten bei der langsam einsetzenden Verwaltung, bei der ärztlichen Versorgung, bei der Versorgung mit Lebensmitteln.® In diesem Schlauch oberösterreichischen Landes zwischen der Landesgrenze und der westlich davon liegenden Demarkationslinie lagen 42 Gemeinden nördlich und 8 südlich der Donau, also rund ein Zehntel aller ober österreichischen Gemeinden. Wohl stießen die amerikanischen Fronttrup pen anfänglich auch noch in dieses Gebiet vor und erreichten etwa am 5. Mai Tragwein, Zell bei Zellhof und Pierbach, am 6. Mai Königs wiesen und Windhaag, am 7. Mai etwa Kefermarkt, Lasberg, Freistadt und Grünbach, am 10. Mai 1945 sogar noch Gutau, zogen sich aber dann wieder an die Demarkationslinie zu rück. Anderseits betraten sowjetische Trup pen bis Kriegsende und bis zur Unterzeich nung des Waffenstillstandsvertrages weder nördlich, noch südlich der Donau oberöster reichischen Boden. Erst dann begann ihr Wettlauf zu der schon etwa zehn Tage vorher auf höchster Ebene abgesprochenen Demar kationslinie, wobei sie südlich der Donau rund 80 Kilometer, nördlich der Donau aber rund 200 Kilometer zu überwinden hatten. Wie war die militärische Situation in dieser Schlußphase des Zweiten Weltkrieges, der im wesentlichen im oberösterreichisch-nieder österreichischen Grenzraumgebiet, auch in den angrenzenden böhmischen und steirischen Gebieten, zu Ende ging? Nördlich der Donau hatten sich die deutschen Truppen in den ölfeldern von Zistersdorf festgekrallt. Hier drangen die Sowjets nur sehr langsam vor. Das Gros der hier kämpfenden deutschen Truppen kam auch in sowjetische Kriegsge fangenschaft. Südlich der Donau hatten die 44

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