Martin Zeiiier Der Textautor der Merian'schen Topographien 1589 — 1661 Robert Wagner Die Biographie des Topographen, Schriftstel lers und Polyhistors Martin Zeiller führt uns in drei Bundesländer; nach Ranten bei Murau in der Steiermark, wo Zeiller am 17. April 1589 geboren wurde, nach Linz in Oberösterreich, wo er als Lehrer wirkte, und nach Schloß Zeil lern in Niederösterreich, 6 km westlich von Amstetten, wo er fast zehn Jahre in den Dien sten seines Gönners des Grafen von Tattenbach stand. Sein Vater (gleichen Namens) hatte bei Melanchthon studiert und wirkte seit vielen Jah ren als evangelischer Pfarrer in Ranten bei Murau. Die Familie war wohlhabend. Es gab Güter, Wirtschaften und zwei Häuser in Mu rau. Auch das Bürgerrecht besaß der Vater in dieser Stadt. Mit der Gegenreformation unter Ferdinand II. von Steiermark hatte das alles bald ein Ende. 1598 gab es im Schulhaus von Ranten eine allgemeine Büchervisitation. Viele von Zeillers Schulbüchern landeten als ketzerisch auf dem Scheiterhaufen. Am 8. April 1600 wurde über Zeillers Vater die Ver bannung ausgesprochen. Wenig später mar schierte der Seckauer Fürstbischof Martin Brenner an der Spitze der Grazer Inquisitoren und mit einer Bedeckung von 300 Bogen schützen unter dem Ritter Christoph von Pranky in Murau ein. Die Familie mußte Öster reich verlassen und ging zunächst nach Re gensburg und 1603 nach Ulm, wo der Vater als Pestprediger und Spitalsgeistlicher wirkte. Er starb 1609. Der Sohn war, als die Familie aus Murau flüch tete, 14 Jahre alt. Trotz der schwierigen Um stände erhielt er eine hervorragende Ausbil dung, zuletzt an der Universität in Wittenberg, 1608-1611, wo er zum Doktor der Rechte promovierte. Schon in dieser Zeit begannen Zeillers erste Reisen, zunächst in den Norden Deutsch lands, nach Braunschweig und Westfalen. Die alten väterlichen Verbindungen und Be ziehungen zu Österreich haben sicher dazu beigetragen, daß der junge Zeiller 1612 Lehr meister einer größeren Zahl junger Adeliger in Linz wurde, darunter der junge Freiherr von Herberstein, der Graf von Ortenburg und die Grafen Sigismund und Friedrich von Tattenbach. Besonders zur Familie Tattenbach auf der Herrschaft Zeillern hatte er seit dieser Zeit ein enges und herzliches Verhältnis. Daneben unterrichtete er auch an der öffentlichen Schule in Linz im Auftrag der oberösterreichi schen Landstände. Doch lange litt es ihn nie an einem Platz und er tauschte die Stabilitas loci bald mit neuen Rei sen ein. Gemeinsam mit seinen Schülern be suchte er Böhmen, vor allem die damals be rühmte Schule in Sobieslaw und die Universi tät in Prag. 1615 wurde er als Hofmeister des Grafen Tattenbach ganz nach Schloß Zeillern ■ i SS g -l^vrU- in S'uv- S^prüi. nai ■ i(4-x- d&tin 'r^ndr ■ Sclduin CäslS) Porträt Martin Zeillers 1642, Kupferstich von Sebastian Fürst nach Andreas Schu(e)ch. - Foto: Bibliothek der Akademie der bildenden Künste Wien berufen, wo er sich ausschließlich der Ausbil dung der beiden jungen Tattenbach widmete und sie auf ihren Bildungsreisen zu begleiten hatte. So führte Zeiller ein Leben wie viele andere Gelehrte in dieser Zeit. Als Hofmeister war er an eine gesellschaftlich untergeordnete Stel lung gebunden, durch seine reichen Schüler war er aber in der Lage, große Reisen zu un ternehmen, und sicher waren die Reisen für den Führer lehrreicher als für die Geführten. Auf einer mehrjährigen Reise kam er mit sei nen Schülern nach Lothringen, Frankreich und in die Schweiz. Längere Aufenthalte hatten sie an den Universitäten in Straßburg, Paris, Genf und Basel. 1622 suchte er um seine Entlassung beim Grafen Tattenbach an. Sein unstetes Leben führte ihn weiter, zunächst in die Steiermark und nach Krain. Neuerlich wurde er zum Lehrmeister einer Reihe junger Adeliger, dar unter der Söhne des Statthalters von Inner österreich, Balthasar Göller von Schwanen berg. Die nächsten Stationen waren Linz, wo er durch den religiösen Umbruch im Jahre 1624 vertrieben wurde, dann Ulm, Tübingen und Straßburg. 1628 trat er seine große Italienreise mit dem jungen Schwanenberg und anderen Schülern an. Eine Reise nach Italien war auch schon im 17. Jahrhundert die Pflichtbildungsreise eines jeden Gelehrten schlechthin. Besonders in Venedig und Padua hielt sich Zeiller längere Zeit auf. In Padua wurde er mit dem Amt eines Syndicus der juridischen Fakultät von der ,,deutschen Nation" der Universität betraut. Mit 40 Jahren gab er sein unstetes Reiseleben auf und ließ sich in Ulm nieder. Eine gute Hei rat mit einer wohlhabenden Kaufmannsfrau erleichterte ihm diesen Entschluß. Die reichen Studienergebnisse, Beobachtun gen und Exzerpte seiner Studien- und Reise zeit konnte er jetzt in Ruhe kritisch verarbeiten. In diesen Jahren entfaltete er eine äußerst fruchtbare literarische Tätigkeit. 1630 wurde ihm das Bürgerrecht in Ulm verliehen. Er er hielt eine Reihe ehrenvoller Aufgaben. So wurde er Oberaufseher des Gymnasiums, Zensor der historischen und philosophischen Schriften und 1643 Inspektor der deutschen Schulen. Eine ihm vom Rat der Stadt Ulm an gebotene Professur für Geschichte und Moral lehnte er ab, um mehr Zeit für seine schriftstel lerischen Arbeiten zu finden. Über 45 Werke verfaßte Zeiiier. Sein erstes Buch wurde bereits 1628 in Linz gedruckt, die vielgelesene Übersetzung des ,,Theatrum tragicum" von Franpois Rosset, das mit seinen novellistischen Skizzen ein beliebtes ünterhaltungsbuch war. Auch seine Übertragung von Garons ,,Le Chasse-Ennuy" war eine gern gelesene Schwanksammlung. Daneben wurde Zeiller mit seinen ,,Collectanea" und,,Epistel-Sammlungen" bekannt, die mit ihrer ansprechenden Mischung aus Wis senswertem und Kuriosem gut beim Publikum ankamen. Berühmt wurde Zeiller aber nicht durch seine belletristischen, sondern seine geographi schen Arbeiten, die Itinerarien und Topogra phien. Von 1632-1646 erschienen in rascher Reihenfolge elf ,,Itinerarien" oder ,,Reisebe schreibungen" von Deutschland, Frankreich, Spanien, Dänemark und Norwegen, Schwe den und Finnland, Polen und Litauen, Großbri tannien, den Niederlanden, Italien und üngarn. Sie waren ein so durchschlagender Er folg, daß sie bald zahlreiche Auflagen und Übersetzungen erlebten. In den Itinerarien werden, wie bei einem Rei seführer, Routen mit allen Sehenswürdigkei ten beschrieben. Natürlich gab es im 17. Jahr hundert andere Schwerpunkte der Besichti gung als heute. Ähnlich wie die Museen keine so streng wissenschaftlichen Kunstsammlun gen waren, sondern eher liebenswürdige Ku riositätenkabinette, wo alles gesammelt wurde, was interessant und sammelnswert erschien, reichte auch das Interesse der Reisenden des 31
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